Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Inflationsbekämpfung: Eine wirkliche Herausforderung

Juli 2023

Brief des Herausgebers

Die Inflationsbekämpfung ist eine wirkliche Herausforderung, da das Thema ein sehr vielschichtiges ist. Deshalb sollten wir in der Beurteilung der unterschiedlichen Maßnahmen Fakten sprechen lassen, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Maßnahmen auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Faktum eins. So sehr beispielsweise die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) einerseits die Kreditnehmer treffen, so reduzieren sie andererseits die Realzinsverluste der Einleger und Sparer. Nachdem die EZB die Inflation viel zu lange negiert hat, reagiert sie jetzt, wissend und offensichtlich in Kauf nehmend, dass ein zu starkes Drehen an der Zinsschraube auch zu einer Rezession führen kann. Eine Rezession wäre sicherlich preisdämpfend. Aber will das die Wirtschaft und die Bevölkerung? Wie würden wir das verkraften, wie mit diesem Phänomen umgehen? Außerdem warnen die südeuropäischen Länder vor weiteren Zinssteigerungen, weil sie schwer verkraftbare Belastungen für ihre Staatshaushalte befürchten – und damit eine neuerliche Eurokrise drohen könnte.

Faktum zwei. Es ist nach wie vor viel zu viel Liquidität im Markt vorhanden; Das steigert zwar die Kaufkraft und ermöglicht höheren privaten Konsum. Aber auch das treibt weiterhin die Inflation. Viele der bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung – insbesondere die verschiedensten Zuschüsse – fördern ebenfalls den privaten Konsum. Das ist zwar aus gesellschaftspolitischer und sozialstaatlicher Sicht zu begrüßen, gleichzeitig bleibt aber der Druck auf die Inflation in hohem Maße gegeben. Weil wir Maßnahmen setzen müssen, um die stark wachsende soziale Ungleichheit bekämpfen zu können, ist es unabdingbar, dass die von der Politik zur Inflationsbekämpfung gesetzten Maßnahmen punktgenau dort ankommen, wo diese Hilfen auch gebraucht werden.

Faktum drei. Auch die hohen KV-Abschlüsse haben Nebenwirkungen. Sie erhöhen zwar, und das ist gewollt, die Kaufkraft der Mitarbeitenden, sind aber mit dem immer noch sehr hohen Arbeitskräftemangel eine weitere Kostenbelastung und jedenfalls ein Inflationstreiber.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass die realen Haushaltseinkommen in Österreich im EU-Schnitt sehr hoch sind. Dies resultiert auch aus höheren Lohnabschlüssen. In Zahlen: Pro Prozentpunkt höherem Lohnabschluss errechnet sich 0,3 Prozent mehr Inflation.

Faktum vier. Auch der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft und die erforderliche Energietransformation sorgen für einen gewaltigen Investitionsbedarf. Das erhöht die Kapitalkosten und hat ebenfalls zur Folge, dass die Preise steigen.

Faktum fünf. Ein nachhaltiger Preisdruck wird wohl in Europa auch deshalb gegeben sein, weil die Globalisierung nicht mehr – wie bisher – für niedrige Kosten und Preise sorgen kann, weil die Risiken weit gespannter globaler Wertschöpfungsketten unkalkulierbar geworden sind und die Europäische Union daher zurecht überlegen muss, welche Produkte und Prozesse wieder aus Asien nach Europa zurückgeholt werden können. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Energiekosten.

Faktum sechs. Wenn immer wieder Vergleiche mit den Nachbarländern angestellt werden, dann muss sichergestellt sein, dass auch wirklich gleiches mit gleichem verglichen wird:
So wäre beispielsweise die Inflation in Österreich um rund einen Prozentpunkt niedriger, wenn derselbe Warenkorb wie in Deutschland angewendet würde. Wichtige Treiber im österreichischen Warenkorb sind nämlich die Dienstleistungen und der Tourismus.

Faktum sieben. Der Vorwurf unlauterer Preisweitergaben geht ins Leere. Im internationalen Geschäft sind solche aufgrund der Wettbewerbssituation eigentlich unmöglich. Preiseweitergaben im Inlandsgeschäft sind nur möglich, wo der Markt dies zulässt. Positive Nebenwirkung: Erfolgreiche Unternehmungen sichern Arbeitsplätze und Wachstum und damit unseren Wohlstand. Negative Nebenwirkung: Sie schüren auch den Preisauftrieb und erhöhen damit die Inflation. Jedenfalls ist aber die verwendete Bezeichnung „Gierflation“ nicht zu rechtfertigen.

Faktum acht. Auch die von der Arbeiterkammer vorgeschlagenen Preisdeckel und Mehrwertsteuersenkungen/-befreiungen haben zu bewertende Nebenwirkungen. Denn dort müsste sichergestellt werden, dass die Unterstützung auch tatsächlich bei denen ankommt, die sie brauchen. Auch hier gilt: Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip!

Faktum neun. Wenngleich der erkennbare Preisdruck in manchen Branchen zur Preisreduktion für Kunden und Konsumenten führen dürfte, wird das wohl noch etwas dauern, bis der Effekt messbar wird. Eine mögliche Maßnahme – ohne Nebenwirkung – um die hohen Wohnungskosten etwas zu entlasten, wäre im Übrigen die Abschaffung der Grund­erwerbssteuer.
Kein Faktum, sondern vielmehr mein persönlicher Wunsch für die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen: Mehr als bisher gilt es, diesmal den berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer nach möglichst geringem Kaufkraftverlust die kostentreibenden und damit inflationssteigernden Nebenwirkungen gegenüberzustellen. Jedenfalls sollten diesmal die nunmehr messbaren positiven Auswirkungen der steuerlichen Entlastungen, wie zum Beispiel die Abschaffung der kalten Progression, Berücksichtigung finden. 
Unbestritten bleibt, dass alles unternommen werden muss, damit die Inflation bekämpft und beseitigt werden kann. Dafür braucht es aber ein Bündel an Maßnahmen, die einander möglichst nicht zuwiderlaufen. Man könnte aber auch zum dem Schluss kommen, dass wir wohl einige Nebenwirkungen in Kauf nehmen müssen, wenn wir die Teuerungswelle wirklich in den Griff kriegen wollen.

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