Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Die Ameisen haben Jahrmillionen überlebt …

Juni 2015

Wir leben meiner Ansicht nach schon in einer „verrückten Zeit“. Nach einer lang anhaltenden Wachstumsphase hat man im Moment – eigentlich müsste ich richtiger sagen, schon seit längerer Zeit – das Gefühl, dass jetzt rund um die Welt vieles aufpoppt, was sich in den Jahren davor entwickelt hat, was man vielleicht zu sehr links liegen gelassen hat, Themen, denen man vielleicht zu wenig Bedeutung beigemessen hat. Wie auch immer, es ist die Zeit, in der wir leben, und es ist die Zeit, wo wir unsere Aufgabe in der jeweiligen Position, in der wir sind, gewissenhaft wahrnehmen müssen.

Die Welt lebt in Dynamik. Veränderungen in allen Belangen sind zur Konstante unserer Gegenwart geworden. So stellen sich heute in ständig kürzeren Abständen Neuerungen als Realitäten he­raus. Mit diesen Bedingungen leben wir alle, in diesem Umfeld agieren auch die regional tätigen Vorarlberger Banken.

In diesem Transformationsprozess, in dem wir alle stehen, gibt es einige Themen, die uns aus Bankensicht doch sehr beschäftigen (müssen). Lassen Sie mich vier Themenkomplexe exemplarisch herausheben:

  • das zunehmend erkennbare Korsett der Regulatorik
  • die schon einige Zeit andauernde und wohl noch einige Zeit bleibende Phase der Niedrigzinsen
  • die Schweizer-Franken-Thematik und
  • das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung.

Zum Korsett der Regulatorik

Wir müssen zunehmend zur Kenntnis nehmen, dass die europäische Politik über die Bankenunion ein klares Ziel verfolgt, nämlich möglichst wenige, dafür große europäische Banken statt eines Zusammenspiels von großen und kleinen Banken.

Ich denke, wir haben als regional organisierte Banken in Vorarlberg den Beweis angetreten, dass viele kleine Einheiten kein systemisches Risiko darstellen. Wenn aber eine der wenigen großen Banken in Schieflage gerät, dann ist das jedenfalls systemrelevant. Ohne darauf näher eingehen zu wollen: Der gerade die Justiz und die Ausschüsse beschäftigende Fall der Hypo Alpe Adria zeigt, was passiert, wenn man zu große Einheiten entstehen lässt und zu lange zuschaut, und am Ende des Tages davon auf einen Punkt gebracht übrig bleibt: „Ein ganzer Staat, aber auch viele Investoren, die dadurch in Geiselhaft genommen werden.“

Kleine Einheiten sind vielleicht aus Sicht einer Bankenregulierung – weil viele – unüberschaubar und bedeuten vielleicht Komplexität. Ich persönlich bin überzeugt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wer kann heute schon einen Riesenkonzern wirklich überwachen? Wie kann sichergestellt werden, dass dort alles richtig läuft? Eine regionale Bank in Vorarlberg ist eine überschaubare Einheit, die nicht mit den gleichen Mechanismen überwacht werden muss wie Großkonzerne.

Was wir darüber hinaus jetzt an regulatorischen Kosten bewältigen müssen und was wir noch darüber hinausgehend in verschiedenste Fonds dotieren müssen, stellt eine immer größere Belastungswelle für unser erfolgreiches regionales Geschäftsmodell dar.

Zur Niedrigzinsphase

Die EZB versucht bekanntermaßen, mit dem Niederhalten des europäischen Leitzinses die Wirtschaft anzukurbeln – ein hehres Ziel, aber vermutlich ein nicht zu erreichendes, weil ergänzende Rahmenbedingungen fehlen. Um die Wirtschaft anzukurbeln, braucht es mehr als eine Geldpolitik der EZB. Da braucht es neben anderem vor allem auch Vertrauen in und Fantasie für die Zukunft. Beides ist meiner Ansicht nach derzeit leider nur in geringem Ausmaß erkennbar.

