

Zwischen Geniekult und Lokalhistorie
Die Bregenzerwälder Barockbaumeister
Gleich zwei Museen (ver)ehren im Bregenzerwald die Barockbaumeister. Dass nicht alles Gold ist, was glänzt, machte der Historiker deutlich. Er plädierte für einen Perspektivenwechsel: Die Barockbaumeister auch als Bregenzerwälder zu sehen, ohne diese außergewöhnliche Kultur vom Sockel stoßen zu wollen.
Die Werke der Barockbaumeister sind zum Teil Unesco-Welterbe und werden jährlich von vielen tausenden Besuchern bestaunt. Es sind rund 800 Barockbauten wie Klöster und Kirchen in Einsiedeln, im Schwarzwald, im Elsass oder in Süddeutschland. Es gehörten aber auch Schlösser, Palais und Bürgerhäuser zu ihren Bauten. Die bekanntesten Namen der Bregenzerwälder Barockbaumeister sind Michael Beer, Franz Beer, Franz Beer von Bleichten, Peter Thumb und Caspar Moosbrugger. Das „Barock Baumeister Museum“ in Au im Bregenzerwald widmet sich dieser Geschichte wie zum Teil auch das neu gestaltete Bezauer Heimat-museum.
Die „Kleinen“
Bis zu 800 Bauarbeiter und Handwerker verließen im 17. und 18. Jahrhundert jedes Jahr um Josefi (19. März) herum den Bregenzerwald und arbeiteten während des langen Sommerhalbjahres bis Martini (11. November) auf den Baustellen der Baumeister mit klingenden Namen. Im Barock waren Stuckateure und Kunsttischler für die künstlerische Ausgestaltung gefragte Handwerker, keine Frage. Aber die Baumeister übernahmen gewöhnlich den gesamten Bau dieser Gebäude zu einem fixen Preis und waren dadurch geforderte Unternehmer, die mit Risiko und kaufmännischem Geschick ihre Baustellen abwickeln mussten, was freilich nicht immer gelang, aber meistens. So brachten es die Baumeister zu einem Vermögen.
Bregenzerwälder Verputzer
Wer die zum Teil riesigen Bauten kennt, an denen die Bregenzerwälder arbeiteten, wird erkennen, dass es auf diesen Baustellen nicht nur hochausgebildeten Personals bedurfte, sondern es galt auch, „Quadratmeter zu machen“, an Böden, Wänden und Decken. Harte Arbeiten auf diesen Akkordbaustellen, die Kraft, Ausdauer, Durchhaltewillen und eine „gesunde Natur“ erforderten. Das alles mögen die jungen Bregenzerwälder möglicherweise mitgebracht haben. Der Historiker Meinrad Pichler erläuterte in einem Vortrag, dass die meisten dieser Handwerker einfache Verputzer waren und die Arbeit leisteten, die auch heute noch den Gastarbeitern zugestanden wird, also Verputzen.
Barockbauhandwerker und Bohrturmarbeiter
Der Zahltag kann auch nicht so schlecht gewesen sein, denn es lasse sich laut dem Historiker Mathias Moosbrugger nachweisen, dass durch diese Saisonarbeiter entsprechende finanzielle Mittel in die Bregenzerwälder Dörfer floss, das dann dort investiert wurde. Vermuteterweise nicht nur in Wohnhäuser, sondern auch in Vorsäße, also in die zweite Stufe der Dreistufenlandwirtschaft im Bregenzerwald. Immerhin verließen diese Handwerker mehr als ein halbes Jahr ihre Heimat samt ihrer Familien und Freunden und verbrachten ihr sicher nicht leichtes Leben auf den Baustellen weit weg der Heimat. Mathias Moosbrugger verglich das salopp mit jungen Wäldern heutzutage, die ein paar Jahre auf Montage ins Ausland gehen oder auf einem Ölbohrturm arbeiten, um dann mit viel Geld wieder nach Hause zu kommen. Es handelte sich also in der Regel um eine temporäre Auswanderung bis zur Eheschließung. Dann kehrten viele mit dem verdienten Geld wieder in ihre Heimat zurück und wurden ansässig, als Bauer oder Handwerker, nachdem sie vorher sechs, sieben oder acht Jahre im Ausland arbeiteten.
