Wolfgang Greber

* 1970 in Bregenz, Jurist, seit 2001 bei der „Presse“ in Wien, seit 2005 im Ressort Außenpolitik, Sub-Ressort Weltjournal. Er schreibt auch zu den Themen Technologie, Raumfahrt, Militärwesen und Geschichte.

Mit Nazi-Schmähs spielt man nicht

November 2019

Wie ein flapsiger Sager bei einer Journalistendebatte in Tirol ideologisch bedingte Probleme der Medienwelt bloßstellte.

Bemerkenswertes trug sich heuer im Tiroler Bergdorf Alpbach zu: Im Rahmen des Forums Alpbach saßen Journalisten und Medienforscher zusammen, plauderten über den Zustand des Journalismus, orteten Bedrohungen – und sogar eine interne Gefahr: Nämlich Selbstzensur, zu viele ähnliche Meinungen und Themenwahlen sowie das Herdenverhalten vieler Medienleute vor dem Hintergrund einer Journalistenmehrheit im links-grünen Spektrum.
Dass das problematisch sein kann bis muss, fand sogar Armin Thurnher, der Bregenzer, der den Wienern die linksliberale Stadtzeitung „Falter“ macht. Und bemerkte „mit einem Augenzwinkern“, wie eine Reporterin schrieb, dass man eigentlich „einen Haus-Nazi braucht“, quasi als Meinungs-Alternativling.
Haus-Nazi. Aha. Gut, er hat das „augenzwinkernd“ gemeint, ironisch, überspitzt, er ist ja kein Böser. Aber man kann das ernster sehen: Dass du als Nicht-Linker der Redaktionsnazi bist – und das wohl schon, wenn du dich als Mensch der Mitte siehst, denn auch die ist rechts von links. Und wenn man den Sager grad extra durch eine linke Brille sieht, durch jene der hypersensiblen politisch Korrekten, die von mehreren Interpretationen einer Aussage stets die denkmöglich negativste als gemeint unterstellen, muss man folgern, dass alle, die nicht links ticken, zu Nazis erklärt werden. 
Ein harter Vorwurf. Wir wissen, was Nationalsozialisten getan haben; jemanden Nazi zu nennen, rückt die Person in den Verdacht, sich im Sinn des Verbotsgesetzes zu betätigen. Aber seien wir nicht zu streng, es war nicht so gemeint. In Alpbach blieb der Schmäh folgenlos. Und er bewies einiges. Etwa, dass das Gros der Journos links tickt, bei uns gewiss seit Kreisky. Das wurde oft festgestellt, es gibt Studien dazu. In Österreich etwa erhob das Medienhaus Wien schon 2008 im „Journalisten-Report II“ durch Umfrage unter 500 Journalisten: 34% erklärten sich als den Grünen nahe, 9% hielten zur SPÖ, 14% zur ÖVP, ein Prozent zur FPÖ. Zwölf Prozent deklarierten sich nicht.
Zwar nannten sich 30 Prozent „neutral“, über ihr Wahlverhalten und jenes der Nichtdeklarierer kann man nur spekulieren. Aber schon der extreme Grün-Anteil ist auffällig und fern realer Wahlresultate. Rechnet man Neutrale und Nichtdeklarierer heraus, führt Grün gar mit 58,6% vor VP (24%), SP (15,5%) und FP (etwa 2%). Ergibt eine linke 75-Prozent-Mehrheit.
Umfragen in anderen Ländern bestätigen die Linksneigung der Mediengaleere. Das mag auch an den Aktivisten-, Weltveränderer-, Sozialmechaniker- und NGO-Genen in vielen Journalisten liegen. Aber der stille Zeitgeist im Volk tönt eben anders. Bei der Nationalratswahl jüngst betrug das klassische Verhältnis rechts/links gut 62:38 Prozent. Im Schnitt der 22 Wahlen von 1945 bis 2017 waren es 53,4:45,5, im Zeitraum 1995 bis 2017 schon 57:42 Prozent rechts/links.
Der Journalistenplanet ist also ein verzerrtes Abbild der Welt. Das hat peinliche bis üble Folgen: So liegen in einer aktuellen Umfrage zum Vertrauen in 31 heimische Institutionen die Medien an letzter Stelle. Sieger ist die Polizei vor Verfassungsgerichtshof und Bundespräsident. Die gesamtjournalistische Linksneigung trägt womöglich zur Stärkung der Rechten bei, wegen ideologisch motivierter Meinungs- und Moralvorträge und Themensetzungen, die der Masse wo vorbeigehen. Wir sehen anhand des Hausnazi-Schmähs auch, wie schnell man Nichtlinke ganz weit nach rechts rückt, und dass das auch Menschen der Mitte und solche, die sich nicht deklarieren, treffen kann. Letztlich ist klar, dass mit Begriffen wie Nazi heute unreflektiert und freizügig umgegangen wird. Was einem nicht passt, ist faschistisch, wer einem nicht passt, ein Nazi, rechts von links ist Naziland. Und so verlieren inhaltlich massive Begriffe durch inflationären Gebrauch an Wert. Wie schrieb der Wiener Schriftsteller Jean Amèry (1912-1978), selbst NS-Opfer: Das Wort „Faschismus“ habe durch „inflationären Gebrauch einen Begriffsumfang von so ungeheurem Ausmaß angenommen, dass sein Begriffsinhalt bis zu einem Nichts eintrocknete.“
Arik Brauer (90), der jüdischstämmige Maler, Sänger und Holocaustüberlebende, sagt in der „Presse am Sonntag“ (20. 10.): „Die Nazis, das war ein kultureller Einbruch in der Menschheitsgeschichte, der einmalig war. (…) Wer nach allen Richtungen mit den Begriffen Nazi und SS herumfuchtelt, der weiß nicht, wovon er spricht.“ Nein: Medien brauchen keine Haus-Nazis. Sie brauchen aber mehr Journalisten, die neutral sind, in der Mitte, ja sogar rechts. Und Linke, die sie nicht hoffärtig als Nazis diskreditieren.

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