Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Brief des Herausgebers: Die Welt, in der wir leben

November 2023

Ich bin in eine analoge Welt hineingeboren worden und habe die Digitalisierung hautnah miterlebt, zum Teil durfte ich sie auch mitgestalten. Wahrlich spannende, dynamische, innovative, lehrreiche, manchmal herausfordernde, für manche überfordernde Jahrzehnte liegen hinter uns und – da bin ich mir sicher – auch vor uns. Die Epoche, welche wir gerade miterleben und mitgestalten, wird in den Geschichtsbüchern einen bedeutenden Platz finden. Schon allein deshalb, weil es – zumindest bis heute – keinen Zeitraum gegeben hat, in welchem die Dynamik eines Transformationsprozesses das gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenleben in so kurzer Zeit so massiv verändert hat.
Ich kann mich als 1957er noch an eine Zeit OHNE Fernsehen, Telefon, sekündlich neueste Nachrichten aus der ganzen Welt und vieles andere mehr erinnern. Eine Zeit, in der Bücher lesen und analoges Spielen „auf Wiesen und im Wald“ der Alltag war und wo ein Rendezvous gut geplant sein musste, weil es zwischen Abmachung und tatsächlichem Treffen keine weitere Kontaktmöglichkeit mehr gegeben hat. Für die heutigen Jugendlichen unvorstellbar, dass es – wenn überhaupt vorhanden – einen schwarzen Apparat im Haushalt gegeben hat, der mit einem Kabel aus der Wand heraus verbunden war, und sich aufgrund der Wählscheibe und eines Knopfes am rechten unteren Ende (Viertelanschluss) als Telefon herausgestellt hat.
Genauso unvorstellbar, dass die ersten Computer in den Unternehmungen, ausgestattet mit einem einfachsten Betriebssystem auf MS-DOS-Basis, mehr oder weniger nur einfache Rechenoperationen und nur geringe Speicherungsmöglichkeiten angeboten haben, oder selbst die sogenannten Hosts in den Rechenzentren nur Bruchteile der Leistungsfähigkeit eines heutigen Smartphones hatten.
Oder in anderen Worten: Vom Kopfrechnen und händischem Schreiben über die Rechen- und Schreibmaschine zur Künstlichen Intelligenz – und das alles in nicht einmal einem Menschenleben – ganz schön spannend, oder? Oder vielleicht doch bedrohlich? Das empfinden wir wohl alle unterschiedlich, aber wegzudenken und zu -diskutieren ist diese heutige digitale Welt nicht mehr. 
Das ist die Welt in der wir leben. Im privaten Umfeld könn(t)en wir den Weg definieren, den wir gehen wollen. Im unternehmerischen Kontext ist das wohl eher Vorgabe und unabdingbare Verpflichtung, die Möglichkeiten der Digitalisierung in den unterschiedlichsten Aufgaben und Prozessen zu nutzen. Schon allein deshalb, weil zur Aufrechterhaltung der heutigen Wirtschaftskreisläufe gar nicht mehr ausreichend menschliche Ressourcen vorhanden sind.
Bei zwei Themen stehen wir alle gerade wieder an einer bedeutenden Weichenstellung. Zum einen bei der künftigen Nutzung der Künstlichen Intelligenz und zum anderen bei der von der EZB angedachten Einführung eines digitalen Euro.
Wenn bei ersterem die Diskussion eine breit angelegte und zum Teil noch kontroversielle ist, so ist eine solche – aus meiner Sicht: dringend notwendige – Diskussion bei zweiterem noch nicht gegeben. Hier brütet die EZB seit längerem im eigenen „Dunstkreis“ an einer Idee. Das Motto scheint zu lauten: Wenn es private Kryptowährungen schaffen können, sich die Möglichkeiten der Blockchain Technologie zunutze zu machen, dann muss das die EZB als oberste Währungshüterin des Euro auch können, dürfen, ja sogar müssen. Oder jetzt doch etwas sachlicher und nüchterner aus Sicht der EZB formuliert: 80 Prozent aller elektronischen Zahlungen werden von nur zwei US-amerikanischen Finanzdienstleistern transferiert. Daher soll der Digital-Euro die strategische Autonomie Europas in Bezug auf den internationalen Zahlungsverkehr stärken. Anders als bei den „Bitcoins“ dieser Welt wird die EZB dann auch für den Wert dieser digitalen Währung garantieren. 
Aus der Sicht vieler Ökonomen geht es dabei aber nicht (nur) um eine neue Zahlungstechnologie, sondern es handelt sich dabei um einen grundlegenden Eingriff in unser Geld- und Finanzsystem und damit um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Gerne möchte ich auf die Argumente beider Seiten näher eingehen und freue mich, wenn sie geschätzte LeserInnen sich damit auf die nächste Ausgabe vertrösten lassen.

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