Die Rolle der Zunft
Wenn das Auer Barockbaumeistermuseum schreibt, dass diese Erfolgsgeschichte in Au im Jahre 1657 mit der Gründung der Auer Zunft durch Michael Beer begonnen habe, zweifelt das der Historiker Moosbrugger an. Dieses Datum sei eher nicht zu halten. Er berichtete, dass schon früher ländliches Handwerk, über den Bregenzerwald hinaus, in Zunftform aufpoppte. Michael Beer war eher der Katalysator und organisierte dieses überall entstehende Handwerk in seiner Zunft in Au. Und diese war Teil einer Überlebenskultur eines herausfordernden Lebensraumes dieser Zeit, dem hinteren Bregenzerwald.
Eine außergewöhnliche Ausbildungskultur
Aber dass die Auer Zunft mit ihren „Auer Lehrgängen“ mehr war als nur eine Berufsvereinigung, als eine Ausbildungsinstitution, ist unwidersprochen. Es handelte sich tatsächlich um eine beeindruckende und außergewöhnliche Ausbildungskultur über Generationen. Die Lehrausbildung der Maurer, Steinmetze und Zimmerleute dauerte in der Regel drei Jahre und schloss am ersten Sonntag nach Dreikönig mit der „Ledigsprechung“ ab. Dann hieß es zwei Jahre auf Wanderschaft gehen und anschließend konnte ein Geselle zum Polier aufsteigen. Die Zunft entschied aber auch, wer das Meisterrecht erlangte oder Polier wurde und damit ehefähig und sesshaft werden konnte. Eine Frage ist jedoch, ob die Zünfte tatsächlich auch die Selbstregulierungskompetenz und Strafkompetenz für ihre Mitglieder innehatte. Historiker Moosbrugger bezweifelt dies, „diese Kompetenzen blieben vermutlich bei den politischen Funktionären wie dem Landammann, der auch in die Zunft regulierend eingreifen wollte und konnte“. Ob die Zunft auch eine kirchliche Bruderschaft war, ist für Moosbrugger fraglich. Er meint „sogar eher nicht, wenn dann nur ganz am Anfang.“ Vielmehr könnte es sein, dass der Zunftgründer, Michael Beer, aus der Ende des 16. Jahrhunderts zur Auswanderung gezwungenen (protestantischen) Täufergemeinde in Mähren in den Bregenzerwald zurückkehrte.
Was bleibt
Es bleiben die Bauten wie Kloster Einsiedeln, Kloster Birnau und viele weitere Zeugnisse dieser beeindruckenden Baukultur mit Ursprung Hinterbregenzerwald. Und zwei Museen, die sich den Barockbaumeistern widmen. Die Beschäftigung mit den „kleinen Handwerkern“, die sich nur für ein paar Jahre in den Dienst der Barockbaumeister stellten, die erfolgreich, bekannt und geschätzt wurden, hat mit Moosbruggers Forschungen einen wichtigen Impuls erhalten. Wie viele Handwerker auf diesen Baustellen ihr Leben verloren oder in der Ferne ein neues Leben aufbauten, lasse sich nicht quantifizieren. Tatsächlich muss man sich diese Arbeiten, zum Teil auf großer Höhe an Decken und Wänden, auch als gefährlich vorstellen. Mehrfach ist in den Matrikenbüchern, vor allem in Au, von verunglückten Arbeitern die Rede. Ein Indiz für die dauernde Auswanderung sei, dass der Auer Pfarrer Mitte des 17. Jahrhunderts protokolliert habe, dass bis zu einem Achtel der Seelenmessen für Erwachsene jenen gehalten wurden, die seit Jahren nicht mehr „aufgetaucht seien“. Ebenso habe das Gericht Hinterbregenzerwald Kinder enterbt, die seit Jahren nicht mehr „aufgetaucht seien“. Die Lebensgeschichten dieser Handwerker wären spannend und die eine oder andere kann tatsächlich in der historischen Lokalforschung wertvolle Einblicke in die historische Kultur des sozialen Lebens des Bregenzerwaldes in der frühen Neuzeit bieten. Sie war der Grundstein für die Entwicklung eines ländlichen Handwerks, das bis heute im Bregenzerwald von größter Bedeutung ist.
Barock Baumeister Museum Au: barockbaumeister.at
Heimatmuseum Bezau: museum-bezau.at
Der Historiker
Mathias Moosbrugger, *1982 in Au, studierte das Lehramtsstudium der Geschichte und Sozialkunde und Religionspädagogik in Innsbruck, Dr. phil. und Dr. theol.; seit 2022 Assistenzprofessor am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie, er war 2022 Projektleiter eines Interreg-Projektes im Bregenzerwald zu den Barockbaumeistern. Dazu soll in wenigen Wochen eine historisch-kritische Edition der ältesten Zunftbücher erscheinen.
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