Stefania Pitscheider Soraperra

ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Seit 2009 leitet sie das Frauenmuseum Hittisau, das einzige Frauenmuseum Österreichs, das seit über 20 Jahren Frauengeschichte und Frauenkultur sichtbar macht. In diesem Jahr wurde ihr Museum mit einer Special Commendation beim European Museum of the Year Award 2021 bedacht.

Wolfgang Greber

* 1970 in Bregenz, Jurist, seit 2001 bei der „Presse“ in Wien, seit 2005 im Ressort Außenpolitik, Sub-Ressort Weltjournal. Er schreibt auch zu den Themen Technologie, Raumfahrt, Militärwesen und Geschichte.

Gendergerechte Sprache Sinnvoll oder nicht sinnvoll?

April 2021

ZiB-Moderator Tarek Leitner polarisiert, indem er in seinen Beiträgen seit einiger Zeit durch eine kurze Sprechpause das Binnen-I, respektive den Gender-Stern *, hörbar macht. Leitner sagt, dass die Debatte mittlerweile zugunsten des Sprach-Genderns entschieden sei und „die Gesellschaft“ das so beschlossen habe. Ist dem so? Die gesellschaftlich höchst kontrovers geführte Debatte greifen wir an dieser Stelle auf: Stefania Pitscheider Soraperra, die Direktorin des Frauenmuseum Hittisau, und Wolfgang Greber, Redakteur der Tageszeitung „Die Presse“ diskutieren die Frage, ob gendergerechte Sprache Sinn macht.

Ich beginne mit einer persönlichen Geschichte: Als unser Sohn im Gymnasium Schillerstraße eine Schularbeit ausschließlich in weiblichen Formen schrieb und unter seinen Text den Satz hinzufügte, mit dem generischen Femininum seien alle Geschlechter mitgemeint, wurde er von seinem Deutschlehrer gerügt. Dieser selbe Lehrer hatte seinen Schüler*innen immer wieder gesagt, es reiche völlig aus, in einem kleinen Satz unter dem Text klarzustellen, dass mit dem generischen Maskulinum alle Geschlechter mitgemeint seien. Offenbar wurde dem Lehrer aber erst durch die Umkehrung bewusst, dass damit ein einseitiges Bild vermittelt wird. Er konnte und wollte sich als Mann in der weiblichen Form nicht wiederfinden.
So geht es unzähligen Frauen tagtäglich, wenn sie unter Begriffen wie „die Lehrer“, „die Schüler“, „die Ärzte“ oder „die Arbeiter“ subsumiert werden. Die Annahme, dass die alleinige Verwendung männlicher Bezeichnungen auch alle Geschlechter „mitmeine“, ist schlichtweg falsch. Das belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Wo ausschließlich Männer angesprochen werden, wird letztlich auch ausschließlich an Männer gedacht. Wird etwa die Frage nach fünf Sportlern gestellt, nennen die meisten Menschen fünf männliche Sportler. Fragt man nach Sportlerinnen oder Sportler, liegt das Ergebnis in etwa in der Mitte. Als eine Form geschlechtergerechter Sprache eignet sich das generische Maskulinum daher nicht. 

Es geht um Sichtbarkeit und Respekt

Kritiker*innen geschlechtergerechter Sprache führen gerne an, dass die „echte“ Diskriminierung wichtiger sei als die sprachliche. Sprache drückt aber unsere Haltung zur Welt aus, zum Miteinander, zu Ausschluss und Inklusion. Wir brauchen daher eine Sprache, die einen differenzierten Blick öffnet. Ob das in der Schriftsprache über ein Gendersternchen (Lehrer*in), ein sogenanntes Binnen-I (LehrerIn), ein Gender-Gap (Lehrer_in) oder Gender-Doppelpunkt (Lehrer:in) zum Ausdruck kommt, ist für mich von zweitrangiger Bedeutung. Allen Schreibweisen gemeinsam ist, dass sie alle Geschlechter auf respektvolle Art und Weise ansprechen und sie sichtbar machen wollen. Das vielfach angeführte Argument der Unlesbarkeit ist nicht stichhaltig. Es ist eine reine Gewohnheitssache. Oder schreiben Sie heute noch wie vor zweihundert Jahren? 
Wie einfach es ist, auch in der gesprochenen Sprache geschlechtergerecht zu kommunizieren, zeigen in letzter Zeit die Nachrichtensprecher*innen der „ZiB“. Ausnahmslos alle Anchorwomen und Anchormen verwenden ganz selbstverständlich sowohl die weiblichen als auch die männlichen Formen. Und wenn’s zu umständlich wird, markieren sie die Begriffe mit einer kurzen Wortunterbrechung, dem sogenannten Glottisschlag oder glottal stop. Tarek Leitner ist darin besonders gut. Schwerfällig ist das Zuhören deswegen nicht. Das ist inzwischen so selbstverständlich geworden, dass es vielen Menschen kaum mehr auffällt. 
Es geht also nur darum, dass wir uns alle daran gewöhnen. Es ist eine Eigenschaft der Sprache, in ständiger Veränderung zu sein. Und das ist gut so.

