Christian Feurstein

Wirtschaftsarchiv Vorarlberg

Gastronomie im Umbruch

Juli 2016

In letzter Zeit wurde öfters auf das Aussterben alter Traditions­gasthäuser hingewiesen. Was sind die Gründe dafür? Inwiefern hat sich das gastronomische Angebot tatsächlich verändert?

Kaum eine Ortschaft hat nicht schon den Verlust des einen oder anderen Traditionsgasthauses zu verzeichnen gehabt. Ohnehin längst vergangen sind jene Zeiten, als man sich nach dem sonntäglichen Kirchgang beim Wirt zum Stammtisch oder Frühschoppen traf. Das vormals dörflich geprägte Sozialverhalten hat sich verändert. Wochenenden werden vermehrt im Kreis der Familie verbracht, wenn werktags jeder seiner eigenen Beschäftigung nachgeht. Gewandelt hat sich auch die Bedeutung des Wirts, dem in der früheren Dorfstruktur eine zentrale Funktion zukam. Bei ihm erfuhr man alle wichtigen Neuigkeiten. In der heutigen individualisierten Gesellschaft spielt dies keine Rolle mehr.

In jüngerer Zeit machen zudem verschärfte Vorschriften (etwa Raucherbestimmungen) und strengere Kontrollen den Gastwirten zu schaffen. Damit verbundene Investitionen und rückläufige Einnahmen bringen manchen Betreiber an den Rand des Ruins. Auch Insolvenzen sind keine Seltenheit. Oft findet sich aber einfach kein Nachfolger mehr, der bereit ist, einen kaum gewinnbringenden Gastronomiebetrieb unter hohem Einsatz weiterzuführen. Kritiker dieser Entwicklung bedauern einen Verlust der alten Gasthauskultur und verweisen auf die steigende Zahl an Pizzerias und Dönerlokalen. Konkrete Daten dazu liegen allerdings nicht vor, da solche Einzelgruppen statistisch nicht erfasst werden.

Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass das Verschwinden von Traditionsgasthäusern keineswegs nur ein regionaler Trend ist. Soziologen untersuchten 2010/11 in Kooperation mit der Wirtschaftskammer die Bedeutung und Perspektiven oberösterreichischer Landgasthäuser. Mehr als die Hälfte der befragten Gemeinden gaben an, in den letzten zehn Jahren mindestens ein Gasthaus verloren zu haben. Ebenso hatten über die Hälfte der befragten Wirte in der Vergangenheit bereits überlegt, den Betrieb einzustellen. Eine wesentliche Rolle spielte dabei auch der Umstand, dass Vereine vermehrt in eigene Lokale ausweichen. Dort finden dann nicht nur reguläre Treffen, sondern auch größere Vereinsfestlichkeiten statt. Der Gastronomie entgeht dadurch eine wichtige Einnahmequelle. Die Studie empfiehlt daher, Gasthäuser als Vereinslokale wieder zu entdecken.

Gastronomie und Bierkonsum

Bier ist hierzulande stärker mit der Gastronomie verbunden als jedes andere Getränk. Viele Gasthäuser betrieben noch vor hundert Jahren eigene Kleinbrauereien, ehe die Industrialisierung in dieser Branche Einzug hielt. Die Kleinbrauereien verschwanden, übrig blieben jene größeren Hersteller, welche in die Modernisierung zu investieren vermochten. Doch auch heute noch sind entsprechende Werbetafeln, Sonnenschirme oder Laternen an den Lokalen schon von Weitem sichtbar und machen deutlich, welche Bier-Hausmarke ausgeschenkt wird.

Die zuvor beschriebenen Veränderungen in der Gastronomie schlagen sich im Bierkonsum sichtbar nieder. Ob dieser über die Jahre zurückgegangen ist, sei dahingestellt. Verlagert hat er sich in jedem Fall, nämlich von der Gast- in die Wohnstube.

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