Eva Niedermair

Redakteurin
Thema Vorarlberg

Die Unerschütterliche –wie Uli Zumtobel seit Jahrzehnten Modegeschichte in Vorarlberg schreibt

Oktober 2025

Wenn Uli Zumtobel über Mode spricht, leuchten ihre Augen. Dann funkelt da eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Neugier – genau jene Energie, die sie seit Jahrzehnten antreibt. In einem Geschäft, das längst zur Institution geworden ist. Stillstand? Kommt bei ihr nicht in Frage. „Ich wollte nie, dass man bei uns einfach nur auftaucht“, sagt sie, „bei uns erscheint man.“
Sie hat nie dem Trend vertraut, sondern stets ihrem Blick. Seit fast sechs Jahrzehnten prägt Uli Zumtobel mit ihrem Modehaus in Dornbirn den Stil vieler Frauen – mit unbestechlichem Geschmack, kompromissloser Haltung und einer Leidenschaft, die bis heute lodert. Sie ist keine, die Menschen einkleidet. Sie ist eine, die sie zum Strahlen bringt. Es ist ein Satz, der alles über ihre Haltung verrät. Ihre Kundinnen sollen nicht in irgendeinem Outfit verschwinden, sondern strahlen – sich selbstbewusst, stimmig und einzigartig fühlen.

Vom Lehrmädchen zur Stil-Ikone
Schon als Kind liebte sie alles Schöne. Während ihre Altersgenossinnen Poster von Prominenten der Zeit an die Wände klebten, hängte sie Bilder von Monet und Van Gogh auf. Sie deckte den Tisch wie ein Bühnenbild und achtete schon als Kind auf jedes Detail. Vielleicht war es Schicksal, vielleicht auch ein inneres Bedürfnis – jedenfalls wuchs sie in ein Umfeld hinein, in dem Schönheit und Geschäft untrennbar miteinander verbunden waren. 
Ihr Großvater exportierte Spitzen nach New York, Paris und London. Ihr Vater führte ein Geschäft, das zu den größten Spitzenhändlern Österreichs zählte. Doch die Familie erlebte in den 1950er-Jahren eine grobe Zäsur: Viel Eigentum ging verloren, nur das Stammhaus blieb. „Wir müssen wenigstens eines retten“, habe der Vater gesagt, erinnert sich Uli Zumtobel.
Trotz dieser Brüche blieb das Geschäft der Mittelpunkt des Familienlebens – und so war es beinahe unausweichlich, dass die damals 15-Jährige 1965 ihre Lehre im Familienunternehmen begann. „Ich sah aus wie eine Zehnjährige“, erinnert sie sich und lacht. Kaum hatte sie begonnen, da wagte sie auch schon die ersten Schritte hinaus in die Welt: Zierlich, fast kindlich, fuhr sie allein mit dem Nachtzug nach Wien, um einzukaufen. „Ich stand dort, zwischen lauter erfahrenen Einkäufern – es war fast grotesk“, schildert die heutige Modeikone und fügt an: „Aber ich habe gelernt, meinen eigenen Weg zu gehen.“
Diesen Weg ging sie konsequent. Während andere vorsichtig an Bewährtem festhielten, brachte sie grelle Strumpfhosen, knallpinke Miniröcke und schmal geschnittene London-Teile nach Vorarlberg. „Die Leute haben mich für verrückt gehalten; aber mein Vater ließ mich machen – das war wohl das größte Geschenk, das er mir je gemacht hat.“ Mit siebzehn reiste sie mit ihm nach Italien, zu einer Modemesse, und tauchte noch tiefer in die Welt der Mode ein.
Als der Vater 1983 starb, übernahm sie endgültig das Geschäft. „Das war ein Schock“, sagt die Mode-Kennerin. Den Einkauf habe sie ja bereits gemacht, aber plötzlich musste sie sich auch noch um das Finanzielle kümmern. „Ich war nie an Geld interessiert, aber ich habe nie mehr ausgegeben, als ich hatte – und das ist bis heute so“, betont die Unternehmerin. 

