Das Glück ist ein Vogerl
Sie ist die kleine Schwester des Glücks: Alle wollen glücklich sein, selten höre ich jemanden sagen: Hauptsache, ich bin zufrieden. Aber wieso streben wir alle nach dem flüchtigen Glück und sind nicht mit der Zufriedenheit zufrieden?
Sie leben in Finnland? Dann haben Sie alles richtig gemacht, denn Sie sind dort bereits seit längerem deutlich glücklicher als wir ewig jammernden Österreicher. Zumindest legen das die Resultate des jährlich erscheinenden World Happiness Reports nahe. Dieser erhebt seit 2012 im Auftrag der Vereinten Nationen den Glückstatus der Welt verteilt nach Ländern. Menschen in Finnland sind demnach seit sieben Jahren in Folge die Weltmeister des Glücks.
Also ist das Glück doch nicht so flüchtig? Oder misst der Bericht etwas anderes? Der Klagenfurter Psychologieprofessor Philipp Mayring bezeichnet Glück als das „intensivste Wohlbefinden, das Menschen kennen“. Aber, das Glück ist ein Vogerl. Es hüpft von Ast zu Ast und ist schnell wieder weg. Dieses Sprichwort kennen wir nicht nur aus dem Osten Österreichs. In der Gehirnforschung wird Glück als ein Zustand definiert, der in Erwartung von etwas entsteht, das uns zu einer Handlung bewegen soll. Im Gehirn wird dazu ein Bereich aktiviert, in dem der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. „Es kommt zu einem Feuerwerk, das aber schnell abbrennt“, erklärt der Psychiater Hans-Otto Thomashoff. Glück ist also eine flüchtige Emotion.
Die Zufriedenheit hingegen baut sich stabil auf. Sie sorgt für eine positive Grundstimmung.
Im Gegensatz zum Glück ist sie kognitiv geprägt, sie ist also das Ergebnis von Denkprozessen, in denen wir Vergleiche ziehen. Wir vergleichen uns dabei aber nicht mit anderen Menschen, sondern setzen unsere faktische Lebenssituation mit unseren persönlichen Idealvorstellungen in Beziehung: je kleiner die Kluft, desto zufriedener sind wir.
Welche sind aber nun die Umstände, die zu einem zufriedenen beziehungsweise glücklichen Leben führen? Der World Happiness Report bezieht sich unter anderem auf die folgenden Faktoren:
Die Stärke von sozialen Beziehungen ist einer der wesentlichen Bausteine. Und so fragen die Macher und Macherinnen des Berichts auch danach, für wie stark man seinen Kreis aus Verwandten und Freundschaften hält, die helfen, wenn man selbst Hilfe benötigt. Auch der – kürzlich verstorbene – US-amerikanische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman sieht darin einen wichtigen Faktor: „Wir sind biologisch als soziale Wesen angelegt und Kontakte machen uns meistens glücklich“. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Forschende der Harvard University in einer der umfangreichsten Studien zu Glück und Zufriedenheit. Gute soziale Beziehungen, die das Gefühl von Verbindung und Zugehörigkeit vermitteln, machen uns glücklicher und gesünder. Seit 1938 begleitet diese Studie rund 2000 Menschen aus drei Generationen in einer Langzeitstudie.
Ein weiterer wichtiger Faktor für Zufriedenheit ist der Grad an wahrgenommener individueller Freiheit. Wie unabhängig können wir unsere eigenen Lebensentscheidungen treffen und ein selbstbestimmtes Leben führen? Das sind zentrale Bestandteile, wie Ronald Fischer und Diana Boer von der Victoria University in Wellington zeigen konnten.
Die subjektive Zufriedenheit erhöhen können auch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Mitmenschen, wie Forschende der Universitäten Oxford und Bournemouth feststellen konnten. Das gilt sowohl für ehrenamtliches Engagement als auch für direkte Hilfeleistungen in der Nachbarschaft oder dem Freundes- und Verwandtenkreis.
Der Zusammenhang zwischen Glück, Zufriedenheit, körperlicher Gesundheit und der Lebenserwartung ist ebenso in einer Reihe von Studien demonstriert worden. Der Zürcher Ökonom Bruno S. Frey sieht dabei Wechselwirkungen: Einerseits tragen eine hohe Lebenszufriedenheit und positive Emotionen wesentlich zu besserer Gesundheit und zu einem längeren Leben bei. Und andererseits gehen eine Verbesserung des Gesundheitszustands der Bevölkerung und eine ansteigende Lebenserwartung auf eine verbesserte medizinische Versorgung und damit auf einen höheren Lebensstandard zurück.
Dies führt uns direkt zu einem weiteren Faktor: Länder, in denen ein hohes Vertrauen in die öffentlichen Einrichtungen herrscht – nicht nur in das Gesundheitssystems – sind in den Erhebungen des World Happiness Report in der Regel auf den vordersten Plätzen zu finden. Länder, in denen die Bürger ein hohes Vertrauen in Parlamente, Regierungen, Wahlen, Verwaltungen, Gerichte oder die Sicherheitsbehörden haben, ermöglichen in der Regel erst individuelle Freiheiten. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen führen dazu, dass Bürger sich als gleichberechtigt betrachten. Im Umkehrschluss lassen Korruption in Staat und Wirtschaft das Vertrauen sinken; Bürger haben nicht mehr das Gefühl, dass Menschen in einem Staat gleichbehandelt werden.
Schlussendlich: Macht Geld glücklicher?
Nicht auslassen dürfen wir zu Ende natürlich jene Frage, die uns seit Urzeiten bewegt: Wie verhält es sich mit Geld, Glück und Zufriedenheit? Die Ergebnisse dazu sind, gelinde gesagt, uneindeutig. Kahneman kam 2010 mit Angus Deaton zum Ergebnis, dass Geld das persönliche Glück nur bis zu einem Jahresverdienst von 75.000 US-Dollar steigern kann. Das Ergebnis dieser Studie wurde kontrovers diskutiert, so dass Kahnemann gemeinsam mit Matthew Killingsworth und Barbara Mellers 2023 nochmals die damals erhobenen Daten analysierte.
Das neue Ergebnis ganz einfach ausgedrückt: Für die meisten Menschen geht höheres Einkommen mit höherem persönlichem Glück einher. Die Ausnahme: Wenn sie reich und unglücklich sind, hilft auch mehr Geld nicht, um glücklich zu werden. Bruno Frey konnte zudem zeigen, dass, wer versucht, über materielle Güter sein Glück zu steigern, bald feststellen wird, dass sich das Glücksgefühl rasch abnutzt. Vor allem falle ein finanzieller Verlust emotional stärker ins Gewicht als ein Gewinn.
Und gleichzeitig zeigt sich, dass ein gewisses und sicheres Einkommen Auswirkungen auf eine Reihe der anderen Glücks- und Zufriedenheitsfaktoren hat: Zum Beispiel auf die individuelle Freiheit und Unabhängigkeit, den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung.
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