Wolfgang Weber

Er etablierte 2003 die Grundlagenlehr­veranstaltung „Politische Bildung“ für Lehramtsstudierende in Geschichte und Sozialkunde an der Universität Innsbruck. Neben der Lehre ist seine Fachexpertise als demokratiepolitischer Bildner auch in Vermittlung und Forschung gefragt, etwa bei Ausstellungsprojekten mit Klassen der Mittelschule Lauterach (2006) und des Bundesgymnasiums Lustenau (2008) und gegenwärtig als Fachexperte im EU-finanzierten Forschungs- und Vermittlungsprojekt „World Class Teacher“ mit Standorten in England, Österreich, Polen und der Slowakei.

Das Gewissen der öffentlichen Verwaltung

März 2021

Eine kurze Geschichte der Landesvolksanwaltschaft 1985-2021.

Die Vorarlberger Landesverfassung und das Gesetz über den Landesvolksanwalt aus dem Jahr 1985 beschreiben dessen Aufgaben und definieren damit dessen Rollen. Sie lassen sich mit den Fahnenwörtern Anwalt, Mediator, Ombudsmann des Bürgers und der Bürgerin gegenüber der öffentlichen Verwaltung benennen. Je nach Persönlichkeit und in Resonanz mit dem gesellschaftspolitischen Umfeld stand in den vergangenen 36 Jahren eine Rolle mehr im Blickpunkt als die zwei anderen.

Der Anwalt des Volkes 1985-1997

Bereits 1929 verwies der österreichische Verfassungsrechtler Hans Kelsen auf die Notwendigkeit der Schaffung eines Amtes für einen Anwalt der Verfassung. Er sollte das öffentliche Recht überwachen und wie der britische attorney general die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Handelns kontrollieren. Ein solches Amtsverständnis setzte ausschließlich eine juristisch qualifizierte Person in der Funktion voraus.
Der Bundes- und in Vorarlberg der Landesgesetzgeber entschlossen sich 1977 beziehungsweise 1984 dazu, keine weitere Rechtsschutzeinrichtung wie einen Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof zu schaffen, sondern mit der Volksanwaltschaft eine Institution zu gründen, welche Rechtschutz und Kontrolle dadurch ermöglicht, dass sie zum allgemein respektierten Gewissen der öffentlichen Verwaltung wird. So formulierte es der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger. Das eröffnet auch für nicht ausschließlich juristisch qualifizierte Personen die Möglichkeit, die Funktion auszuüben. Tatsächlich war dies bei den „Bundesvolksanwälten“ immer wieder der Fall, beim Vorarlberger Landesvolksanwalt nie.
2004 verwies Felix Dünser in einem Vortrag beim Europarat darauf, dass ein Volksanwalt über grundlegendes Wissen der Gesetzgebung, des politischen Systems, der Verwaltungsabläufe und Verwaltungsprozesse sowie über einschlägige berufliche Erfahrung, soziales Engagement und kommunikative Fähigkeiten verfügen sollte. Nikolaus Schwärzler erklärte an anderer Stelle, dass ein solides staatsbürgerliches Grundwissen und zivilgesellschaftliches Engagement zu den Grundbedingungen für ein erfolgreiches Wirken zählten. Alle diese Kenntnisse werden nicht ausschließlich durch ein juristisches Studium erworben. Daher kann ein Anwalt des Volkes auch ein Nicht-Jurist sein.

