Eva Niedermair

Redakteurin
Thema Vorarlberg

„Mental Load“ – die unsichtbare Last

Juli 2023

Wie alltägliche Aufgaben, resultierend aus traditionellen Rollenbildern, vor allem für Frauen zur Belastung werden – und welche Wege es aus dieser teilweise immensen Belastung gibt.

Der Begriff Mental Load ist relativ neu“, sagt Christa Bauer, Psychologin beim femail Fraueninformationszentrum Vorarlberg. Und dennoch subsumiert der Begriff alles, was darunter zu verstehen ist. Denn „das, was dahintersteckt, das Thema an sich, gibt es schon lange“, betont Bauer. Ob das nun der nächste Arzttermin der Kinder ist, der Geburtstag der Schwiegermutter, das Einzahlen von wichtigen Rechnungen, der wöchentliche Einkauf oder die Buchung des Familienurlaubes. Mental Load meint die Mehrfachbelastung, der viele Frauen tagtäglich ausgesetzt sind.
Die Rollenanforderungen sind unterschiedlich: Erwerbstätigkeit, Sorgearbeit (dazu zählen beispielsweise die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen) und anderes führen zu einer hohen Belastungsdichte. Und der ständige Wechsel zwischen diesen verschiedenen Rollen kann mit zunehmender Dauer mitunter sogar zu Erschöpfungszuständen führen. 
„Daher ist es gut, dass es für diese Art von Erschöpfung einen Ausdruck gibt, denn erst dadurch wird die unsichtbare Denk- und Organisationsarbeit im Rahmen des Familienmanagements sichtbar“, sagt die Psychologin. Der Begriff definiert also dieses „Sich-verantwortlich-Fühlen“, eine Auffassung, die vor allem Frauen in sich tragen. 
Selbst wenn viele Männer Aufgaben rund um Haus und Sorgearbeit übernehmen, sind dies letztlich oft nur „Hilfsarbeiten“ und die tatsächliche Last ist wieder den Frauen überlassen. Das sind Tätigkeiten, wie die Kinder von der Schule oder vom Kindergarten abzuholen oder sie beispielsweise in die Musikschule oder zum Schwimmunterricht zu bringen. Die tatsächliche Arbeit ist aber nicht nur das Hinbringen und das Abholen der Kinder, sondern die Organisation, die all diese Aktivitäten erfordert. All das sind Dinge, die meistens Frauen organisieren, und damit von der innerlichen und äußerlichen Aufgabenliste streichen; einer Liste, die - nebenbei bemerkt - scheinbar niemals endet. 
Die erfahrene Psychologin erklärt das Phänomen damit, dass „reproduktive Aufgaben“, wie klassische Haushaltstätigkeiten und Sorgearbeit gesellschaftlich mehrheitlich noch immer Frauen zugeschrieben werden. Frauen sind daher auch stärker von Mental Load betroffen. Traditionelle Rollenbilder in der Herkunftsfamilie, die eigene Sozialisation und die gesellschaftliche Rollen­erwartung bestärken dieses Gefühl der Zuständigkeit für das gesamte Management rund um den familiären oder auch partnerschaftlichen Alltag. Als Antwort auf diese permanente Überforderung suchen die meisten Frauen noch bessere Planungsinstrumente und Möglichkeiten, um ihren Alltag zu strukturieren. 
Die Folge davon sind oft permanente Selbstzweifel und Schuldgefühle gegenüber den Kindern oder anderen Familienangehörigen. Schließlich ist auch Teil des Phänomens des Mental Load, dass sich viele Frauen stärker in die Gefühlsarbeit der Familie einbringen und sich dadurch mehr dafür verantwortlich fühlen, dass es allen Familienmitgliedern gut geht. 

Wege aus dem Mental Load
Die gute Nachricht ist aber: Es gibt Möglichkeiten, den Mental Load aufzuteilen. Dazu ist es zunächst wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, und zu erkennen, welche Aufgaben zum Mental Load beitragen. Der Mental Load Fragebogen der „Initiative Equal Care“ bietet dazu eine wertvolle Unterstützung, zu finden unter mental-load-test.org. Darin sind verschiedene Tätigkeiten angeführt, die Partnerin (und Partner) angeben können, ob sie die betreffende Tätigkeit bereits ausführen, oder daran denken, oder beides. Am Ende gelangt man zu einer Auswertung, wer von den beiden wie viel Mental Load auf sich trägt. Diese Aufstellung kann ein wichtiger Grundstein für nachfolgende Gespräche sein, um Aufgaben und die dazugehörige Verantwortung über die Erledigung mit allen Tätigkeiten fairer aufzuteilen. 

Wie eine bessere Aufteilung gelingt
Christa Bauer sagt, das Problem auch in modernen Partnerschaften sei oft, „dass automatisch davon ausgegangen wird, dass Frauen für die Sorgearbeit zuständig sind und Männer mithelfen.“ Auf der anderen Seite wird von Männern meist erwartet, Vollzeit erwerbstätig zu sein und von Frauen, dass sie das Familieneinkommen in Teilzeit ergänzen. 
Diese Rollenstereotype gilt es in einer Beziehung zu hinterfragen, und die Vorteile einer gleichberechtigten Partnerschaft für beide sichtbar zu machen, zum Beispiel beiderseitige gute Beziehungen zu den Kindern aufzubauen, Verständnis für verschiedene Tätigkeiten aufzubringen, die Beziehungsqualität im Allgemeinen zu steigern. Dazu gehört auch eine eigenständige finanzielle Absicherung für beide, für Partnerin und Partner, zu organisieren. „Wichtig zu wissen ist aber, dass dieses Problem nicht grundsätzlich auf der individuellen Ebene gelöst werden kann“, führt Bauer aus. „Solange strukturelle Rahmenbedingungen nicht auf einer politischen Ebene verändert werden, wird es schwierig bleiben“, sagt sie. Was Christa Bauer meint: Die Förderung der Teilzeitarbeit für beide Elternteile und der Ausbau von qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen könnten Meilensteine sein. Ebenso die gesellschaftliche und betriebliche Akzeptanz der Väterkarenz auch in überwiegend von Männern ausgeführten Berufssparten. Die finanzielle Aufwertung der überwiegend von Frauen ausgeübten Berufe wären ein wichtiger Schritt, um viele Familien und damit viele Frauen zu entlasten. 
Mental Load ist übrigens nicht ein Phänomen, dass es nur in traditionellen familiären Konstellationen gibt; auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Paarbeziehungen übernimmt häufig einer der beiden mehr allgemeine Aufgaben als der Andere. 

Beratung und weitere Information gibt’s beim femail Fraueninformations­zentrum unter femail.at

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.