Peter Freiberger

Die Kirche soll im Rheindorf bleiben

Juli 2015

Der SCR Altach, mit 59 Punkten in der vergangenen Bundesligasaison bester Aufsteiger aller Zeiten, steht vor einem herausfordernden zweiten Jahr in der höchsten österreichischen Spielklasse.Führt der Weg noch weiter nach oben? Oder droht gar die Fahrt im Paternoster retour? „Platz 6 oder 7 halte ich für realistisch“, meint Altach-Legende Alexander Guem.

Fast 100 Bundesligaspiele für die aktuelle Nummer eins Vorarlbergs hat der heute 38-Jährige in den Beinen. Guem gehörte der Aufstiegsmannschaft 2006/07 an und ist inzwischen sportlicher Leiter der Amateure sowie der 1B-Mannschaft. „Jahr zwei und drei werden gefährlich“, warnt Guem, zumal die Erwartungshaltung weiter steige.

„Das Spieljahr 2014/15 zu toppen, halte ich jedenfalls für sehr schwierig“, sagt der ehemalige defensive Allrounder. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wiener Austria, die gerade ordentlich aufrüstet, und Sturm Graz neuerlich hinter dem – vermeintlichen – Provinzklub platzieren, liegt wohl bei wenigen Prozent. Es wird auch angezeigt sein, den Blick vorsichtshalber nach unten zu richten, um nicht in ungemütliche Tabellenregionen abzurutschen. „Mit den Füßen am Boden bleiben, die Kirche im (Rhein-)Dorf lassen“, lautet die Devise von Guem.
Blicken wir noch einmal zurück auf die Rekordsaison. Aufbruchstimmung, große Euphorie, eine sportliche Leitung, die einen erstklassigen Kader zusammenstellte, und mit Damir Canadi ein Trainer, der das richtige Gespür für die Mannschaft zeigte – so sahen die Ingredienzen für das Festmenü aus, das man schließlich den Fans präsentierte.

Kader hat enorme Qualität

Jetzt gilt es zu beweisen, dass der Riesenerfolg keine Eintagsfliege war. Braucht es dafür Verstärkungen? Guem: „Nicht wirklich, denn der Kader hat eine enorme Qualität. Und auf dem Trainerstuhl sitzt ohnehin der absolut richtige Mann für das Team. Er vermittelt jedem Spieler das Gefühl, wichtig zu sein.“

Stichwort „wichtig“: Die Meisterschaft muss Priorität genießen, meint Guem. Freilich – nicht nur mit einem Auge blicken Fans und Spieler in Richtung Europa League. Hier feiert der SCR Alt­ach eine Premiere für das ganze Ländle. Noch nie zuvor hat sich eine Vorarlberger Mannschaft für einen europäischen Klubwettbewerb qualifiziert.

Es handelt sich um die Kür, die die Altacher am 30. Juli und 6. August in der dritten Qualifikationsrunde für die Europa League absolvieren – eine Kür, die schon prominenteren Teams in namhafteren Ligen zum Verhängnis wurde. Dafür reicht ein Blick nach Deutschland: Dort kämpfte beispielsweise der SC Freiburg 2013/14 in der Bundesliga gegen den Abstieg – eine Situation, die überwiegend der Zusatzbelastung durch die Europa League geschuldet war. Ein Jahr später kam es dann ganz dick: Die Breisgauer stiegen ab.

„Das Problem der Mehrfachbelastung sehe ich nicht“, sagt Alexander Guem. „Verein und Spieler müssen die Europa League als Zugabe und Zuckerl betrachten, als Highlight genießen. Sie bringt dem Klub ja außerdem gute Zusatzeinnahmen.“ Negative Folgen des Ausflugs in die europäische Fußballwelt erwartet das Altacher Urgestein jedenfalls keine. Dafür garantiere allein schon Erfolgstrainer Canadi.

Wunschlos Borussia Dortmund

Mehrfachbelastung hin oder her – in Altach grassiert das Europa-League-Fieber. Das hat natürlich auch Guem erwischt. Der wünscht sich von der Glücksfee bei der Auslosung am 17. Juli in Nyon keinen Gegner aus Regionen wie Nordsibirien oder Ostkasachstan. Ginge es nach Guem, würden Mats Hummels, Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus zum Tête-à-Tête bitten. Der BVB aus Dortmund gegen den SCR aus dem Rheindorf – bei einer solchen Konstellation bekäme wohl jeder halbwegs Sportinteressierte in Vorarlberg Gänsehaut. Und die Dortmunder wissen ja von einem Trainingslager in der Schweiz und einem Testspiel in Altach, wo Aigner und Co. normalerweise kicken.

Freilich – das Fußballfest auf europäischer Ebene hat einen Haken. Während der Rasen in der Cashpoint Arena auf internationale Maße erweitert wird und eine Heizung erhält, die Flutlichtanlage mehr Power und die Westtribüne rund 450 zusätzliche überdachte Sitzplätze bekommt, müssen die Kicker und Fans nach Innsbruck ausweichen. Das Heimspiel in der Europa League findet im Tivolistadion statt. „Um einen wirklichen Vorteil handelt es sich dabei nicht“, meint Alexander Guem. Daheim sei schließlich daheim.

Gegen den BVB oder andere potenzielle Hochkaräter wie Southampton, Sampdoria Genua oder Athletic Bilbao scheinen die Chancen der Altacher aber wohl minimal – ganz unabhängig vom Austragungsort des Heimspiels. Der eine oder andere „No-Name“ wäre allerdings schon machbar, glaubt Guem, der Aufstieg in die Play-offs bei einer solchen Konstellation keine Utopie.

Insgesamt sollten die Altacher jedoch der Meisterschaft Vorrang einräumen. Sich vorerst auch mit realistischen Platzierungen wie Rang 6 oder 7 zufrieden geben, sich längerfristig in der Bundesliga etablieren und im Laufe der Zeit Europa-League-Plätze anpeilen – so sieht der Masterplan des Urgesteins aus. Nachsatz: „Träume sind aber trotzdem erlaubt.“

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