Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Chat-GPT – erwartet, erhofft, verflucht

Juni 2023

Kaum ein Tool der vergangenen Monate und Jahre hat bei den Menschen verschiedenster Berufsgruppen kontroversiellere Reaktionen hervorgerufen als Chat-GPT. Deshalb wollen wir uns diesem speziellen Thema mit Unaufgeregtheit nähern. Denn wie jedes Phänomen hat auch Chat-GPT gute und schlechte Seiten.

Aber der Reihe nach. Das Kürzel GPT steht für „Generative Pretrained Transformer“, das ist ein maschinelles Lernmodell, das große Textmengen statistisch auswertet. Basierend auf dieser Auswertung werden wieder – mehr oder weniger – sinnvolle Texte generiert. Entscheidend ist der Umfang der Datenmenge – je größer, desto besser.
Laut Arne Arnold von der Zeitschrift PC-Welt soll Chat-GPT mit einer Textmenge von 45 Terabyte trainiert worden sein. Im Vergleich dazu nimmt sich die deutsche Wikipedia mit circa 0,006 Terabyte geradezu winzig aus. Außerdem nutze der Chat-Bot 175 Milliarden Parameter, um Texte statistisch auszuwerten und später neu zu generieren. Die Zukunft ist nach oben offen.

Prompts – Fragen und Aufträge 
So viel zu den Zahlen und Fakten von Chat-GPT. Wie aber wird mit einem solchen Chat-Bot gearbeitet? Die Eingabe – Fragen oder Aufträge – erfolgt über sogenannte Prompts. Um in den Genuss dieser „Textmaschine“ zu kommen, ist eine Vorab-Registrierung auf der Webseite (chat.openai.com) nötig. Sie ist kostenlos, nach der Anmeldung kann es auch schon losgehen. Die Oberfläche des Bots ist auf Englisch, die Prompts können aber auch auf Deutsch eingegeben werden. 
Das haben wir gemacht: Wir haben uns – Cyrano de Bergerac als Vorbild nehmend – gedacht: „Was der gute Mann als menschlicher Chat-Bot konnte, versuchen wir auch.“ Nur kurz zur Information: Cyrano, der Mann mit der großen Nase, hat Liebesschwüre im Auftrag verfasst. Und so geben wir Chat-GPT folgende Arbeitsanweisung:
„Schreibe ein Liebesgedicht an Josefine. Es soll in der Sprache modern sein, die Form eines Sonetts haben, im Versmaß den Alexandriner aufweisen. Josefine ist 51 Jahre alt, arbeitet an führender Position in einer Marketing-Agentur. Sie liebt Shakespeare-Gedichte.“

Selbstversuch mit Shakespeare
Das sind nun einmal die Anforderung an ein klassisches Liebesgedicht, das das Herz des heißersehnten Gegenübers erobern soll. Was will man sagen. Das erste Ergebnis war leider völlig unbrauchbar. Und das aus verschiedensten Gründen. Also Schwamm drüber. So gaben wir Chat-GPT eine weitere Chance mit folgendem Ergebnis:

In stillen Stunden denk ich oft an dich,
Josefine, so voller Anmut und Charme,
Dein Lächeln strahlt wie Diamant so klar,
Du bist der Glanz in meiner Welt, mein Licht.

Dein Geist erblüht wie Blumen in Gedicht,
Ein Shakespeare wär von dir bezaubert, warm,
Denn deine Worte sind wie Klang der Harf',
Die Liebe flüstert, sanft und doch so schlicht.

Du bist wie Wein, gereift in Lebenszeit,
52 Jahre voller Stärke, Mut,
Dein Herz erfüllt mit Weisheit, tief und weit.

Als Führungskraft du strahlst und leitest gut,
Dein Marketingtalent entfacht den Schein,
Josefine, mein Herz schlägt nur für dich, 
so glut.

Ob diese zweite Version bei der angebeteten Josefine Gehör finden würde, darf bezweifelt werden. Hintergrund dieser Version ist aber ein anderer, der bereits in diesem kleinen Versuch die Grenzen des Chat-Bots aufzeigt. Die Parameter aus der Anfrage wurden willkürlich gemischt und durcheinander gebracht. Und ob der Vergleich mit dem edlen Tropfen, der gereift ist, Freude entfacht, ist wohl eher ein frommer Wunsch.
An dieser Stelle setzt eine der Schwächen des Chat-Bots an: Einen Text zu generieren, der sprachlichen Regeln entspricht, funktioniert. Der nächste Schritt aber ist die sinnvolle Kombination der einzelnen Parameter, damit keine falschen Informationen generiert werden. Eine genaue inhaltliche Prüfung ist daher unerlässlich. Und Hand aufs Herz: Vielleicht wären wir schneller, wenn wir unsere eigenen Gedanken zu Papier brächten.

Worte ohne „Ich“
Zu diesem Thema schreibt Philosoph Christoph Quarch im Red Bulletin: „Sie lassen vom Chat-Bot einen Liebesbrief an Ihre Freundin schreiben. Er liefert Ihnen einen grammatikalisch perfekten Text, für den er Versatzstücke aus den literarischen Liebesbriefsammlungen der letzten 100 Jahre verarbeitet hat.“ Weiters führt er aus, dass die Gute – nach der Offenbarung, dass ein Chat-Bot den Text verfasst habe – Schluss mache. Sofort: „Zu Recht. Denn Sie haben Sie getäuscht und betrogen. Sie haben ihr einen Text gegeben, in dem Sie selbst nicht vorkommen. Sie haben sich nicht mitgeteilt, sondern leere Worte benutzt, um einen bestimmten Effekt zu erreichen.“
Hier offenbart sich eine weitere Schwäche dieses Tools: Der generierte Text ist immer eine Kombination aus verschiedensten Parametern. Aber ob die eigene Individualität dabei zum Ausdruck kommt, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Große Arbeitserleichterung
Trotzdem ist Experte Philipp Tschol (Silberball Digital) überzeugt, dass ein Chat-Bot den Arbeitsalltag erleichtert: „Es gibt bereits heute viele Anwendungsgebiete. So ist ChatGPT problemlos in der Lage, einen längeren Text zu kürzen oder eine Zusammenfassung eines vorgegebenen Textes zu erstellen. Verbindet man diese Option von heutigen Large Language Models mit Speech-to-Text Diensten, zum Beispiel von Google, erspart man sich mit der automatischen Transkription und der darauf folgenden Zusammenfassung viel Zeit.“ Einfach eine Audiodatei bei Google hochladen, der User erhält die Transkription, die im nächsten Schritt von ChatGPT automatisiert zusammengefasst werden kann. „Ein wunderbares Tool für smarte Teams“, gibt Tschol Einblick in die Praxis.
Insgesamt ist ein Chat-Bot also nicht a priori zu verdammen. Im Gegenteil, wer sich die Mühe macht, das Tool mit den richtigen Informationen zu füttern und es dort einsetzt, wo es sinnvoll ist, wird damit wohl einige Erfolgserlebnisse generieren.

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