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Marktplatz für dunkelste Geschäfte
Passwörter, Zugänge zu fremden Rechnern, Drogen, Kinderpornos, Waffen, Sprengstoffe – im sogenannten Darknet können Cyberkriminelle (fast) alles kaufen. Die Masterminds dieses Netzes im Netz sitzen weit entfernt von Vorarlberg, Opfer gibt es aber auch hier im Land.
Das Internet – schier unendliche Weiten, beinahe wie das Weltall, möchte man fast sagen. Und irgendwo da drin existiert eine eigene Welt, die nur ganz wenige kennen. Darknet heißt dieser „Untergrund“, der die willkommene Spielwiese für zwielichtige Gestalten und professionelle Verbrecher bildet.
Das herkömmliche Internet dient als Transportmedium für das dahinterliegende Darknet. Dorthin, in die hochkriminellen Bereiche, gelangt man nur mit einer persönlichen Einladung. Behörden bekommen eine solche Einladung natürlich nicht und tun sich sehr schwer, die Wege und Pfade in dieser Cyberunterwelt zu finden.
Beim Darknet handelt es sich um eine weltweite und entsprechend vernetzte Erscheinung. Wegen der internationalen Zusammenhänge ist grundsätzlich das Bundeskriminalamt damit betraut, den darin aktiven Cyberkriminellen das Handwerk zu legen. „Teilnehmer am Darknet finden sich freilich auch in Vorarlberg, und Opfer hat es hier ebenfalls schon gegeben“, weiß Chefinspektor Harald Longhi, der sich im Landeskriminalamt in Bregenz mit Internetkriminalität beschäftigt.
Kriminelle Aufgabenteilung
Täter, die sich im Darknet organisieren, teilen sich ihre kriminellen Aufgaben auf. Dies sieht dann – vereinfacht beschrieben – folgendermaßen aus: Einer infiziert einen Rechner, ein Zweiter beobachtet, was auf dem Rechner alles zu finden ist und ordnet ihn in eine bestimmte Kategorie ein, ein Dritter verkauft die von diesem Rechner gestohlenen Daten im Untergrund. Auf diese Weise gelangen Kontoinformationen, E-Mail-Adressen und andere sensible und geheime Informationen für viel Geld in die falschen Hände.
Das Darknet macht keinen Halt vor dem scheinbar beschaulichen Ländle. Im besonderen Visier der Cyberkriminellen stehen größere Unternehmen. Harald Longhi erinnert sich an einen Fall: In die Kommunikation zwischen zwei Unternehmen mischte sich ein Dritter ein. Der verfügte über Wissen über das Geschäft, das gerade zur Abwicklung stand, und schien völlig unverdächtig. Er gab eine Änderung jenes Kontos bekannt, auf das das Geld für eine Bestellung überwiesen werden sollte. Fazit: Mehrere 100.000 Euro landeten in falschen, in kriminellen Händen – und waren verloren.
In diesem Fall entstand enormer materieller Schaden. Um große Summen drehen sich die kriminellen Machenschaften im Darknet immer, oft steht allerdings mehr als bloß Geld auf dem Spiel – nämlich die Ehre. Für Cyberkriminelle stellt es beispielsweise keine unüberwindbare Hürde dar, gezielt den Ruf und das Ansehen einer Person oder einer Firma zu schädigen. Die Herstellung des auf solche Weise ruinierten Rufs kann anschließend zur Lebensaufgabe werden. Gleichzeitig verdient ein Krimineller im Untergrund satt an dem schmutzigen Geschäft.
Die großen Köpfe des Darknets befinden sich wohl nicht vorwiegend in Europa. „Meinem Bauchgefühl nach sitzen die Masterminds hauptsächlich in Asien, in den Ländern der früheren UdSSR und in Regionen mit starker organisierter Kriminalität“, meint Internetexperte Longhi. Ermittlungserfolge gegen die Szene gab es in den vergangenen Jahren jedoch auch in Europa und in den USA.
Internetspezialisten ohne Zukunft
Wie muss man sich einen Cyberkriminellen vorstellen, der von der Unterwelt des Internets aus seine kriminellen Fäden zieht? Longhi: „Es handelt sich um hochintelligente Spezialisten mit Studium und enormem Computer- und Internetwissen, denen sich im eigenen Land kaum berufliche Perspektiven bieten. Deshalb suchen sie ihr zweifelhaftes Glück im Darknet.“ Ihnen auf die Spur zu kommen und sie zu überführen, gestaltet sich äußerst schwierig. Sobald die Behörden ihnen auf den Fersen sind, machen sie in der Regel schon wieder einen Schritt nach vorn und verfügen erneut über einen Vorsprung – ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem die Maus meist schneller ist.
Das Innenministerium hat bereits junge Hacker kontaktiert, um sie zur Mitarbeit und zum Kampf gegen Cyberkriminelle anzuwerben. Riesig fiel das Echo bisher allerdings nicht aus. Der Hauptgrund: Der Lohn als Polizist fällt geringer aus als der eines IT-Sicherheitsspezialisten in der Privatwirtschaft.
„Teilnehmer am Darknet und an Kinderpornokreisen organisieren sich ähnlich“, sagt Harald Longhi. Und sie haben noch etwas gemein. Longhi: „Fast alle entwickeln im Laufe der Zeit Symptome wie bei einem Verfolgungswahn.“ Ein beträchtlicher Preis, den sie für ihre kriminellen und perfiden Machenschaften bezahlen.
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