An uns regionale Banken stellt diese Niedrigzinsphase besonders hohe Anforderungen und erhöht den Ertragsdruck in großem Ausmaß. Dass die über Jahre hinweg massiv reduzierte Zinsspanne noch weiter zurückgeht, ist betriebswirtschaftlich nicht mehr verkraftbar. Regionales Banking verursacht eben auch entsprechende Kosten, die insbesondere aus einer vernünftigen Zinsmarge gedeckt werden müssen – eine Zinsmarge, die mit dem Kunden vereinbart wird und eine faire und transparente Bepreisung der Leistungen bedeutet.

Dass diese Zinsmarge durch eine Weitergabe von Negativzinsen reduziert wird, ist nicht nur betriebswirtschaftlich unmöglich und undenkbar, sondern entbehrt auch jeglichen Rechtsverständnisses. Wir hoffen, dass das seitens der Banken dazu erstellte Gutachten auch in der Rechtsprechung seinen Niederschlag finden wird.

Schweizer-Franken-Thematik

Uns allen sitzt noch der Schock vom 15. Jänner im Nacken. An diesem Tag hat die SNB ganz überraschend die Kursfixierung zum Euro aufgegeben.
Seit damals ist viel passiert. Schmerzhaft für viele Kunden ist der daraus resultierende Anstieg der Kreditbelastung, schmerzhaft für uns Banken ist die sich daraus ergebende öffentliche Diskussion, die uns meiner Ansicht nach in weiten Teilen zu Unrecht kritisiert. Kreditgeschäft ist langfristiges Geschäft. Das sind Verträge, die irgendwann abgeschlossen wurden mit dem Wissen von damals und weit in die Zukunft reichen. Alles, was sich zwischenzeitlich ändert, soll und kann nicht einfach in die Verträge einfließen. Wenn es aber so massiv veränderte Rahmenbedingungen gibt, dann sollte das partnerschaftlich und fair auch in einer Vertragsanpassung Platz finden können.

Wie auch immer: Faktum ist, was wir schon immer gesagt haben: Der Schweizer-Franken-Kredit beinhaltet eine hohe spekulative Komponente. Das hat sich leider wiederum in Erfahrungen für beide Seiten – für die Kunden und für uns – manifestiert.

Zum Thema Vertrauen

Was aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig ist und höchste Bedeutung hat, ist, dass wir alle wieder Vertrauen gewinnen können. Vertrauen in unsere Politik, in unsere wirtschaftliche Entwicklung, in unsere gemeinsame Währung, den Euro, einen hoffentlich nachhaltigen Friedensprozess und vieles andere mehr. Wirtschaftspolitisch – denke ich – muss sich ein Vorarlberger von der österreichischen Bundesregierung wünschen, dass vieles, was bei uns im Land gut funktioniert, auch in die Bundespolitik Einlass findet, wenngleich ich damit nicht sagen möchte, dass nicht auch bei uns noch das eine oder andere verbessert werden kann. Dass aber gerade Strukturreformen unabdingbar sind, dass das Pensions­thema angegangen werden muss, dass eben die Politik von heute Antworten auf die Themen von heute finden muss, statt dauernd, weil man „Klientelpolitik machen muss“, überall anzuecken, versteht sich – denke ich – von selbst. Es funktioniert allerdings auch nicht, wenn eben immer dieselben Berufsgruppen oder Interessenvertretungen adressiert werden. Schön wäre es, und funktionieren würde es wahrscheinlich, wenn wir alle erkennen könnten, dass es uns alle betrifft und trifft und dass jede und jeder seinen Beitrag leisten muss. Ausgewogenheit müsste hier das Stichwort sein, ohne damit zu sehr an der Oberfläche zu bleiben und damit wieder nichts zu verändern und zu bewegen.

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