Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Drei Generationen auf dem Weg

Mai 2023

Seniorchefin Fini Vögel, 84, ist noch fast jeden Tag im Unternehmen, das sie vor mehr als 60 Jahren mit ihrem Mann August Vögel in Bludesch gründete. Sie stammt aus einer Frächter- und Gastwirtfamilie aus Sibratsgfäll und lernte Ende der 1950er-Jahre den jungen Sulzberger August Vögel (1930-2010) kennen und lieben. August Vögel arbeitete in Sulzberg als Knecht – wie er selbst immer gesagt habe – und als ein Holzhändler und Sägewerksbetreiber aus Bludesch in Sulzberg Holz kaufte, habe er ihn im Herbst 1954 gefragt, ob er nicht für ihn bis Weihnachten als Traktorfahrer aushelfen wolle. Das habe er angenommen und sei dann mit Traktor und Anhänger von Bludesch nach Sulzberg gefahren, habe dort händisch Rundholz geladen, um am gleichen Tag wieder voll beladen nach Bludesch zurückzukehren. Weihnachten war vorbei und August blieb in Bludesch beschäftigt und 1960/61 bauten August und Fini Vögel dort ihr Haus. 1960 kaufte August einen VW-Bus und organisierte an den Wochenenden Ausflugsfahrten in die nähere Umgebung. Ein weiteres Jahr später sollte dieser Bus die Anzahlung für den ersten eigenen Lkw und die Selbständigkeit sein: ein Saurer mit Henschel-Motor und 95 PS. Mit diesem belieferte er in der boomenden Bauwirtschaft die Baustellen im Oberland. Serviciert und repariert wurde der Lkw von August an den Wochenenden in der eigenen Werkstatt beim Wohnhaus, die drei Jahre später angebaut wurde. Ihre Kinder Herwig und Kurt waren dann nie weit weg. Kurt (57) fand seine Begeisterung für die Lkw-Technik und ist heute der Technische Leiter der Firma. Herwig (60) übernahm den kaufmännischen Teil.
1962 folgte der zweite Lkw, mit einem Hiab-Kran, denn der Holztransport blieb ein wichtiges Geschäftsfeld. Für die schnellere und einfachere Be- und Entladung der Baumstämme entwickelte August Vögel mit der Sulzberger Fahrzeugschmiede Wohlaib eine eigene Rundholzzange, mit der sich die Ladezeiten deutlich verringern ließen. Weil auch der Straßenbau und die Asphaltierung boomten und viele Heizungen in den 1960er-Jahren auf Heizöl umgestellt wurden, war ein MAN-Tankzug die nächste Investition in den Fuhrpark und die Flotte wuchs langsam an. 1983 erfolgte der Einstieg in den Güterfernverkehr, der durch die international tätigen und schnell wachsenden Unternehmen in der Region notwendig wurde. Damit war der Grundstein für das heutige international tätige Speditionsunternehmen gelegt. Waren es 1989 noch 17 Fahrzeuge in der „Vögelschar“, wie es sein Sohn und der heutige Unternehmensleiter Herwig Vögel (60) bezeichnet, sind es heute an vier Standorten (Bludesch, Liechtenstein, Deutschland und Italien) fast 200 Fahrzeuge.

Die ökologische Ader
Wir alle brauchen tagtäglich Güter, die transportiert werden müssen. Dass Frächter nicht ganz oben in der Gunst vieler Menschen stehen, ist auch Herwig Vögel klar. Umso mehr ist es ihm ein Anliegen, seine Flotte so modern und umweltfreundlich wie möglich zu halten und ganz wichtig, Leerfahrten zu vermeiden. Das erfordert ein hochkomplexes Logistiksystem im Hintergrund und eine sekundengenaue Überwachung der Flotte. Damit wird nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch der wirtschaftliche Erfolg erst möglich. Seit vielen Jahren wird schon auf möglichst sparsame und umweltschonende Fahrzeuge gesetzt und jeder technischen Neuerung gegenüber ist das Unternehmen aufgeschlossen und erwartet schon bald fernverkehrstaugliche Konzepte mit erneuerbarer Energie. Sie werden bei den Ersten dabei sein, verspricht Herwig Vögel. Dessen Sohn Stefan (36), der wie seine drei Schwestern im Unternehmen die Prokura innehat, verweist auf die neue Halle, auf der eine PV-Anlage mit fast 1000 Kilowatt-Peak installiert wurde. Das ist die Fläche von ungefähr 100 Einfamilienhausanlagen und dabei würde die Ladedauer in naher Zukunft massiv verkürzt werden, was dann auch den Einsatz im Lkw-Betrieb besser ermögliche. Zurzeit werden dort noch Pkw und Stapler elektrisch „betankt“.

Eine soziale Ader
Wenn man weiß, dass August Vögel aus einer armen Familie in Sulzberg stammte, dessen Mutter von elf Kindern mit nur 48 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben war und den Vater mit drei unversorgten Kindern und einem Enkelkind zurückließ, erschließt sich vielleicht daraus die soziale Ader der Familie und damit auch des Familienunternehmens. Denn das Prinzip des „Ausflaggens“, dass Lkw samt ihren Fahrern in osteuropäischen Ländern angemeldet sind, gibt es bei Vögel-Transporte nicht. Alle Fahrer sind nach österreichischen, liechtensteinischen, deutschen oder italienischen Arbeitsbedingungen am jeweiligen Standort angestellt und das zeigt sich wiederum in der geringen Fluktuation und der hohen Zufriedenheit der Mitarbeiter. Erst im vergangenen Jahr wurde das Bürogebäude bei der Zentrale in Bludesch umgebaut und mit neuen und schönen Sanitär-, Sozial- und Ruheräumen für die Fahrer ausgestattet. Fairness gegenüber den Mitarbeitern zählt, und so war es für Seniorchefin Fini früher auch nicht unüblich, dass sie für die am Sonntagabend abfahrenden Mitarbeiter am Wochenende Kleidung wusch und am Samstag noch das Mittagessen auftischte. Als vor drei Jahren einer der Mitarbeiter an Krebs erkrankte, organisierte Maria Vögel (37), sie ist Personalleiterin, eine Spendenaktion und sammelte 19.000 Euro für dessen Therapien. Mit dem „Weihnachts-Truck“ wurde diese Aktion auch in den beiden folgenden Jahren durchgeführt und über 100.000 Euro Spendengelder kamen vier notleidenden Kindern aus der Region zugute. Alle zwei Jahre organisieren sie die Ländle-Truckshow, bei der neben Unterhaltung Groß und Klein der Lkw nähergebracht und auf die Gefahren aufmerksam gemacht wird. Dieses soziale Engagement will die Familie Vögel mit derselben Begeisterung weiterführen wie ihr Geschäft, denn Frächterei sei der spannendste und abwechslungsreichste Beruf, schließt Herwig Vögel.

Kommentare

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Kann mich noch gut erinnern alls ich als Kfz Lehrling mit August in meiner Freizeit geholfen habeLKW zu reparieren
Du musst fragen den St. Peter