Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Sparen im Sozialbereich – seit 20 Jahren gefordert

Juni 2025

Es muss gespart werden, auf Bundes-, auf Landes- und auf Gemeindeebene. Nur, wo und bei wem? Besonders umstritten sind Einsparungen bei den „Ärmsten“ und damit auch im Sozialbereich. Zuletzt gingen auch Mütter von Menschen mit Behinderungen auf die Barrikaden. 

Der Landessozialfonds Vorarlberg wurde 1997 eingerichtet, um ein gut ausgebautes soziales Netz im Land Vorarlberg zu erhalten und zu sichern. Also um die Sozialhilfekosten zu finanzieren und zu steuern. 60 Prozent finanziert das Land, 40 Prozent der Kosten werden von den Gemeinden getragen. Wichtiger Zusatz: Die Leistungen stützen sich „maßgeblich auf Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege“, also auf IFS, Caritas, Lebenshilfe & Co. 

Der Rechnungshofbericht 2004
Der Rechnungshof überprüfte schon 2004 den Sozialfond und stellte fest, dass „aufgrund gesellschaftlicher und demografischer Entwicklungen die Ausgaben künftig überdurchschnittlich steigen werden“, weshalb „vermehrt sozialpolitische Vorgaben notwendig“ seien. Lag der Finanzmittelbedarf im Jahre 2002 noch bei 101,5 Millionen Euro, stieg er bis zum Voranschlag 2025 auf 371 Millionen. Der größte „Brocken“ am Finanzierungsbedarf, mit gut 136 Millionen, ist der Bereich „Chancengleichheit“, noch vor dem Bereich „Senioren und Pflegevorsorge“ mit 111 Millionen. Die Kinder- und Jugendhilfe schlägt mit 68 Millionen Finanzierungsbedarf zu Buche und die Existenzsicherung mit gut 63 Millionen Euro. 

Der Sparkurs 2025
Nun verordnete die zuständige Landesrätin Martina Rüscher dem Bereich „Chancengleichheit“ einen Sparkurs, der an die freien Träger weitergegeben wurde, beziehungsweise diese an ihre Klientel weitergegeben haben. Auch wenn Landeshauptmann Markus Wallner im Landtag nach einer SPÖ-Anfrage ausrückte, um zu erklären, dass hier wohl etwas falsch verstanden wurde, denn gekürzt werden sollen nicht einfach Leistungen, die die Träger für ihre Klientel aufbringen, sondern die Träger mögen bei sich selbst sparen. Abgesehen davon, dass im Voranschlag der Regierung tatsächlich Leistungskürzungen vorgesehen sind und auch so benannt sind, zum Beispiel bei „Spezielle Therapien“ oder der „Ambulante neurologische Rehabilitation“, könnten auch die Träger mit mehr Steuerung durch das Land sparen.

Mehr steuern durch Managementkapazität
Schon 2004 bemängelte der Rechnungshof, dass der Sozialfonds die ihm gemäß Sozialhilfegesetz übertragenen Management-, Steuerungs- und Überwachungsfunktion nicht ausreichend wahrnehme, „die Managementkapazität ist nicht bedarfsgerecht vorhanden“. Schon damals schrieb Dir. Herbert Schmalhardt, dass „für die jährlichen Budgets operative Vorgaben im Fall von Mittelkürzungen fehlen, und dass unrealistische Budgets in der Praxis zu Budgetüberschreitungen führen“. Die Behindertenhilfe sei wenig transparent und derzeit nur eingeschränkt steuerbar, bis hin zur bestehenden Praxis im Zugang mit den Leistungen. „Maßnahmen zur Verbesserung und Steuerbarkeit der Behindertenhilfe“ sollten möglichst rasch umgesetzt werden, so der Rechnungshof im Jahre 2004. Der Rechnungshofbericht aus dem Jahre 2018 fiel zwar moderater aus, stellte aber trotzdem fest, „dass ein Schema für standardisierte Tarifkalkulationen bereits im Jahr 2013 festgelegt wurde, nach der gezogenen Stichprobe gelang die Umsetzung bislang aber nicht.“

Ungünstige Ausgangslage
Hält man sich vor Augen, dass es auf der einen Seite eine Verwaltung mit mangelnden Managementkapazitäten gibt, die das Geld verteilen, und auf der anderen Seite ein professionell agierendes Management bei den freien Trägern, wird schnell klar, dass hier ein Ungleichgewicht besteht. Zweifelsfrei gehören die Träger, die die Leistungen erbringen, in die Produktentwicklung eingebunden, aber sie dürfen nicht zu den Entscheidern werden. Deshalb empfahl der Rechnungshof schon vor mehr als zwanzig Jahren, dass die Zuweisungsfunktion insbesondere für hochschwellige Leistungen durch „eine von den Leistungserbringern unabhängige Clearingstelle“ wahrgenommen werden sollte.

Betroffene und Angehörige
An erster Stelle sollten wohl die Betroffenen und deren Angehörige stehen, die Bedürfnisse und Notwendigkeiten formulieren und artikulieren. Die institutionellen Strukturen sind da, von der Betroffenenvertretung über die Angehörigenverbände bis zu Experten im Monitoring Ausschuss. Insofern war auch die Forderung der SPÖ im Vorarlberger Landtag ungenügend, wenn sie im Sozialpolitischen Ausschuss einen „runden Tisch mit allen Trägerorganisationen“ forderte. Die Überprüfung der Leistungen im Sozialfonds, wie sie von ÖVP-Sozialsprecherin Heidi Schuster-Burda verteidigt wurde, mag erstens ihre Berechtigung haben und zweitens ein erster Schritt zu mehr Steuerung in diesem System sein. Aber auf die Einbeziehung der Betroffenen, der Angehörigen und weiteren Experten, darf dabei nicht vergessen werden. Die erste Achse sollten die Hilfebedürftigen, unabhängige Experten und die gesetzlich zuständigen Stellen sein, die Leistungen formulieren, entwickeln und gegebenenfalls ausschreiben und „kaufen“. Das würde in Folge auch einen Wettbewerb zu Gunsten von Klienten und öffentlichen Mitteln auslösen. 
Will man also in diesem Bereich sparen, empfiehlt sich eine klare Strategie, die Betroffene & Co in die Entwicklung intensiv einbindet, mit unabhängigen Experten konkrete Produkte entwickelt und diese transparent, für alle gleichermaßen und übersichtlich anbietet. Ein Zurückdrängen der Träger wäre auch im Sinne der De-Institutionalisierung, die von der Behindertenrechtskonvention gefordert ist, und die hat Österreich 2008 ratifiziert.

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