Markus Rhomberg

Geschäftsführer der Internationalen Bodensee-Hochschule, einem Verbund von 27 Universitäten und Hochschulen in der Vierländerregion. Zuvor hat er sich als Professor für Politische Kommunikation in Hamburg und Friedrichshafen vor allem mit dem Verhältnis von Wissenschaft, Medien und Politik beschäftigt und Strategien für erfolgreiche Klimakommunikation untersucht.

Euer Problem möchte ich haben!

Januar 2025

Warum Kooperation der Schlüssel zu besseren Lösungen ist.

 
Es gibt diese Momente, die uns fast schon dazu bringen, das Leben wie ein absurdes Theaterstück zu betrachten: Besprechungen, in denen Argumente wie Pfeile durch die Luft schwirren, als wären wir in einer Gladiatorenarena. Familienrunden, bei denen der Kampf um die letzte Waffel mehr Strategie erfordert als ein Schachturnier. Koalitionsverhandlungen, in denen es vor allem darum geht, die eigene Position durchzusetzen. Und am Ende denkt man als Außenstehender oft: Euer Problem möchte ich haben! Denn meist wäre die Lösung zum Greifen nah – wenn wir denn wüssten, wie Kooperation funktioniert.
Doch das Drama ist perfekt. Wir verteidigen unsere Meinungen, als ginge es um einen Nobelpreis, übersehen aber, dass keiner allein die Welt retten wird. Liegt das an unserem Ego? An einer stillen Liebe zur eigenen Perspektive? Oder schlicht daran, dass uns niemand beigebracht hat, dass Teamarbeit mehr ist als bloß ein Wort in einer PowerPoint-Präsentation?
 
Die Weisheit der Vielen
Ein kleiner Abstecher in die Wissenschaft: Eine Gruppe von Menschen soll das Gewicht eines Ochsen schätzen. Der Clou? Die Durchschnittsschätzung der Gruppe kommt erstaunlich nah an das tatsächliche Gewicht heran – präziser als die meisten Einzelmeinungen. Das nennt sich die „Weisheit der Vielen“ und zeigt: Wir sind gemeinsam oft schlauer als allein.
Wie das funktioniert? Fehler gleichen sich aus, Perspektiven ergänzen sich, und Diskussionen bringen uns auf Ideen, die wir alleine nie gehabt hätten. Anita Woolley, Sozialpsychologin, hat dafür die perfekte Metapher: Gruppenintelligenz ist wie ein Puzzle. Jedes Teil trägt seinen Teil zum großen Bild bei – solange keiner das Gefühl hat, sein Teil sei das Wichtigste überhaupt.
 
Die Natur – Meisterin der Kooperation
Aber wer nun glaubt, wir Menschen hätten das Rad der Kooperation erfunden, sollte mal in die Natur schauen. Ameisen zum Beispiel: Diese kleinen Wesen stemmen im Team Herausforderungen, die für Einzelne unmöglich wären. Und dabei brauchen sie nicht mal Flipcharts oder Meetings mit Catering.
Oder Wölfe, die nur im Rudel erfolgreich jagen. Selbst Bäume teilen über unterirdische Pilznetzwerke Nährstoffe und Informationen – der Wald als soziale Plattform. Der Biologe E. O. Wilson bringt es auf den Punkt: „Die wahre Macht der Natur liegt in der Kooperation, nicht im Wettbewerb.“
 
Warum fällt uns Zusammenarbeit so schwer?
Natürlich klingt das alles logisch. Und doch: Warum scheitern wir so oft an der einfachsten Sache der Welt? Ein Grund ist unser Ego. Wir sind süchtig danach, recht zu haben. Kritik wird nicht als Bereicherung, sondern als persönlicher Angriff empfunden – und plötzlich wird die Diskussion hitziger als ein Sommer ohne Klimaanlage.
Dann wäre da noch die Angst vor Kontrollverlust. „Wenn ich loslasse, geht alles den Bach runter“, denken wir. Dabei liegt genau im Teilen von Verantwortung die Chance auf bessere Ergebnisse – und ja, manchmal auch auf ein bisschen Entspannung.
Und dann gibt es noch diese gesellschaftliche Prägung: Einzelkämpfer sind unsere Helden. Wir bewundern die einsamen Genies, während Teams nur im Abspann auftauchen – klein gedruckt, irgendwo unter „Sonstige“. Kein Wunder, dass wir uns so schwertun, Teamgeist zu feiern.
 
Wie wir besser zusammenarbeiten können
Aber keine Sorge: Kooperation ist kein Hexenwerk, sondern eine erlernbare Kunst. Man muss nicht gleich zum Zen-Meister werden, sondern kann mit ein paar Basics anfangen:
1. Zuhören: Richtig zuhören. Nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Kopf – und vielleicht dem Herzen.
2. Vielfalt feiern: Andere Perspektiven sind keine Bedrohung, sondern ein Upgrade. Es wäre doch langweilig, wenn alle immer derselben Meinung wären (außer vielleicht bei Pizza-Bestellungen).
3. Rollen klären: Chaos ist der Feind der Zusammenarbeit. Wer macht was? Und warum? Klare Aufgaben erleichtern das Leben.
4. Gemeinsame Ziele: Kein „mein Ziel, dein Ziel“, sondern „unser Ziel“. Klingt kitschig, funktioniert aber.
5. Fehler umarmen: Ein bisschen wie beim Tanzen: Wer nicht stolpert, lernt auch nichts Neues. Fehler sind keine Katastrophe, sondern das Sahnehäubchen auf dem Weg zur Lösung.
 
Kooperation als Schlüssel zur Zukunft
Kooperation ist mehr als ein Zauberwort. Sie ist unser Überlebensinstinkt, unser Ticket in eine bessere Zukunft. Ob Klimakrise, soziale Gerechtigkeit oder die Frage, wer den Abwasch macht – die wirklich großen Themen lassen sich nur gemeinsam lösen.
Das Problem? Wir müssen umdenken. Schluss mit „Ich gegen den Rest der Welt“. Hin zu „Wie schaffen wir das zusammen?“ Denn am Ende geht es nicht darum, wer den größten Anteil hat, sondern wie wir das Beste gemeinsam erreichen.
Wenn ich in einer Gruppe sitze, in der jeder und jede nur an sich denkt, möchte ich sagen: Euer Problem möchte ich haben! Denn die Lösung ist oft so greifbar, dass man fast darüber lachen könnte: Ego ein bisschen zurückstellen, ein bisschen mehr an einem Strang ziehen – und voilà. Manchmal braucht es nur ein bisschen Mut, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Und wer weiß, vielleicht macht Zusammenarbeit am Ende sogar Spaß.

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