Herbert Motter

Vom Ökostrom, dem nach wie vor die Marktreife fehlt

März 2015

Willkürliche Festlegung von Pauschalbeträgen, steigende Förderkosten und immer größer werdende Finanzierungslücken lassen zunehmend Kritik am derzeitigen Ökostrom-Fördersystem laut werden.

Ökologisch gesehen ist er ein Segen, finanztechnisch entwickelt er sich immer mehr zum Problem: der Ökostrom. Inklusive Subventionen und Marktpreise erhalten Ökostromanbieter – also Windkraft, Fotovoltaik, Biogas und Biomasse – rund eine Milliarde Euro. Während die Kosten seiner Förderung 2015 um fast 17 Prozent gegenüber 2014 angestiegen sind, sanken die Einnahmen aus dem Verkauf von Ökostrom um über acht Prozent auf knapp 312 Millionen Euro. Im Jahr 2015 beträgt damit der erwartete Finanzierungsbedarf für die Förderung von Ökostromanlagen über 820 Millionen Euro. Dieses Finanzierungsloch ist in den letzten Jahren stetig angewachsen. Soweit die nackten Zahlen.
Beim österreichischen Ökostrom-Modell werden Einspeisetarife gefördert. Somit wird Betreibern von Ökostromanlagen die Abnahme des erzeugten Stroms zu einem fixen, von der Entwicklung des Marktpreises unabhängigen Erlös pro eingespeiste Energiemenge für einen längeren Zeitraum (zum Beispiel 15 Jahre) garantiert. Dieser Preis liegt deutlich über jenem, der am Markt erzielt werden kann. Da nun die erneuerbaren Energien immer mehr Strom produzieren, gibt es ein wachsendes Überangebot an Strom. Das wiederum lässt die Einkaufspreise weiter sinken, die Differenz zum Fixpreis wird immer größer.

Manche trifft es hart

Ein paradoxes System, wenn man bedenkt, dass sich der Strompreis reduziert hat, und genau das zu höheren Förderkosten für all die Anlagen, die Energie weitab vom Marktpreis produzieren, führt. Empfindlich zu spüren bekommen dies nun die Haushalte und Unternehmen mit einer Verdreifachung der sogenannten Ökostrompauschale. Manche Unternehmen in bestimmten Netzebenen trifft es besonders hart. Eines davon ist die Firma Lotteraner, Wüstner GmbH & Co KG in Mellau. „Die Anhebung der Ökostrompauschale von bisher 5100 auf 15.570 Euro schmerzt uns sehr. Ich frage, wo hier die Planungssicherheit für kleinere und mittlere Unternehmen bleibt“, ärgert sich Geschäftsführer Gerhard Wüstner. Kritik wird auch an der willkürlichen Festsetzung der Pauschale laut. Es gebe keine logische Erklärung dafür. Die im Ökostromgesetz vorgegebene Ökostrom­pauschale führt zu einer gravierenden Ungleichbehandlung. So wird etwa ein Kunde mit 500.000 kWh Jahresverbrauch und 250 kW Leistungsbezug in Netzebene 6 mit Ökostromkosten in Höhe von 6.086,25 Euro belastet, während einem Kunden in Netzebene 5 bei gleichem Verbrauchsverhalten 19.693,75 Euro verrechnet werden.

Die Forderungen der klein strukturierten Wirtschaft

„Die hohe Besteuerung von Energie soll zum Energiesparen anregen und somit die Energieeffizienz erhöhen. Dies ist der politische Grund für die hohe Abgabenbelastung“, argumentiert Magnus Brunner, Vorstand der Förderabwicklungsstelle für Ökostrom OeMAG. Wüstner kritisiert aber genau dies, nämlich, dass, die Pauschale verbrauchsunabhängig ist: „Verbrauchsschwankungen finden keine Berücksichtigung und gesetzte Energieeinsparungsmaßnahmen haben keinerlei Auswirkung.“ Für eine Einbeziehung von betriebswirtschaftlichen Fakten plädiert Franz Welte von der Welte Holz GmbH: „Die Zahl der Beschäftigten, die Lohnsumme oder der Umsatz gehören bei der Festlegung von Pauschalabgaben berücksichtigt.“ Auf eine klein strukturierte Wirtschaft werde hier überhaupt keine Rücksicht genommen.

Grenzen der Finanzierbarkeit

Es zeigt sich nun, dass ein zu schneller und massiver Ausbau von erneuerbaren Energien an die Grenzen der Finanzierbarkeit und der sozialen Akzeptanz stößt. „Weil erneuerbare Technologien noch nicht wettbewerbsfähig sind und eine Subventionierung brauchen. Daher ist ihr Ausbau mit höheren Kosten für den Stromkonsumenten verbunden“, erklärt OeMAG-Vorstand Brunner.

Auch wenn das Fördermodell über Jahre erfolgreich und effizient war, muss Brunner unumwunden zugeben: „Die Realität hat mittlerweile das System etwas überholt. Das Fördermodell könnte und sollte angepasst werden.“ Diskutiert werden dabei Investitionsförderungen, die es in einigen Bereichen in Österreich ja auch schon gibt, oder sogenannte Ausschreibemodelle. „Diese Alternativen werden im Zuge eines neuen Ökostromgesetzes sicher geprüft“, betont der OeMAG-Vorstand.

Mehr Marktfähigkeit

Für Brunner werde die Reise mit Sicherheit vermehrt in Richtung marktorientierter Fördermodelle gehen. Und es müsse künftig verstärkt Ökostromanlagen geben, die rein der Abdeckung des Eigenbedarfs dienen und schließlich auch ohne Förderungen auskommen.

Investitionsförderungen etwa bieten grundsätzlich mehr Transparenz, liefern höhere Anreize für Innovationen, ermöglichen eine bessere Abschätzung der erforderlichen Finanzierungsmittel und dürften daher auch bedeutend günstiger sein. Energieregulator Walter Boltz plädiert dafür, einen Schlussstrich unter die Förderung von Einspeisetarifen zu ziehen. Die vielen Milliarden Euro, die man sich dadurch allein in Österreich über die Jahre ersparen würde, sollten dafür verstärkt in die Erforschung und Entwicklung hocheffizienter Technologien gesteckt werden. Magnus Brunner macht trotz zunehmender Kritik an den Kosten deutlich: „Die Kostenfrage verdrängt aus meiner Sicht den Zukunftsaspekt. Selbstverständlich müssen erneuerbare Energien in die Marktfähigkeit geführt werden, aber eine mindestens gleich wichtige Frage lautet: Was wird es die Gesellschaft und die Volkswirtschaft kosten, wenn sie den Umstieg auf grüne Energien nicht schaffen?“ Was mit den Härtefällen im Land passieren soll, dazu verweist der OeMAG-Vorstand auf das heimische Energieversorgungsunternehmen. „Die VKW sind bemüht, für Anlagen mit niedrigem Leistungsbedarf und geringer Verbrauchsmenge in Zusammenarbeit mit den Kunden und dem Netzbetreiber eine andere Lösung für den Netzzugang zu finden.“

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