

Sparen oder Investieren? Zwischen Sicherheit und Rendite
Wir bleiben das Land der Sparer – doch die Zinswende, Digitalisierung und neue Anlageformen verändern das Verhalten der Anleger rasant. Während ältere Generationen am Sparbuch festhalten, wagt die Jugend den Schritt an die Märkte. Zwischen Stabilität, Nachhaltigkeit und Renditehunger stellt sich die Frage: Welche Strategie führt in Zeiten von Unsicherheit, Inflation und KI wirklich zum Ziel?
Geld anlegen war nicht seine große Stärke, über Geld schreiben hingegen schon. In seinen Kurzgeschichten beleuchtet Mark Twain meisterhaft den amerikanischen Kapitalismus des 20. Jahrhunderts. Es gibt wenige, die ein klareres Bild von unserer Welt zu malen wissen als er. Mit scharfer Zunge analysierte Twain die Irrwitzigkeiten des Alltags und entlarvte mit spitzer Feder jene Hochstapler, Spekulanten und Glücksritter, die sich vom schnellen Geld blenden ließen. „Lachend die Wahrheit sagen“, forderte einst der römische Dichter Horaz von einem brillanten Satiriker – Twain tat genau das. Und er hätte wohl auch unsere heutige Finanzwelt mit einem schiefen Grinsen betrachtet: ein Land zwischen Sparbuch und Bitcoin, zwischen Sicherheitsbedürfnis und Renditehunger.
Das Sparbuch lebt – doch die Jugend investiert
2025 steht Österreich an einem Wendepunkt im Anlageverhalten. Noch immer gilt das klassische Sparbuch als die unangefochtene Nummer eins: Über 80 Prozent der Bevölkerung nutzen es, in Vorarlberg sogar 83 Prozent. Besonders bemerkenswert: Selbst 86 Prozent der Generation Z setzen weiterhin auf das gute alte Sparbuch. Das zeigt, wie tief der Wunsch nach Sicherheit in der heimischen Finanzkultur verwurzelt ist. „Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger hängen sehr an ihren Sparbüchern – und das ist auch gut so“, betont Martin Jäger, Sprecher der Vorarlberger Sparkassen. „Sie bleiben dadurch bei unerwarteten Ausgaben, wie einer kaputten Waschmaschine, gelassener. Allerdings führt die Inflation am Sparbuch zu einem realen Wertverlust. Wer breiter vorsorgt, kann diesen Verlust besser ausgleichen.“
Unter der Oberfläche beginnt sich etwas zu bewegen. Immer mehr Menschen entdecken Aktien, Fonds und ETFs für sich. Laut aktuellen Erhebungen investieren bereits 38 Prozent der Österreicher in Wertpapiere – Tendenz steigend. Bei den jungen Kapitalanlegerinnen und -anlegern hat sich die Zahl seit 2020 fast verdoppelt. Sie handeln digital, informieren sich über Social Media.
Diese Entwicklung ist mehr als nur ein Modetrend. Sie zeigt einen Kulturwandel, der durch Pandemie, Digitalisierung und steigendes Finanzbewusstsein ausgelöst wurde. Von 2020 bis 2025 strömten deshalb viele neue Anleger auf den Kapitalmarkt, und als stärkste Gruppe stachen die 18 bis 24-Jährigen heraus – die Zahl hat sich seit 2020 fast verdoppelt. Das am stärksten wachsende Produkt während dieser Zeitspanne sind ETFs, der börsengehandelte Indexfonds, der wie eine Aktie gehandelt wird und einen Aktienindex wie den DAX oder MSCI World nachbildet. Statt in viele einzelne Aktien zu investieren, kauft man mit einem einzigen ETF-Anteil eine breite Streuung in viele Unternehmen gleichzeitig, was das Risiko reduziert.
Die Generation Z (GenZ), die ungefähr zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren wurde, hat zudem ein anderes Verhältnis zu Geld und investiert nicht nur häufiger als ältere Gruppen, sie verhält sich auch anders: Auch am Kapitalmarkt zeigt sich die Onlineaffinität der GenZ. Beratung findet nicht mehr am Schalter statt, sondern auf dem Smartphone – via Trading-Apps, Neobroker oder sogenannte „Finfluencer“. „Sie will verstehen, was mit ihrem Kapital passiert – und sie ist bereit, dafür auch Risiko zu tragen“, heißt es von Seiten der Vermögensberater.
Zinsen feiern ihr Comeback – und mit ihnen das klassische Sparen. Nach Jahren der Nullzinsphase erleben Tages- und Festgeldkonten eine Renaissance. Der Zinsanstieg hat sie wieder attraktiv gemacht. Viele, die zwischenzeitlich nach alternativen Anlageformen gesucht hatten, kehren zurück zur Einfachheit: kein Kursrisiko, keine App, kein Stress.
