Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Vorarlberg ist klein. Aber das ist groß“

März 2023

Die Grundlage schaffen, um essenzielle Fragestellungen unserer Zeit besser entscheiden zu können: Das ist das Anliegen des Projektes Dataroom. Ende Jänner war Viktor Mayer-Schönberger, Professor am Internet-Institute der Universität Oxford, zu Gast im Oldtimermuseum in Hard, wo der Dataroom momentan Halt macht. Sein Kompliment an die Protagonisten:
„Sie stehen mit ihren Gedanken auf der absoluten Höhe der Zeit. Vorarlberg ist klein. Aber das ist groß.“

Noch bis Juli 2023 ist in einer Halle des Oldtimermuseums in Hard der Dataroom untergebracht, der, initiiert vom Bodensee-Vorarlberg Tourismus, nach eigenen Aussagen folgendes ist: „Ein temporär aufgebauter Raum, in dem man sich zu definierten Fragestellungen in interdisziplinärer Zusammensetzung trifft, um bessere Entscheidungsoptionen für eine nachhaltige Entwicklung der Region zu schaffen.“ Dort, in diesem Raum, treffen sich die Protagonisten des Projekts, um gemeinsam zu diskutieren, inwieweit datenbasiert Entscheidungen in essenziellen Fragen getroffen werden können. Wie also, beispielsweise, die Mobilität in Zukunft in unserem Land auszusehen hat, wie auf den Klimawandel zu reagieren ist, der Tourismus beschaffen sein soll oder die Raumplanung und Städteentwicklung ausschauen könnte. „Es geht um besseres Entscheiden“, sagt Initiator Urs Treuthardt.

Solide Entscheidungen
Der 38-Jährige, seit 2015 Geschäftsführer von Bodensee Vorarlberg Tourismus, hatte im Zuge seiner Arbeit mehr wissen wollen über die Gäste, die zu uns ins Land kommen, über deren Struktur und deren Motive. Doch da die Datenbasis unbefriedigend war, sich die aufgeworfenen Fragen also nicht beantworten ließen, dachte der Schweizer um, besprach mit verschiedenen Spezialisten verschiedene Ansätze; um schließlich mit Mitstreitern die Idee zu konkretisieren, den eingangs erwähnten Dataroom zu schaffen. Um dort in durchaus unterschiedlicher Zusammensetzung Fragen datenbasiert zu betrachten, zu analysieren und in den Dialog zu treten, um damit „zu soliden gemeinsamen Entscheidungen zu gelangen“. 

Wer hat die Daten?
Doch leicht ist das nicht. Geeignete Daten seien zwar sicherlich vorhanden, Organisationen und Unternehmen würden auch im Land Daten im Überfluss sammeln, sagt Treuthardt. Nur: „Wie kommen wir an diese Daten heran? Es gibt in Vorarlberg keine Institution, die eine Übersicht hat und vermittelnd wirkt.“ Das Projekt hat sich im Laufe eines Jahres immer weiter verdichtet, immer weiter konkretisiert, aus einem ersten Prototypen ist ein zweiter geworden. Dabei wurde auch immer klarer, dass dem Bodensee-Vorarlberg-Tourismus die Sache, angesichts der Vielzahl potenziell relevanter Themen, entwachsen wird, „und das ist der Punkt, an dem wir jetzt stehen.“ Wie aber soll es weiter gehen mit diesem Dataroom, der sich dem hohen Anspruch verschrieben hat, essenzielle Fragen unserer Region zu suchen und mögliche Grundlagen zu schaffen, um besser entscheiden können?
Vor Ort zum Dialog eingeladen war nun Ende Jänner mit Professor Viktor Mayer-Schönberger ein äußerst renommierter Fachmann. Der Internetexperte, Professor am Internet-Institute der Universität Oxford, berät Unternehmen, internationale Organisationen und Regierungen. Der Österreicher war eines von neun Mitgliedern des bis 2021 existierenden Digitalrates der deutschen Bundesregierung. Der heute 57-Jährige, Autor mehrerer Bücher, soll bereits für die britische Regierung tätig gewesen sein, und für den einstigen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama.
Und was der Datenexperte in Hard zu sagen hatte, nach einer Präsentation des Projekts durch Treuthardt, das erfreute die Protagonisten und Schöpfer dieses Raumes: „Sie stehen mit ihren Gedanken auf der absoluten Höhe der Zeit.“ Über genau die im Dataroom aufgeworfenen Themen, spreche man momentan auch in Oxford, im deutschen Digitalrat habe man dieselben Überlegungen diskutiert, im – Hotspot – Singapur gebe es derzeit auch keine besseren Fragen. Diese Aktualität aber erschwere die Situation: „Alle stehen ungefähr dort, wo sie jetzt stehen.“ 

Drei Optionen
Soll heißen? Laut dem Datenexperten gibt es derzeit noch kein Best-Practice-Beispiel, weil aktuell alle vor dem exakt gleichen Problem stünden. In dieser Situation gebe es drei mögliche Optionen, sagte der Professor. Option Nummer eins? „Volle Kraft voraus. Vorarlberg ist klein. Aber das ist groß. Wir denken groß. Und es ist richtig, groß zu denken. Lassen wir es also krachen. Probieren wir es aus, mehr als schiefgehen kann es nicht.“
Option Nummer zwei? „Wenn derzeit alle vor den exakt selben Fragen stehen, dann sind wir zu weit vorne. Wir müssen also die Bremsen anziehen und warten, bis die anderen die großen Hürden genommen haben, dann können wir von denen lernen.“ Und Option Nummer drei: „Versuchen wir, nur einen Teilbereich herauszunehmen, einen spezifischen Sektor, und starten einen Testballon, der allerdings über mehrere Jahre gehen muss, um nachhaltig sein zu können.“ Das Projekt könne also in einer großen, einer mittleren oder einer kleinen Variante fortgeführt werden: „Das müssen sie beantworten.“ Aber insgesamt gelte: „Ihr seid gedanklich sehr, sehr weit. Ich wünschte, es gäbe mehr Organisationen auf der Welt, die so weit sind. Wenn es also jetzt um die weitere, konkretere Umsetzung geht, ist die Frage: Wieviel traut ihr Euch zu? Und was ist strategisch, politisch, taktisch klug?“

Ein Dreiklang
Urs Treuthardt und seine Mitstreiter setzen genau an diesem Punkt an. Es seien Gespräche mit der Politik, der Wissenschaft und der Wirtschaft geplant, man suche diesen Dreiklang, man wolle das Projekt finanziell und organisatorisch konkretisieren, sagt der 38-Jährige: „Wir sind klein genug, um schnell voranzukommen und groß genug, um einen Impact zu haben. Wir hätten in Vorarlberg und der Bodenseeregion eine Chance, Mayer-Schönberger hat das bestätigt.“ Der Professor hatte in Hard auch gesagt: „85 Prozent der gesammelten Daten werden nicht ein einziges Mal verwendet. Der Wert von Daten steigt lediglich durch ihre Nutzung. Und die Organisationen, die Daten haben, haben meist nicht die richtigen Fragen.“

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.