Das Paradoxe an der Verbotsgesellschaft
Immer noch mehr Details wollen die Protagonisten der Verbotsgesellschaft geregelt haben, und der Schaden, der den Bürgern damit zugefügt wird, ist immens. „Spiegel“-Redakteur Alexander Neubacher warnt in „Thema Vorarlberg“ zu Recht vor den Folgen, wenn er feststellt: „Wir müssen realisieren, wie hoch der Preis ist, den die Gesellschaft zu zahlen hat, wenn immer noch mehr reguliert wird.“ Jeder freie Raum soll erstickt und der Bürger damit genormt und geregelt werden, auf Kosten seiner Freiheit, auf Kosten seiner Entfaltungsmöglichkeiten.
Das Paradoxe an der Verbotsgesellschaft ist allerdings, dass sich ihre Vertreter zwar um Unwichtiges bis ins kleinste Detail kümmern, gleichzeitig aber nicht die Kraft haben, elementare Sachen auch nur ansatzweise zu regeln. Die Verbotskultur akzeptiert Unglaubliches – und regelt Banales. Die Europäische Union ist da das beste Beispiel: Sie ergeht sich in zigtausenden Detailregelungen, hat aber auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit keine Antwort – in der Sicherheitspolitik, in der Arbeitsmarktpolitik, in der Flüchtlingsfrage.
Wer aber mit Vehemenz solche Antworten, etwa in der Flüchtlingspolitik, einfordert, wird auf europäischer und auf nationaler Ebene sofort diskreditiert, von denselben Vertretern der Einheitsmoral, denen es ansonsten nicht genügend Normen und Regeln geben kann. Ein Beispiel? Eine nicht gegenderte Diplomarbeit wird gar nicht erst gelesen, sie wird zurückgewiesen; wer aber nach den Vorfällen der Kölner Silvesternacht, mit denen die Täter ein unfassbares, mit den Werten der westlichen Welt nicht einmal ansatzweise vereinbares Frauenbild dokumentiert haben, eine härtere Gangart fordert, wird rüde kritisiert.
Die Verbotsgesellschaft zeigt in solchen Fällen, was sie ist: eine Gesellschaft der Heuchler. Was in die verordnete Moral passt, wird honoriert, Abweichendes dagegen nicht akzeptiert. Der österreichische Philosoph Robert Pfaller hat in „Thema Vorarlberg“ einmal gesagt: „Die pedantischen Regelungen im Kleinen sollen von der Fahrlässigkeit im Großen ablenken.“ Sebastian Kurz, das sei anerkennend erwähnt, hat in der Flüchtlingsfrage die Kraft und den Mut bewiesen, Politik auch gegen verordnete Denkvorschriften zu machen. Kurz ist allerdings einer von wenigen, die sich das trauen. Dabei wäre schon viel gewonnen, könnte man Wesentliches öffentlich ansprechen, ohne dass die selbsternannten Moralapostel über einen herfallen.
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