Handel im Wandel
In Vorarlberg prägt eine reichhaltige Mischung aus Tradition und Innovation die lokale Handelslandschaft. Doch wie überall auf der Welt steht auch hier der Einzelhandel vor großen Umstrukturierungen, insbesondere durch die stetige Präsenz von Onlineangeboten. Von leeren Ladenlokalen hin zu Mixed-Store-Konzepten und einer Debatte über die Zukunft des Einzelhandels.
Der Vorarlberger Handel befindet sich im Wandel – sowohl stationär wie auch online, tut sich da gerade einiges. „Die Konjunkturverläufe der einzelnen Vorarlberger Handelssektoren waren 2023 höchst unterschiedlich, sowohl was die Umsätze als auch die Preisentwicklung anbelangt“, sagt Handelsforscher Peter Voithofer vom Institut für Österreichs Wirtschaft (iföw). Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie Menschen einkaufen, drastisch verändert. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher bevorzugen den Komfort des Online-Shoppings, wo Produkte mit nur wenigen Klicks direkt verglichen und an die Haustür geliefert werden können.
Dieser Trend hat zweifellos Auswirkungen auf den stationären Einzelhandel in Vorarlberg, bestätigt Theresa Schleicher, bekannt als führende Handels-Zukunftsforscherin in Deutschland, die im Interview von einem „veränderten Einkaufsverhalten“ spricht. Schließlich biete das Onlinegeschäft auch zahlreiche Vorteile: wenige Schritte, Lieferung frei Haus und anderes. Die Fakten sind bekannt.
Nicht mithalten bei diesem Trend können – beispielsweise – viele Buch- und Schreibwarenhändlerinnen und -händler im Land. „Zahlreiche Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand“, erklärt die Obfrau der Vorarlberger Buch- und Medienwirtschaft, Rebekka von der Thannen. Neben den ohnehin hohen und nicht nachvollziehbaren Steuersätzen für Bücher – in Österreich sind es rund zehn Prozent, in der Schweiz und in Liechtenstein hingegen nur 2,6 Prozent – beklagen die Händler den zusätzlichen Kostendruck durch einen bekannten Onlinegiganten. Die oft sehr hohen Kosten für den Versand und die dazugehörige Logistik im Verhältnis zum Warenwert sorgen dafür, dass ein Online-Standbein vor allem für kleine Buchhandlungen oft nicht umsetzbar ist. Die Branche fordert daher, die Schlechterstellung der österreichischen Buchbranche seitens der Politik umgehend zu beenden. Wie den Buchhändlerinnen und Buchhändlern geht es vielen Ladenlokalen im Vorarlberger Ortsbild.
Ein Lokalaugenschein in Feldkirch – einer der beliebtesten Einkaufsstädte in Vorarlberg – zeigt, dass man sich auch hier seit vielen Jahren mit dem Thema Onlinehandel auseinandersetzt. Geschäftsführerin Katharina Feurstein führt mit „Yomabi“ einen Laden für faire und ökologische Baby-,Kinder-, Mama- und Yoga-Artikel in der Feldkircher Innenstadt. Sie setzt sich damit aktiv gegen den „fast-fashion-trend“ ein. Sie bietet ihren Kundinnen und Kunden damit nicht nur wunderschöne und praktische Kleidungsstücke an, sondern wählt ihre Marken nach einem hohen ökologischen und sozialen Standard aus. „Seit meiner Geschäftsgründung setzte ich mich mit dem Thema Onlinehandel auseinander“, erzählt die selbstständige Einzelhändlerin. Nach langen Überlegungen widerspreche dieses Konzept aber ihren Vorstellungen, sagt die Mutter von drei Kleinkindern.
Ihre Vision, Kundinnen und Kunden vor Ort zu beraten, die verschiedenen Marken und Faserzusammensetzungen zu besprechen, sowie die Größen zu zeigen, gehöre für sie einfach dazu. „Meine Kinder prüfen die Kleidungsstücke regelmäßig auf Bequemlichkeit und Belastbarkeit, daher kann ich meinen Kundinnen und Kunden ein wertvolles Feedback aus eigener Erfahrung weitergeben“, sagt die Gründerin. Außerdem, betont die Geschäftsinhaberin von Yomabi, dass sie ihre Preise an die von Online-Produkten anpasse.
Aktive Gestaltung und innovative Konzepte
Der stationäre Einzelhandel befindet sich in einem stetigen Wandel. Im Interview spricht Handels-Zukunftsforscherin Theresa Schleicher von einer qualitativen Re- und Neustrukturierung der Innenstädte. Leerstehende Ladenlokale sind natürlich ein trauriger Anblick, der viele besorgt. Einig sind sich die Händlerinnen und Händler darin, dass eine aktive Gestaltung der Innenstädte und innovative Konzepte erforderlich sind, um dem Trend der Verödung entgegenzuwirken. „Ich sehe nach wie vor viele Vorteile im stationären Handel gegenüber dem Online-Handel“, betont Katharina Feurstein und führt weiter aus: „Feldkirch ist eine sehr belebte Stadt, die im Vergleich zum Onlineshopping sehr viel zu bieten hat. Nicht nur Besorgungen von Alltäglichem, sondern insbesondere die kleinen, feinen Geschäfte, die meist mit viel Herzblut von den Eigentümerinnen und Eigentümern geführt werden und die vielen gemütlichen Cafés und Restaurants schaffen eine Atmosphäre, mit dem der Onlinehandel nicht mithalten kann.“
Für den stationären Handel ist es wichtig, dass die Stadtverwaltungen und die Gemeinden Maßnahmen ergreifen, um die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen.
