Stefania Pitscheider Soraperra

ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Seit 2009 leitet sie das Frauenmuseum Hittisau, das einzige Frauenmuseum Österreichs, das seit über 20 Jahren Frauengeschichte und Frauenkultur sichtbar macht. In diesem Jahr wurde ihr Museum mit einer Special Commendation beim European Museum of the Year Award 2021 bedacht.

Vom Frieden in Zeiten des Krieges

März 2024

Im Zusammenhang mit Krieg ist meist von Männern die Rede – von tapferen Soldaten, kriegstreibenden Generälen, verrückten Diktatoren oder kämpferischen Präsidenten. Aber Krieg ist nicht minder Frauensache. Die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind Frauen und Mädchen. In bewaffneten Konflikten sind sie geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Und diese Gewalt dauert oft auch nach den Kriegshandlungen an. 
Aber Frauen sind nicht nur Opfer. Oft sind es gerade sie, die in Friedensprozessen eine aktive Rolle einnehmen. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg, Gewalt und Waffen. In Frieden zu leben, heißt, sicher zu leben, keine Angst vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu haben. Frieden ist kein Projekt für Individuen. Er ist ein gemeinschaftlicher Prozess, bei dem Konflikte nicht durch Waffen, sondern durch Verhandlungen, Netzwerke, Gruppen, Allianzen gelöst werden. Frauen zeigen weltweit Widerstandsfähigkeit, Erfinderinnengeist und Mut bei der Bewältigung der Probleme in Kriegs- und Nachkriegszeiten. In allen Teilen dieser Erde spielen sie eine wichtige Rolle als Vermittlerinnen zwischen verfeindeten Gruppierungen. Sie dokumentieren Kriegsverbrechen und suchen nach Lösungen. Sie sind es oft, die die Kraft zum Wiederaufbau ihres eigenen Lebens und jenes ihrer Familien aufbringen. Sie arbeiten mutig und unbeirrt daran, patriarchale Machtstrukturen aufzubrechen, neue Perspektiven zu eröffnen, Wege des Friedens zu zeichnen.

1136 Frauen
In Zeiten des Krieges müssen wir über Frieden sprechen. Das wussten auch jene Frauen, die sich 1915 im niederländischen Den Haag zum Internationalen Frauenfriedenskongress trafen. Mitten im Ersten Weltkrieg organisierten die Juristin Anita Augspurg und ihre Lebensgefährtin, die Frauenrechtlerin Lida Gustava Heymann, gemeinsam mit der niederländischen Ärztin und Pazifistin Aletta Jacobs einen Kongress, an dem 1136 Frauen aus zwölf Nationen teilnahmen. Die Frauen erarbeiteten dabei einen Forderungskatalog an die Nationen der Welt, der seiner Zeit weit voraus war. Sie forderten einen ständigen Internationalen Gerichtshof und legten damit den Grundstein für jenen Internationalen Gerichtshof, der heute seinen Sitz in Den Haag hat. Sie gründeten ein Gremium, das bis heute existiert und einen Beraterstatus bei den Vereinten Nationen hat: die „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“. Und sie verurteilten aufs Schärfste Massenvergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung.
Als 411 vor unserer Zeit Aristophanes sein pazifistisches Theaterstück „Lysistrate“ verfasste, gab es auf dem Peloponnes schon 20 Jahre Krieg zwischen Sparta und Athen. Im Stück geht es um den Kampf einiger Frauen gegen die Männer als Verursacher von Krieg. Als der Ratsherr den Frauen vorwirft, sich in den Krieg einzumischen, obwohl dieser sie als Frauen nichts angehe, antwortet Lysistrate: „Wie? Trifft [der Krieg] nicht doppelt und dreifach uns Frauen? Wir haben die Knaben geboren. Wir haben gewappnet ins Feld sie geschickt. […] Wärt ihr bei Sinnen, so behandeltet ihr die Geschäfte des Staats akkurat wie wir Frauen die Wolle!“ Lysistrate plädiert dafür, Staatsapparate zu entfilzen, die Gesellschaften zu kämmen und zu einem vereinenden wollenen Mantel neu zu weben. Sie spricht also von Frieden, Kooperation, Völkerverständigung.
Ist es naiv, in Zeiten des Krieges über Frieden zu sprechen? Ich denke nicht. Denn wir brauchen andere Lösungen als einen neuen Weltkrieg. Und wir brauchen Frauen und Männer, die sich dafür einsetzen. Für den Frieden zu sein bedeutet nicht, Konflikte zu scheuen. Konflikte können oft der Motor für Veränderung sein – denken wir an Frauenrechte, an Arbeitnehmer:innenrechte, an den Sturz unrechter Regime. In einer Welt, die von Vielfalt und unterschiedlichen Ansichten geprägt ist, sind Konflikte unvermeidlich. Aber anstatt sie zu fürchten, sollten wir sie als Chance sehen, Missverständnisse zu klären, Ungerechtigkeiten anzugehen und echten Wandel herbeizuführen.
Konflikte ermöglichen es uns, unsere Standpunkte zu überdenken, neue Perspektiven einzunehmen und Kompromisse zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Sie fordern uns heraus, über unseren Tellerrand hinauszuschauen und nach Lösungen zu suchen, die über den Moment hinausgehen und langfristigen Frieden fördern. Doch während Konflikte oft unvermeidlich sind, ist es entscheidend, wie wir mit ihnen umgehen. Statt auf Gewalt oder Unterdrückung zu setzen, sollten wir auf Dialog, Empathie und Kompromissbereitschaft setzen. Nur so können wir echte Veränderungen bewirken und langfristigen Frieden aufbauen. Die Frage ist also vielmehr, wie wir eine neue Konfliktkultur etablieren können.

Frauen, Frieden, Freiheit, Demokratie
2025 jähren sich die Bauernkriege zum 500. Mal. Sie waren eine entscheidende Periode des sozialen Aufstands in der europäischen Geschichte, in der unterdrückte Bäuer:innen und Arbeiter:innen gegen feudale Herrscher:innen aufbegehrten. Diese Rebellionen zeigten den Willen der Unterdrückten, für ihre Rechte und Würde zu kämpfen und trugen zur Entwicklung moderner Konzepte von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit bei. Aus diesem Anlass und im Rahmen eines Interreg-Projektes, an dem elf Institutionen in Vorarlberg, Baden-Württemberg und Bayern teilnehmen, widmet sich das FMH Frauenmuseum Hittisau zahlreichen Fragen rund um Freiheit, Frieden und Demokratie im Spiegel von Geschlechtergerechtigkeit.

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