Mode mit Haltung
Die Freiheit ihren eigenen Stil zu wählen wurde zu ihrem Markenzeichen. Bis heute kauft sie jedes Teil selbst ein – nach Gefühl, nie nach Etikett. „Marken sind vergänglich. Qualität ist entscheidend.“ La Perla, Oceano, Plain Sud – sie hat sie alle geführt. Was zählt, ist nicht der Name, sondern ob ein Stück Charakter hat. Genau darin liegt ihre Konsequenz: Ich will nicht, dass alle dasselbe haben.“
So entstand über die Jahre ein Geschäft, das keine Kollektionen von der Stange bietet, sondern eine sorgfältig komponierte Auswahl. Uli Zumtobel sieht eine Frau und weiß, was sie strahlen lässt. „Ich sage auch ehrlich, wenn etwas nicht passt. Ich kann nichts verkaufen, hinter dem ich nicht komplett stehe.“ 
Diese kompromisslose Ehrlichkeit bindet. Viele Kundinnen bleiben jahrzehntelang, manche über Generationen hinweg. Und nicht selten verlassen sie das Geschäft mit dem Gefühl, beschenkt worden zu sein. Ihre älteste Stammkundin bringt es auf den Punkt: „Uli, hoffentlich lebe ich noch lange, damit ich weiter zu dir kommen kann.“ 

Der Zauber des Persönlichen
Wer ihr Geschäft betritt, spürt sofort: Hier zählt Aufmerksamkeit. Zwischen Holz, Glas und liebevoll arrangierten Farben liegt kein hektischer Konsum, sondern eine fast kontemplative Ruhe. Uli Zumtobel berät nicht – sie inszeniert. Zwischen Kleiderstangen und Spiegeln entsteht fast so etwas wie ein Bühnenraum – und Uli Zumtobel ist die Regisseurin. Sie legt Stoffe an, kombiniert, variiert, bis das Bild stimmig ist. „Viele Frauen tragen Dinge, die sie gar nicht sind“, sagt sie. „Ich möchte, dass sie sich in ihrem Outfit wiederfinden. Dass sie sich nicht verkleidet fühlen, sondern gesehen.“

Persönlicher Kontakt statt Onlineklicks
Dieses tiefe Verständnis für Persönlichkeit unterscheidet sie auch im digitalen Zeitalter. Während andere Boutiquen schließen, bleibt sie standhaft. Onlinehandel? Für sie keine Option. „Ich habe noch nie etwas online bestellt – das macht die ganze Infrastruktur kaputt.“ Mode, so sagt sie, ist ein Dialog, kein Algorithmus. „Das kann man nicht bei Amazon kaufen. Unsere Kundinnen wollen nicht einfach irgendwo sein, sie wollen erscheinen.“ 
Dabei beobachtet sie genau, wie in den Innenstädten die Vielfalt schwindet. Leerstände nehmen zu, die Auswahl verflacht. „Die Menschen wissen gar nicht, wie gut es ihnen geht – sie jagen dem Billigen hinterher und merken nicht, dass sie damit ihre eigene Versorgung kaputtmachen.“ Ihre Worte fallen leise, doch die Klarheit dahinter ist unüberhörbar. 

Blick nach vorn
Nachfolge? Noch ungewiss. Ihr Sohn hat andere Pläne, ihre Mitarbeiterinnen sind loyal, aber eine offizielle Erbin gibt es nicht. „Eigentlich wäre es schön gewesen, rechtzeitig jemanden aufzubauen, der unter meiner Obhut in meine Fußstapfen wachsen könnte.“ Doch sie nimmt es gelassen: „Solange es mir Freude macht, mache ich weiter. Und wenn es keine Freude mehr ist, höre ich auf.“
Bis dahin bleibt sie, was sie immer war: eine Unerschütterliche. Eine, die nie Trends gejagt, sondern Haltung gezeigt hat. Eine, die Frauen nicht einkleidet, sondern bestärkt.
„Mode ist mehr als Kleidung“, sagt sie. „Sie soll nicht verkleiden, sondern die Persönlichkeit unterstreichen. Wenn etwas stimmig ist, dann strahlt man automatisch. Und das ist viel schöner, als nur aufzufallen.“

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.