Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Vom Krieg berichten

Mai 2025

Der renommierte Kriegsberichterstatter der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“, Wolfgang Bauer, war auf Einladung des Vorarlberg Museums zu Gast und berichtete von den Anforderungen, den Herausforderungen, den Gefahren, aber auch der Notwendigkeit, von Kriegsschauplätzen vor Ort zu berichten.

Nein, mein Bart ist kein persönlicher Bart, sondern ein Berufsbart“, erklärt der Reporter auf dem Podium. Wenn er noch die traditionelle Kleidung der Afghanen trage, dann könne er unbehelligt durch die Straßen oder Kriegsgebiete laufen, ohne dass er als Ausländer sofort erkannt werde. Das sei nicht so sehr zur Sicherheit vor den „Offiziellen Kräften“, sondern wegen der Kleinkriminellen, die Ausländer bestehlen oder auch schon mal als Geisel kidnappen, um an Geld zu kommen.
Nein, nicht mit dem traditionellen Presse-SUV schnell an die Front und ein paar Fotos machen, drei Leute interviewen und wieder zurück in friedliche Gefilde, sondern Undercover, ohne die Aufschrift „Press“, wagt sich Wolfgang Bauer an die Fronten der Kriege in dieser Welt. 

Die Front in der Ukraine 
Wolfgang Bauer war schon mehrmals in der Ukraine und berichtete auch von dort. Aber im letzten Jahr setzte er sich in den Kopf, dass er erleben wollte, wie es ganz vorne zugeht, „dort, wo Menschen auf Menschen schießen“. Erleben, was an der Front tatsächlich passiert und wie es ist, dort über Wochen und Monate zu leben und zu kämpfen. Das bedeutete dann tatsächlich sich in der zweiten oder besser in der ersten Reihe – wie sie später erfuhren – einer Lebensgefahr auszusetzen. Jede Minute könne dort das Leben vorbei sein und einmal wären sie nur knapp von einem russischen Jet und seinen Raketen verfehlt worden. Bauer: „Alles voller Staub, die Erde bebte und vom Dach kamen Lehmbatzen herunter. Hätte der Pilot seinen Steuerknüppel nur um einen Millimeter mehr in ihre Richtung gelenkt, säße ich heute nicht hier“, erzählt der Journalist in stoischer Ruhe. Dabei sei er ein Angsthase und schlafe vor so einem Einsatz schlecht und unruhig. Das war dann auch in ihrem Unterstand nicht anders: ein geschütztes Erdloch mit Betten, Funkgerät, Internet über Elon Musks Starlink-System und eben Kämpfern. Dort harrten sie über Tage aus, ohne Ortswechsel und konnten gerade mal ein paar Minuten am Tag in die Sonne sehen, dermaßen intensiv war der Beschuss durch russische Truppen. Am gefährlichsten war der WC-Gang, ansonsten hieß es warten, beobachten, fühlen, denken und beschreiben, was das heißt, in so einer Situation festzusitzen. 

Warum man sich das antut
Bauer ist überzeugt, dass es Menschen braucht, die dort hinsehen, wo andere nicht hinsehen. Das sei seine Aufgabe und Verantwortung als Journalist, stellvertretend für die Leserschaft hinzuschauen, wo andere wegschauen. Letztlich versuche er mit seiner Arbeit, seiner Berichterstattung, etwas zu bewirken, „Dinge“ in eine bessere Richtung zu manövrieren. Und manchmal könne er auch von Hoffnung berichten, denn Hoffnungslosigkeit könnten sich die Menschen in den Kriegsgebieten gar nicht leisten. Und wenn in einem Krankenhaus an der Front, wie im Sudan geschehen, alle fliehen und anschließend Freiwillige – Ärzte, Pflegepersonal oder auch ganz gewöhnliche Menschen – den Dienst aufnehmen, um den Menschen dort zu helfen, dann seien das Momente, die Energie geben würden. Bauer: „Diese Menschen geben Hoffnung, von der auch wir Reporter zehren.“ Und mit Abenteuer habe das nichts zu tun, Abenteuer gehören für ihn in einen Jugendroman, er mache einfach seine Arbeit, nicht mehr und auch nicht weniger. 

Afghanistan und die jungen Taliban
Afghanistan sei für ihn das landschaftlich faszinierendste Land und solange es die Taliban erlauben, sei er immer wieder dort und er schrieb auch ein Buch über Afghanistan mit dem Titel „Am Ende der Straße.“ Was den Umgang mit den Taliban anlangt, ist er pragmatisch. Sie müssten wohl anerkannt werden, aber nicht als Regierung, eher als Geschäftsträger und so sollten auch soziale Kontakte gesucht und geknüpft werden, denn ignorieren könne man die Taliban nicht. Das wäre absurd und eine Vogel-Strauß-Politik. Tatsächlich sei aber vieles in Afghanistan schiefgelaufen. Sonst hätten die Taliban nicht in elf Tagen ein so großes Land übernehmen können, wo vorher in zwanzig Jahren Milliarden Dollar und Euro vom Westen investiert wurden, um letzten Endes eine korrupte vom Westen gestützte Regierung zu implementieren, was schiefging. Man sei mit zu viel Geld, mit zu wenig Ahnung und zu wenig Kenntnissen über dieses Land hineingegangen und es seien Phantomprojekte entstanden, wo die Gelder in die Korruption versanken, das gelte auch für manche humane Projekte aus dem Westen. Die traditionellen sozialen Strukturen wurden missachtet und jetzt herrsche dort eine Art „Friedhofsruhe“ unter dem Regime der Taliban. Nur noch ganz wenige Journalisten ließen die Taliban ins Land, und die würden immer gut beobachtet und kontrolliert werden.
Hoffnung geben Wolfgang Bauer gerade die jungen Taliban. Die Liebe zu den Frauen, zu den Müttern, den Schwestern, den Mädchen sei kulturbedingt groß und die jungen Taliban würden sehen, wie schlecht es den Frauen, den Mädchen und den Familien in ihrer Isolation gehe. Was wiederum auf die Männer zurück wirke, wenn ihre Familien leiden und „kaputt“ gingen. Die jungen Taliban wollten, dass ihre Schwestern zur Schule gingen, etwas lernen und arbeiten dürften. Unter der jungen Generation der Taliban entwickle sich eine neue Einstellung und Haltung zu Frauen und Mädchen. Es könnte sich in eine bessere Richtung entwickeln, meint der Reporter, wenn diese junge Generation mehr Macht bekomme. Wolfgang Bauer: „Hoffnung geben die jungen Taliban, die für Frauenbildung eintreten, ihre Schwestern zur Schule gehen lassen wollen, sie studieren und arbeiten lassen wollen. Aber Hoffnung sei ein großes Wort. Bekanntlich stirbt sie zuletzt.

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