Der Ombudsmann 1997-2009

In der Aufbau- und Konsolidierungsphase der Vorarlberger Landesvolksanwaltschaft war die Rolle des Rechtsvertreters des Volkes dominant. Sie füllte der Jurist und Sozialwissenschaftler Nikolaus Schwärzler als erster Landesvolksanwalt aus. Unter seinem Nachfolger Felix Dünser trat jene des Ombudsmanns stärker in den Vordergrund. Das war auch deswegen möglich, weil die Volksanwaltschaft weitere juristische Mitarbeiter erhielt. Der Leiter des Organs hatte damit die Möglichkeit, die Beratungstätigkeit der Institution zu intensivieren. Die Verabschiedung von einschlägigen Gesetzen wie das Landesfrauenförderungsgesetz 1997, das Antidiskriminierungsgesetz 2005 oder das Chancengesetz 2006 schuf die rechtlichen Grundlagen für eine Ombudstätigkeit. Welche persönlichen Eigenschaften eine solche Rolle erfordert, formulierte Felix Dünser in einem Bericht an den Europarat im Oktober 2004: nämlich Unabhängigkeit, Überparteilichkeit, Fachkompetenz, soziale Verantwortung, breite Akzeptanz. Das waren auch Vorgaben für die dritte Rolle der Landesvolksanwaltschaft, die rechtlich ebenso grundgelegt war.

Die Mediatorin 2009-2015

Die Rolle der Vermittlerin gewann unter Landesvolksanwältin Gabriele Strele stark an Bedeutung. Das wurde unter anderem mit der Einrichtung der OPCAT Kommission 2012 und des Vorarlberger Monitoring Ausschusses 2015 deutlich. Angesichts der demographischen und ökonomischen Entwicklung in den 2010er Jahren war zu erwarten, dass Beschwerden etwa aus den Bereichen Integrationshilfe, Mindestsicherung und Pflege zunehmen würden. Dafür mit den beiden hier genannten Institutionen formalisierte Ansprechstationen, aber vor allem Kontrollorgane im Sinne des volksanwaltschaftlichen Auftrages zu schaffen, war ein Gebot der Stunde.

Ein mögliches Ende 2015-2021

Am Ende der Amtsperiode des frühzeitig ausscheidenden aktuellen Landesvolksanwaltes Florian Bachmayr-Heyda entzog der Landtag seinem Kontrollorgan die OPCAT-Aufgaben und deutete damit eine Einschränkung der erst wenige Jahre zuvor zugewiesenen menschenrechtlichen Aufgaben an. Angesichts der Lage in den anderen österreichischen Bundes­ländern, wo die Monitoring Ausschüsse autonome Organisationen sind, ist es auch in Vorarlberg denkbar, dass dieser von der Volksanwaltschaft getrennt wird. So wie es möglich ist, dass Vorarlberg dem Beispiel von sieben anderen Bundesländern folgt und die Aufgaben der Landesvolksanwaltschaft in die Hände des Bundes, respektive dessen Volksanwaltschaft übergibt. Bei deren Einrichtung 1977 waren es nur Tirol und Vorarlberg, welche eine eigene Beschwerdestelle für Missstände der regionalen und kommunalen Verwaltungen einrichteten.
Um dieses Szenario zu verhindern und die Landesvolksanwaltschaft zu stärken, schlugen Experten in den vergangenen Jahren unter anderem vor, ihr Gesetzes­initiative zu geben; ihre Amtsperiode auf einmalig zehn Jahre statt 2 x 6 Jahre zu beschränken; ihr wie in Tirol die Kontrolle auch der mittelbaren Verwaltung zu ermöglichen; ihr in Absprache mit der Rechtsanwaltskammer die Vermittlung von gratis Erstberatungen bei Privatrecht-Fällen zu gestatten; oder sie mit anderen Beschwerdestellen zumindest physisch in einem Haus der Anwaltschaften wie in Kärnten und Tirol zusammenzufassen.
Nicht gefordert, weil bis dato nie eingetreten, wurde eine unverzügliche Nachbesetzung eines vor dem Ende der Amtsperiode ausscheidenden Landesvolksanwaltes. Die Landesverfassung sieht dann vor, dass bei bis zu vier Wochen Abwesenheit eine Stellvertretung, bei mehr als sechs Monaten Verhinderung eine sofortige Ausschreibung erfolgen muss. Das Prinzip eines Cooling-Off etwa nach dem Wechsel von der Volksanwaltschaft in die öffentliche Verwaltung – wie es die Privatwirtschaft kennt – ist darin nicht festgeschrieben.

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