Eva Niedermair

Redakteurin
Thema Vorarlberg

Wie Einbrecher denken und warum Vorarlberg besonders wachsam bleibt

November 2025

Bei einer kürzlich stattgefundenen Pressekonferenz präsentierte das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) alarmierende Einblicke in die Welt der Einbrecher – und neue Zahlen, die auch für Vorarlberg relevant sind: Mehr als 64.000 Einbrüche wurden im Vorjahr in Österreich registriert, rund 7000 davon in Wohnräumen. Die Botschaft der Experten ist eindeutig: „Ein gekipptes Fenster ist für Täter ein Geschenk.“ 

Eine neue Täterstudie des KFV und des Instituts für Konfliktforschung (IKF) blickt nun erstmals tief in die Gedankenwelt von Einbrechern. In sieben österreichischen Justizanstalten wurden 35 inhaftierte Täterinnen und Täter interviewt. Ergänzt durch Aktenanalysen und Expertengespräche, liefert die Untersuchung ein eindrucksvolles, teils auch erschütternd ehrliches Bild: Wie wählen Täter ihre Ziele aus? Was schreckt sie ab? Und welche Fehler machen Hausbewohner immer wieder?
 
Altbauten im Visier
Die befragten Inhaftierten – vom drogenabhängigen Gelegenheitsdieb bis zum professionellen Bandenmitglied – eint eine zentrale Erkenntnis „Nicht Reichtum zieht an, sondern alte Schließsysteme, doppelflügige Türen und gekippte Fenster“, wie Jurist Armin Kaltenegger erklärte, der Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV. 
Vor allem Altbauten stehen im Fokus, wenn die Sicherheit veraltet ist. Moderne Neubauten mit Alarmanlagen, Bewegungsmeldern und einbruchshemmenden Fenstern gelten dagegen als „Zeitverschwendung“. Auch in Vorarlberg zeigt sich ein ähnliches Muster: Besonders betroffen sind laut KFV-Analyse ältere, weniger gesicherte Gebäude – etwa Mehrparteienhäuser mit frei zugänglichen Kellerabteilen oder Nebeneingängen.
 
Drei Tätertypen 
Die Studie unterscheidet drei Hauptgruppen von Deliquenten: Täter in sozialer Notlage, die aus Verzweiflung handeln; Beziehungstäter, die aus Rache oder Konflikten im Bekanntenkreis einbrechen; und professionelle Täter, die planvoll und arbeitsteilig vorgehen. 
Ein Suchtproblem zieht sich wie ein roter Faden durch viele Lebensgeschichten. Drogenabhängigkeit, Schulden, Perspektivlosigkeit. Ein anderer Pol: jene Täter, die Einbrüche als Beruf begreifen. Sie studieren Gebäude über Google Maps, testen Alarmanlagen mit sogenannten „Fake-Versuchen“ und nutzen Frischhaltefolie zur Spurvermeidung. Einer sagte im Interview: „Man läuft keinen Marathon ohne Training – und macht keinen Einbruch ohne Vorbereitung.“ 
 
Digitaler Austausch
Ebenfalls aus der „Mode“ gekommen sind klassische Markierungssysteme, die berüchtigten „Gaunerzinken“, spielen kaum noch eine Rolle. Heute wird digital geplant: Tätergruppen tauschen Informationen über Smartphones aus, beobachten Zielobjekte per Street View und kommunizieren in Echtzeit über verschlüsselte Kanäle. Oft genügt ein beiläufiges Gespräch, um wertvolle Hinweise zu erhalten: „Die Familie ist im Urlaub“ oder „der Safe klemmt“. Auch Pflegekräfte, Handwerker oder Reinigungskräfte können unabsichtlich Informationen weitergeben. 
 
Tagsüber, nicht nachts
Ein weiteres Vorurteil widerlegt die Studie deutlich: Einbrüche passieren selten in der Nacht. Die Täter bevorzugen den Vormittag, wenn viele Menschen arbeiten oder einkaufen. Sie prüfen, ob jemand zu Hause ist – durch Klingeln, Klopfen oder Beobachtung. Bleibt die Reaktion aus, gilt das Objekt als „frei“. 
Vorarlbergs Kriminalprävention verweist auf denselben Trend: Rund 70 Prozent aller Einbrüche erfolgen zwischen 8 und 16 Uhr. „Die beste Alarmanlage ist aufmerksame Nachbarschaft“, sagt ein Polizeisprecher. Gegenseitige Aufmerksamkeit, Nachfragen und soziale Kontrolle wirken nachweislich abschreckend. 
 
Moralische Grenzen?
Interessant ist, dass trotz technischer Fähigkeiten die Mehrheit der interviewten Täterinnen und Täter Wohnungseinbrüche bewusst ablehnen. „Das ist wie ein Übergriff, das macht man nicht“, sagte ein Inhaftierter. Viele ziehen klare Grenzen zwischen Privatwohnungen und Gewerbeobjekten. Supermärkte, Vereinslokale, Apotheken oder leerstehende Geschäftsräume werden bevorzugt. Firmen seien versichert, Privatpersonen nicht – so die Rechtfertigung. Zudem fürchten Täter Konfrontationen. Die meisten wollen Menschen vermeiden, keine Waffen tragen, keine Gewalt anwenden. Das Risiko, in Panik etwas Unüberlegtes zu tun, gilt als zu groß. Für Opfer bleibt dennoch das Gefühl des Eindringens – und damit der Verlust von Sicherheit. „Die materiellen Schäden sind ersetzbar, das Sicherheitsgefühl oft nicht“, resümiert Jurist Kaltenegger.
Die Vorarlberger Polizei setzt deshalb auf Aufklärung. Im Rahmen der Kampagne „Gemeinsam sicher“ werden regelmäßig Haus-Checks angeboten, bei denen Fachleute Schwachstellen an Fenstern, Türen und Lichtschächten aufzeigen. Auch das KFV bietet Beratung und Schulungen an – von Zeitschaltuhren über Sicherheitsbeschläge bis zu Video-Türklingeln.
Die Stärke der Studie liegt im Perspektivenwechsel: Prävention beginnt dort, wo man versteht, wie Täter denken. Wer ihr Kalkül kennt, kann sie ausbremsen, durch Mechanik, Technik und soziale Wachsamkeit. Oder, wie es ein ehemaliger Einbrecher im Interview formulierte: „Ich bin dorthin gegangen, wo’s leicht ging. Wenn’s schwierig war, bin ich weiter.“ Das beste Schloss ist also jenes, das Täter zum Umkehren bringt – bevor sie überhaupt anklopfen.
 
Sieben zentrale Empfehlungen 
 
1. Fenster und Türen immer schließen – auch bei kurzer Abwesenheit.
2. Werkzeuge und Leitern nie im Freien stehen lassen.
3. Nachbarn einbinden und Präsenz zeigen.
4. Alarmanlagen und Bewegungsmelder regelmäßig prüfen.
5. Keine Schlüsselverstecke im Außenbereich.
6. Urlaubsfotos erst nach der Rückkehr posten.
7. Täter nicht stellen, sondern Polizei rufen.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.