Bürgermeister: Wie gendert man das? Höflich ist „Bürgermeister und Bürgermeisterinnen“. Politisch Korrekte kennen auch „BürgermeisterInnen“, „Bürgermeister*innen“ etc. Wie wär’s mit „Bürgermeisternde“? Aber was ist mit den „Bürgern“? Wo sind die Frauen? Es muss doch heißen „BürgerInnenmeisterInnen“ oder so. Ein Exempel für den Unsinn, den die Ideologie gendergerechter Sprache auswürgt. Einwände wie üble Lesbar- und Verständlichkeit, grammatische Fehlkonstrukte und Ablenkung vom Inhalt prallen an Befürworter*innen ab. Wer sie äußert, ist böse, ganz rechts. Und Mann. Genderanten ignorieren den Unterschied vom biologischen zum grammatischen Geschlecht (Sexus/Genus: der Vater, die Oma / der Most, die Lüge), dass beide selbst bei Menschen nicht ident sein müssen (das Mädchen). Und dass das für Gruppen (die Bürger) und Kategorien (der Bürger, der Mensch) stehende generische Maskulinum (GM) nur so heißt, aber eine asexuelle All-Inclusive-Hülle für jedes Geschlecht und jede Befindlichkeit dazwischen ist. Frauen sind nicht „nur mitgemeint“: Alle sind mitgemeint! Sagen wir „generisches Asexualium“ oder „Pauschalplural“, vielleicht hilft das. Für Frauen gibt’s eine Plural-Sexus-Extrawurst (Bürgerinnen)! Das GM (die Bürger) meint Männer im Zweifel mit, aber nicht exklusiv; und sie kriegen im Plural „die“ als Artikel. Klingt feminin, ist da aber geschlechtslos. Gendern ist Produkt einer Konstruktivisten-Irrlehre, die Feministen ins Buchstabenmüsli zur (Zwangs)Ernährung des Volksmunds rührten, um durch Sprachänderung die Welt zu ändern. Solch sprachmagische Ideen überschätzen die Macht der Wörter. Mit Gender-Abrakadabra werden Dämonen eher geweckt als verjagt, Männer Frauen nicht höher ehren oder diese mehr verdienen. Polit-Sprachmanipulation ist heikel, siehe diverse Regime und den „Neusprech“ in Orwells „1984“. Und nun gendert ORF-Mann Tarek Leitner beim Moderieren. Gern durch eine kurze Pause vor dem Binnen-I bzw. Genderstern (*). Das soll alle Geschlechter/Gender inkludieren. Wie kommt man drauf, Menschen mit einem Stern zu markieren und in Schweigespalten zu betten? Leitner meint, es sei „vorbei“ mit dem GM: „Die Diskussion ist wohl beendet“, „Damit will ich nicht wieder beginnen“. „Die Gesellschaft hat die Übereinkunft getroffen, dass das mit dem generischen Maskulinum nicht mehr geht.“

Gendern spaltet und nervt

Leitner locutus, causa finita? Seit wann ist die Debatte vorbei? Welche Gesellschaft beschloss das? Gab’s ein Referendum? Hat man Sie gefragt? Umfragen zur Akzeptanz des Genderns fallen meist negativ aus, mit Ablehnungs- und „Unwichtig“-Raten von 50 bis 80 Prozent. Welch autoritäre, moralinsaure Attitüde. Fühlt sich da ein Journalist als „Gesellschaft“? Oder meint er gendernde Partikulargesellschaften etwa in Medien und Unis? Sie sollten der Allgemeinheit nicht ihren Willen aufzwingen. Gendern spaltet und nervt. Sprachänderungen setzen sich durch, wenn sie keinen Mehrheitsunfrieden stiften.
Ich bevorzuge natürlich gewachsene, gendertechnikfreie Sprache aus biologischer Sprachwirtschaft ohne ideologisch gedüngte Grammatik. Und benütze bisweilen weibliche Pluralformen. Aus Höflichkeit.

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