Christoph Jenny

Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: © Dietmar Walser)

Ein Kraftakt für alle

Februar 2022

Die Arbeitslosenquote ist unter das Vorkrisenniveau gefallen, wie AMS-Chef Bernhard Bereuter vor Kurzem informiert hat. Sorge bereitet aber nach wie vor die hohe Anzahl an Langzeitarbeitslosen, und gleichzeitig ist der Stand der gemeldeten offenen Stellen weiterhin auf Rekordniveau. Aus Sicht der Betriebe manifestiert sich das in einem größer werdenden Mitarbeitermangel. Und zwar branchenübergreifend. Nach einem Jahr Unterbrechung – 2021 lag die Sorge vor einem erneuten schweren Ausbruch der Pandemie an der Spitze – sehen Österreichs Unternehmen wie schon in den Jahren zuvor den Fachkräftemangel als größte Gefahr (61 Prozent) für das Geschäft. Das besagt eine aktuelle Studie von Ernst & Young Global Limited (EYG). Der gravierende Bedarf an Personal – von der Hilfskraft bis zum Fachexperten – lässt sich an mehreren Stellen ablesen: Etwa an der im Dezember erlassenen Fachkräfteverordnung 2022, die mit 66 Mangelberufen deutlich umfangreicher ist als im Vorjahr oder den österreichweit mehr als 200.000 offenen Stellen der AMS Job APP „alleJobs“. Damit kommen derzeit weniger als 1,5 offene Stellen auf eine arbeitslose Person.
Ein Schwerpunkt in der von Minister Kocher für das 2. Quartal 2022 angekündigten Arbeitsmarkt-Reform muss daher in der Verkürzung der Arbeitslosigkeit durch rasche Vermittlung der Arbeitslosen liegen. Beschäftigungsanreize wie die Eingliederungsbeihilfe oder der Kombilohn können dabei helfen. Auch die Reform der Rot-Weiß-Rot Karte gilt es aus Sicht unserer Betriebe rasch in Angriff zu nehmen, um unbürokratisch dringend benötigte Fachkräfte in Österreich beschäftigen zu können. Hinzu kommt der Bedarf eines weiteren Ausbaus der Kinderbetreuung, damit Eltern mit Betreuungspflichten rasch in den Arbeitsmarkt wieder einsteigen bzw. ihre Arbeitszeiten ausweiten können sowie die Verringerung von Vermittlungshemmnissen wie mangelnde Deutschkenntnisse durch ein ausreichendes und passendes Angebot an Deutschkursen. 
Besonderer Handlungsbedarf besteht in Hinblick auf die Qualifizierung von arbeitslosen Menschen: Noch immer haben rund 44 Prozent der Arbeitslosen nur einen Pflichtschulabschluss. Qualifizierung der Mitarbeiter:innen bleibt eines der zentralen Themen. Aber genau das haben wir selbst in der Hand. Mit gezielter betrieblicher Personalentwicklung kann man aktiv gegensteuern. Die Förderungen der Kosten von Weiterbildungsmaßnahmen sind jedenfalls vielfältig. Und nicht zu vergessen unser Paradesystem: Die Lehre. Aufgrund der demografischen Herausforderungen ist es unter anderem essentiell, verstärkt auch atypische Zielgruppen wie Maturant:innen von den Vorzügen einer Lehre zu überzeugen bzw. für sie attraktive Ausbildungsangebote zu schnüren.
Der Weg aus dem Dilemma „Mitarbeiter:innen-Mangel“ ist ein Kraftakt, der uns alle fordert.

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