Herbert Motter

Wenn ihr mich braucht, bin ich da

Dezember 2022

Was in einer guten Schule der Lehrer ist, ist in Sachen Lehre der Ausbilder. Beide tragen eine große Verantwortung für die Gesellschaft – und geben Jugendlichen neben der Ausbildung Orientierung und Werte für das Leben.

Der rasante technologische Fortschritt verändert vieles: Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen, aber auch Jobprofile wandeln sich – und das in einer enormen Geschwindigkeit. In Zeiten der Veränderung ist es wichtig, einen Anker, eine Anlaufstelle zu haben – als Ansprechpartner für Informationen, als Netzwerkpartner, als Plattform für den Austausch und als Unterstützer und „Ermöglicher“. Was die gute Lehrerin, der gute Lehrer in der Schule ist, stellt die Ausbilderin, der Ausbilder in den Betrieben dar, sie übernehmen Verantwortung für die Vermittlung von Werten und sozialen Haltungen, neben all den fachlichen Notwendigkeiten. Auch hier wird teilweise kompensiert, was im Elternhaus verpasst wurde.
„In den Betrieben haben es die Ausbilder und Unternehmer mit jungen Menschen zu tun, die sich in einer nicht einfachen Lebensphase befinden. Die Jugendlichen müssen eine neue Rolle akzeptieren, mit der Hierarchie am Arbeitsplatz zurechtkommen, sich in ein Team integrieren und Verantwortung für sich selbst übernehmen. Es wird von ihnen erwartet, dass sie Leistungen erbringen und Ziele verfolgen“, weiß Christoph Jenny, Direktor der Wirtschaftskammer Vorarl­berg, um die Bedeutung der Ausbilder in den heimischen Betrieben.
Ein Vorarlberger Ausbilder, der sich in seiner Projektarbeit mit dem Umgang von schwierigen Jugendlichen beschäftigt hat, erklärte darin: „Die Jugend ist das Spiegelbild unserer Gesellschaft. Zugegeben, es ist einfacher zu jammern, wie schlecht unsere heutige Jugend ist, als sich den Herausforderungen zu stellen und Verantwortung für eine positive Entwicklung der Jugend zu übernehmen.“
Mit Verantwortung meinte dieser Ausbilder die Vermittlung von Wertehaltungen, das Geben von Orientierung, das Setzen von Grenzen und das Aufzeigen von Normen und Spielregeln mit den dazu erforderlichen Konsequenzen.
Gerald Spieler ist Ausbildungsleiter der Firma ALPLA Werke und kennt die täglichen Herausforderungen dieser verantwortungsvollen Aufgabe: „Ich habe als Ausbildercoach die Fähigkeit erworben, den Lehrlingen als Begleiter zur Seite zu stehen. Ich habe gelernt, mit ihnen die vorhandenen Konflikte zu managen, die Sozial- und Persönlichkeitskompetenz der Jugendlichen zu fördern. Dadurch erhöht sich ihre Produktivität, es stellt sich eine größere Zufriedenheit in ihrem Leben und Beruf ein und sie können wichtige persönliche Ziele erreichen.“

Generation im Umbruch
Die Lehrlingsausbildenden in Vor­arlberg sind sich dieser großen Verantwortung bewusst, denn sie sind einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg einer Lehre. Sie sind nicht nur Vorgesetzte, sondern auch Vorbild und Vertrauensperson „ihrer“ Lehrlinge. Deshalb legen sie neben der Vermittlung des fachlichen Know-how auch großen Wert auf soziale Kompetenzen. Von Werten wie Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen, Verantwortungsbereitschaft, aber auch Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und guten Umgangsformen profitieren die Lehrlinge nicht nur in der Ausbildung, sondern auch persönlich. Die Ausbildungsverantwortlichen erfüllen damit eine wichtige Funktion für Wirtschaft und Gesellschaft: Eine hochwertige Ausbildung schafft attraktive Jobs und sichert auch in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Vorarlberg.
Die Er- und Lebenswelten der aktuellen Generationen können unterschiedlicher nicht sein. Für ein gutes und erfolgreiches Miteinander braucht es Verständnis und Auseinandersetzung – beiderseits. Sozialisationsphänomene und Generationen-Mindsets zu verstehen, erleichtert und ermöglicht vieles. 

Qualifikation
Die Ausbilderqualifikation wird im Rahmen einer Ausbilderprüfung oder eines erfolgreich absolvierten Ausbilderkurses erworben. Sie umfasst neben fachlichem Know-how auch berufs­pädagogische Kompetenzen sowie rechtliche Kenntnisse. Ausbilder müssen ihre Befähigung durch Ablegung einer Ausbildnerprüfung bei der Meisterprüfungsstelle der Wirtschaftskammern oder durch den Besuch eines mindestens 40-stündigen Kurses mit anschließendem Fachgespräch nachweisen.

Weiterbildung für Vorarlbergs Ausbildungsverantwortliche 
In Vorarlberg haben sich über viele Jahre Strukturen aufgebaut, die die Ausbilder in ihrem Vorhaben unterstützen sollen. Die ehemalige Ausbilder­akademie, der Start war im Jahr 2003, wurde über die Internationale Bodensee Konferenz nach Deutschland und in die Schweiz „exportiert“. Seither heißt die Institution „Akademie für Ausbilder“. Ziel ist nicht nur die Qualitätssicherung der Lehre, sondern auch die Anerkennung des Engagements und der Arbeit . Die Wirtschaftskammer Vorarlberg hat 2016 zudem mit dem Ausbilder-Forum eine Plattform hinsichtlich Information und Austausch für alle etabliert, die an der Lehre interessiert sind. Ziel ist die Qualifizierung der Ausbilder, und zwar nicht nur in Hinblick auf deren fachspezifische Kenntnisse, sondern vor allem in den Bereichen Selbst- und Sozialkompetenz. 
Der deutsche Ausbildungsexperte Andreas Schneider war Gast beim 1. Ausbilder-Forum vor sechs Jahren und brachte damals eine klare Botschaft mit: „Wir brauchen – fachlich natürlich bestens ausgebildete – Begleiter für Lehrlinge, die ein optimales Umfeld schaffen, das zum Lernen animiert. Ausbilder müssen den Lehrlingen Folgendes vermitteln: ,Euer Job ist eure Verantwortung, ihr habt Kompetenzen und eure Freiheit, aber dieses Ergebnis wird von euch erwartet. Wenn ihr mich braucht, bin ich da.‘“

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