Das belegen auch Zahlen: Die Sparquote in Österreich bleibt 2025 mit 10,7 Prozent weiterhin auf hohem Niveau, laut Eurostat könnten es sogar bis zu 15,4 Prozent des verfügbaren Einkommens sein. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist weiterhin ungebrochen – insbesondere in unsicheren Zeiten.
Eine Studie der Erste Bank zeigt, dass 89 Prozent der Vorarlberger das Sparen mit einem Gefühl von Sicherheit verbinden. 84 Prozent halten es für „sehr wichtig“ oder „ziemlich wichtig“, regelmäßig Geld zur Seite zu legen. Im Schnitt werden monatlich 348 Euro gespart – ein Plus gegenüber dem Vorjahr, aber mit sinkender Zufriedenheit: Nur 43 Prozent sind mit ihrem Sparbetrag wirklich zufrieden. Die Studie zeigt auch, dass im Ländle mit Geld vorsichtig umgegangen wird: 93 Prozent behalten ihre Einnahmen und Ausgaben im Blick, 85 Prozent prüfen regelmäßig ihre Ausgaben und 71 Prozent suchen aktiv nach Einsparpotenzial bei Fixkosten.
Zwischen Risiko und Rendite: Die neuen Anlageformen
Während das Sparbuch Stabilität verspricht, locken andere Anlageformen mit Wachstum. Aktien sind mit 66 Prozent die beliebteste Wertpapierform, Fonds folgen mit 55 Prozent, ETFs mit 37 Prozent. Nachhaltige Investments boomen: Bereits über die Hälfte aller neuen Fondsinvestitionen fließen in grüne Produkte. Edelmetalle wie Gold gelten weiter als Krisenversicherung – ihr Anteil an den Gesamtanlagen hat sich in zehn Jahren verdoppelt.
Auch Kryptowährungen bleiben ein Reizthema. Rund 12 Prozent der Österreicher halten inzwischen digitale Währungen – meist junge Männer. Der aktuelle Boom um Bitcoin & Co. wird durch neue ETF-Zulassungen und geopolitische Unsicherheiten befeuert. Doch die Finanzdienstleister warnen: Krypto ist keine Altersvorsorge, dazu fehle es derzeit an Stabilität, Verlässlichkeit und Absicherung. „Wer hier investiert, braucht starke Nerven und darf nicht alles auf eine Karte setzen“, erklärt Florian Ender, Obmann der Fachgruppe Finanzdienstleister Vorarlberg.
Immobilien: Sicherheit aus Stein
Nach turbulenten Jahren hat sich der österreichische Immobilienmarkt laut RE/MAX-Research stabilisiert. 2025 zeigt sich ein ruhiger Aufwärtstrend, das Preisniveau bleibt weitgehend konstant. Besonders Mietwohnungen in guten Lagen sind gefragt – ein positives Signal für Vorsorgeinvestoren. Das Modell der Vorsorgewohnung bleibt attraktiv, vor allem wegen steuerlicher Vorteile. Investoren profitieren vom Vorsteuerabzug und können Anschaffungs- sowie Finanzierungskosten steuerlich geltend machen. Doch Vorsicht: Rund 20–30 Prozent Eigenkapital sind nötig, Leerstand und Zinsänderungen können die Rendite empfindlich treffen. Immobilien gelten als verlässlicher Inflationsschutz – aber sie verlangen Geduld, Kapital und eine langfristige Perspektive.
Versicherungen: Stabilität mit angezogener Handbremse
Auch die Lebensversicherung bleibt ein Klassiker – wenngleich mit begrenzter Rendite. Klassische Varianten bringen meist 1–2 Prozent p.a., fondsgebundene Modelle je nach Risiko 4–6 Prozent. Außerdem haben Versicherungen langfristig Steuervorteile, da diese KEST-frei sind. Vor allem fondsgebundene Produkte können hier von diesem Vorteil profitieren. Klassische Lebensversicherungen bieten relative Sicherheit und Planbarkeit, ihr Nachteil liegt in der geringen Flexibilität und realen Wertentwicklung nach Inflation. „Klassische Lebensversicherungen eignen sich für konservative Anlegerinnen und Anleger oder zur Hinterbliebenenvorsorge, nicht als Renditebringer“, sagt Ender.
Digitale Anlageformen und KI im Bankwesen
Digitalisierung prägt den Finanzmarkt zunehmend. Robo-Advisor, Neobroker und digitale Plattformen ermöglichen den Einstieg mit geringen Beträgen und hoher Transparenz. Die künstliche Intelligenz zieht in die Finanzwelt ein – von der Kreditprüfung bis zur Portfolioanalyse. Der Einsatz generativer KI verspricht höhere Effizienz und maßgeschneiderte Kundenlösungen, stellt Banken aber vor neue regulatorische und ethische Herausforderungen. Ob KI bald über Kredite entscheidet, bleibt offen. Klar ist: Der technologische Wandel wird die Finanzbranche tiefgreifend verändern.
