Eva Niedermair

Redakteurin
Thema Vorarlberg

Wenn Künstliche Intelligenz die Masse trifft

Februar 2024

Tristan Post ist KI-Experte, freier Berater und Vortragender an der Technischen Universität München. Mit Thema Vorarlberg spricht er über die Gefahren aber auch über die Chancen der generativen KI, die seit ChatGPT, Midjourney und weiteren Tools für die breite Masse verfügbar ist. 

Für Tristan Post begann sein Weg in die Welt der Künstlichen Intelligenz im Jahr 2018. Als er begann, sich mit dem Themenfeld auseinanderzusetzen, wurde ihm schnell klar, dass KI nicht nur eine technische, sondern vor allem eine strategische Herausforderung darstellen würde; die in Zukunft insbesondere managementbezogene Risiken aufwerfen wird. Bei verschiedenen beruflichen Stationen, vom Masterstudium und der Lehrtätigkeit in London bis hin zu Jobs als KI-Stratege und AI-Lead, in denen er half, Kompetenzen in Unternehmen aufzubauen und einzusetzen, verlor der Deutsche nie seinen Fokus aus den Augen: das Management von KI-Systemen. Heute arbeitet er als freier Berater, unterstützt Unternehmen zu Beginn ihrer KI-Transformation und strebt danach, mit minimalem Aufwand maximale Wirkung zu erzielen. 

KI für die Masse
Generative KI und Tools wie ChatGPT, Midjourney und ähnliche brachten aktuelle Anwendungen von KI-Technologie in die breite Masse. „Wir erleben derzeit, wie KI zunehmend zu einem Gebrauchsgegenstand wird“, hält der Experte fest. Er erklärt: „Früher hatten Unternehmen eigene Experten beschäftigt, um Computer nutzen zu können. Heute benötigen sie nicht mehr zwingend ein eigenes Team, das KI-Technologien entwickelt, da oft bereits existierende Lösungen am Markt ausreichend vorhanden sind.“ Entscheidend ist laut Post also nicht die Frage, wie man KI in einem Unternehmen integriert, „sondern wie man mit KI Mehrwert schafft; denn der Fokus sollte immer auf dem Geschäftswert liegen – man muss mit dem Business Value beginnen.“ 
Langfristig wird KI auch unsere Lebens- und Arbeitsräume verändern, ist sich der Experte sicher: „Es ist wichtig festzustellen, dass die oft in den Zeitungen beschriebene Vorstellung, KI würde zahlreiche Jobs ersetzen, in der Realität keine unmittelbare Gefahr darstellt.“ Viel eher müsse zwischen zwei Arten der KI unterschieden werden: Schwache KI – die in spezifischen Aufgaben hervorragendes leisten kann und teilweise sogar besser als Menschen agiert, etwa beim Sortieren von E-Mails in Spam und Nicht-Spam oder dem Erkennen von Krankheiten auf medizinischen Bildern – und Starker KI, die ähnlich wie Menschen agiert und ihr Wissen in vielen Bereichen anwenden kann. „Die Entwicklungen, die wir momentan sehen, gehören zum Bereich der Schwachen KI, selbst fortschrittliche Werkzeuge wie ChatGPT“, betont Tristan Post. Jedoch sollten wir keine Angst vor dieser Zeitenwende haben: „Künstliche Intelligenz hilft uns in erster Linie besser zu werden.“ Bezogen auf die Arbeitswelt bedeutet das nur, dass Berufe in Zukunft anders aussehen werden und wir lernen müssen, mit KI zu interagieren. 
Auch das ist kein neues Phänomen. Denken wir beispielsweise an den Beruf des Schriftstellers, der früher Arbeiten mit einer Schreibmaschine verfassen und in der Bibliothek recherchieren musste. Heute nutzen wir alle digitalen Technologien, die viele Prozesse erleichtern, obwohl das nicht unbedingt zu einer Reduzierung des insgesamten Arbeitsaufwandes führt. „Möglicherweise verschwinden aber auch einige Jobs“, hält Post fest und zeigt dies anhand historischer Beispiele auf. „Personen, die früher dafür bezahlt wurden, an Fenster zu klopfen, um Leute zu wecken, zeigen, dass sich der Arbeitsmarkt ständig verändert. Heutzutage gibt es Jobs, die vor 100 Jahren undenkbar gewesen wären, wie zum Beispiel ‚Influencer‘.“

Gefahren und Chancen der KI
Nichtsdestotrotz sind KI-Systeme einer Fehleinschätzung, einem Bias, unterworfen, die uns allzu oft die Unzulänglichkeiten unserer Gesellschaft widerspiegelt. „Der Ursprung von Bias in KI-Systemen liegt fast immer in den Daten, die zum Trainieren dieser Systeme verwendet werden.“ Post führt weiter aus: „Ein ,Bias‘ tritt auf, wenn ein System voreingenommen ist und das Ergebnis verzerrt oder verfälscht, was besonders problematisch ist, wenn es zu Vorurteilen gegen bestimmte Personengruppen aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Aussehen führt.“ Dazu führt der Experte aus, dass es viele KI-Algorithmen gibt, die nicht sehr transparent sind, weshalb stetig an deren Verbesserung gearbeitet wird, um sie fairer und  – eben – transparenter zu machen. 
Die größte Herausforderung sieht Tristan Post in Fake News oder sogenannten Deepfakes. Letztere umfassen zum Beispiel manipulierte Bilder oder Videos von Politikerinnen und Politikern oder anderen berühmten Persönlichkeiten. „Dabei wird es immer schwerer und in Zukunft auch unmöglich werden mit bloßem Auge zu unterscheiden was echt ist und was nicht“, sagt Post. 
Die größten Chancen für die Anwendung von KI sieht er in Bereichen, in denen wir mit den größten Herausforderungen konfrontiert sind, wie eben beim Kampf gegen den Klimawandel beispielsweise. „Wir beginnen gerade erst, die Komplexität der Systeme zu verstehen, die hinter dem Klimawandel stehen, und wie diese Systeme miteinander interagieren. Hierbei kann KI eine entscheidende Rolle spielen, indem sie uns hilft, den Klimawandel zu verlangsamen und hoffentlich umzukehren.“

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