Veranstaltungen, temporäre Pop-up-Stores und eine vielfältige Gastronomie können jedenfalls dazu beitragen, mehr Menschen in die Innenstädte zu locken. „Ich finde die Stadt Feldkirch ist sehr engagiert, die Innenstadt lebendig zu halten“, sagt „Yomabi“-Chefin Katharina Feurstein. Es gäbe immer wieder tolle Events und Aktionen seitens des Stadtmarketings, Endverbraucher auf den lokalen Handel aufmerksam zu machen. Handelsexpertin Theresa Schleicher betonte in diesem Zusammenhang: Es seien die einfachen Dinge, wie, vor dem Laden Schilder aufzuhängen, Flyer auszusenden oder über soziale Medien kommunizieren, bevorzugt bei ihnen einzukaufen, wie Händlerinnen und Händler ihr lokales Geschäft zusätzlich ankurbeln können. Das würde nicht nur ein nachhaltigeres Einkaufserlebnis sichern, sondern auch die lokale Gemeinschaft stärken.
„Das haben wir auch in Corona-Zeiten gemerkt“, sagt Schleicher, ganz viele sind zusammengerückt und haben lokal kommuniziert und damit ihren Umsatz gestärkt. Auch die Feldkircher Ladenbesitzerin sieht das so: „Die lokale Gemeinschaft ist sehr wichtig. Wir Wirtschaftstreibende in der Innenstadt sind gut vernetzt und schicken unsere Kundinnen und Kunden auch gerne mal weiter zu einem anderen Geschäft, wenn sie bei uns nicht fündig werden“, hält Feur-stein fest.
Reale Zuwächse kannn der Einzelhandel mit Bekleidung/Schuhen, mit Uhren/Schmuck und im Drogerie/Apotheken-Segment erzielen, wenngleich das Absatzvolumen 2023 um -3,3 Prozent gesunken ist. Obfrau der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Carina Pollhammer ist wichtig zu betonen, dass diesem Trend die treuen Vorarlberger Kundinnen und Kunden entgegenwirken, die den Handel auch in schwierigen Zeiten mit ihren Besuchen und Einkäufen sehr unterstützen. Sie betont weiter: „Auch wenn es über das Handelsjahr 2023 nicht nur Positives zu berichten gibt, haben wir erste Anzeichen, die uns vorsichtig optimistisch auf 2024 blicken lassen.“ Auch die Zahl der Erwerbstätigen im Vorarlberger Handel ist 2023 um +0,3 Prozentpunkte leicht gestiegen und verzeichnet damit eine positive Bilanz hält die Spartenobfrau fest.
Alte Lokale – neue Konzepte
Ein vielversprechendes Konzept, das auch in Vorarlberg zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind die sogenannten Mixed-Store-Konzepte. Was damit gemeint ist, erklärt Theresa Schleicher folgendermaßen: „Abgeleitet von Mixed-Used-Konzepten, also der Mischung einer Immobilie aus Gastronomie, Dienstleistungen wie Ärztezentren, Kindertagesstätten, Fitnessstudios, einem kulturellen Angebot sowie einem Ladenlokal geht es darum, lebendige Flächen zu schaffen, um mehr Menschen zu erreichen. Dieses Kombinieren verschiedener Angebote unter einem Dach, oft ergänzt durch Gastronomie, Veranstaltungsräume oder kulturellen Einrichtungen, führt dazu, das Einkaufserlebnis für Kunden zu bereichern und die Attraktivität der Innenstädte zu steigern. Gleichzeitig werden Leerstände reduziert. Damit können hohen Kosten für Ladenfläche und den großen Personaleinsatz aufgeteilt und Synergien geschaffen werden. Ähnlich wie ein Kaufhaus – aber anders inszeniert –würden mehrere Händler zusammen, Kooperationen anbieten und Flächen teilen. Dies trägt zu einem vielfältigen Einkaufserlebnis vor Ort bei.
„Viele speziell nachhaltige Konzepte oder Marken, die sich derzeit noch in einer Nische bewegen, bekommen damit auch die Möglichkeit, mehr Menschen zu erreichen“, betont Schleicher. Das sieht auch die lokale Ladenbetreiberin in Feldkirch so: „In unserem Ladenlokal habe ich mich mit zwei weiteren Kooperationen zusammengetan, in dem wir nun mit „KleiderGrün“ und „Windl-kind“ unter gleicher Philosophie, fair produzierte Textilien und Produkte anbieten können und damit ein entsprechend vielfältigeres Angebot mitten in der Stadt abdecken“.
In der Debatte über die Zukunft des Einzelhandels in Vorarlberg ist also klar: Eine einfache Lösung wird es nicht geben. Sowohl der Online-Handel als auch der stationäre Einzelhandel haben ihre Vor- und Nachteile. Letztendlich liegt es aber an den Städten, sowie den Händlerinnen und Händlern, denen sich mit einfach Tricks und kreativen Lösungen oft Chancen bieten, sich an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Nicht zuletzt sind natürlich auch wir als Einkäuferinnen und Einkäufer gefragt, denn wie Katharina Feurstein abschließend betont, „können das Onlinegeschäft und stationärer Handel durchaus koexistieren, aber die Menschen, die einkaufen, müssen wissen, dass wir Händler vor Ort Arbeitsplätze schaffen und hier Steuern zahlen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wohin er sein Geld gibt und wen er damit fördert, oder eben nicht.“
Zu guter Letzt heißt es wohl für alle Seiten, flexibel zu bleiben und bereit zu sein, sich anzupassen. Nur so können wir auch in Zukunft erfolgreich sein und unsere Innenstädte lebendig halten.
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