Finanzbildung: Schlüssel zur Mündigkeit
Geldanlagen werden komplexer – und das erfordert Wissen. Viele Österreicher fühlen sich jedoch nur unzureichend informiert: Laut IMAS-Umfrage geben 59 Prozent an, sich in Finanzfragen „etwas“ oder „gar nicht gut“ auszukennen. Besonders bedenklich: In mehr als der Hälfte der Familien (53 Prozent) wird Finanzwissen nicht mehr weitergegeben.
Programme wie der Vorarlberger Finanzführerschein setzen hier an. Über 49.000 Jugendliche haben sich in den vergangenen 19 Jahren mit Themen wie Schulden, Konsumverhalten, Lebensplanung und Geldanlage beschäftigt. Rund 20.000 Finanzführerscheine wurden bereits verliehen; ein beeindruckendes Signal in Zeiten von Teuerung und Konsumdruck. „Über Geld zu sprechen, darf kein Tabu sein. Nur so kann es gelingen, dass sich Kinder zu finanziell mündigen Erwachsenen entwickeln. Gemeinsames Ziel ist es, Überschuldung von (jungen) Menschen zu vermeiden, die Sensibilität gegenüber Schuldenfallen zu steigern und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld zu vermitteln, sodass vorausschauend gehandelt und ein Überblick über die eigenen Finanzen erlangt werden kann“, weiß Simone Strehle-Hechenberger, Leiterin der ifs Schuldenberatung.
Auch die Initiative FiRi der Bank- und Versicherungsbranche leistet Pionierarbeit. Sie vermittelt praxisnahes Finanzwissen in Schulen und stärkt die Fähigkeit junger Menschen, selbstbewusst mit Geld umzugehen. „Es ist wichtig, dass viele das System Bank und Versicherungen verstehen und auf Augenhöhe dem Thema begegnen können“, erklärt Spartenobmann Michel Haller. „Eine solide Finanzbildung hilft dabei, den Alltag zu meistern, unerwartete Ereignisse zu bewältigen und für den Ruhestand vorzusorgen.
Über 90 Prozent der teilnehmenden Schüler berichten von einem hohen persönlichen Nutzen.“ Dass Finanzbildung ein Schulfach werden sollte, finden laut Ö3-Jugendstudie 83 Prozent der Jugendlichen. Die Wirtschaftspädagogin Bettina Fuhrmann von der WU Wien betont die Verantwortung der Eltern: Kinder sollten früh lernen, Preise zu vergleichen, Taschengeld zu planen und auf größere Wünsche zu sparen. „Wenn Kinder sehen, dass nicht alles sofort gekauft wird, lernen sie den Wert von Geld und den Wert des Wartens.“ Jugendliche, die ein höheres Wissen über Kredite haben, seien weniger geneigt, Konsumkredite aufzunehmen. Das wurde laut Fuhrmann in diversen Studien festgestellt.
Die Finanzwelt 2025 ist vielseitiger – und zugleich komplexer – als je zuvor. Zwischen Zinswende, Digitalisierung und Nachhaltigkeit öffnet sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Doch der Weg zur passenden Strategie bleibt individuell.
Immobilien bieten reale Sicherheit, Fonds versprechen Rendite, Versicherungen Stabilität – und Kryptowährungen Nervenkitzel. Eine gute Anlagestrategie kombiniert mehrere dieser Elemente und passt sich an Lebensphase, Einkommen und Risikobereitschaft an.
„Es gibt nicht die eine richtige Lösung“, fasst der Obmann der Fachgruppe Finanzdienstleister in Vorarlberg Florian Ender zusammen, „aber es gibt viele schlecht informierte Entscheidungen. Unsere Aufgabe ist es, Orientierung zu geben – und gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden eine langfristig sinnvolle Strategie zu entwickeln.“
2025 steht im Zeichen der Balance. Österreichs Anlegerinnen und Anleger müssen sich entscheiden: Bleiben sie beim Bewährten – oder wagen sie Neues? Die Antwort liegt, wie so oft, in der Mitte. Sparen bleibt wichtig, um Reserven zu bilden. Investieren ist unerlässlich, um Wertverlust durch Inflation zu vermeiden. Und Finanzbildung ist die Brücke zwischen beiden. Oder, um es mit Mark Twain zu sagen: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.“ Beim Umgang mit Geld gilt Ähnliches. Zwischen Sparen und Investieren liegt kein Gegensatz, sondern die Kunst, im richtigen Moment das Richtige zu tun.
*Hinweis: Die Inhalte dieses Artikels dienen ausschließlich der allgemeinen Information und sind zum einen ohne Gewähr und zum anderen keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf bestimmter Finanzinstrumente. Es handelt sich hier nicht um Anlageberatung.








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