Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Warum Demokratie unbequem sein muss

Februar 2020

Diesen Sätzen kann man als überzeugter Demokrat nur zustimmen, jedoch sollte man diese doch durch eine Analyse und eine nähere Betrachtung unterfüttern. Denn eines sollten wir nicht vergessen, die Gegner der Demokratie kommen seit fast 100 Jahren über die Demokratie und deren Wege an die Macht, um dann die Demokratie zu beseitigen oder auszuhöhlen. Die Demokratie schafft sich dann also selber ab. Und das geht nun mal nicht, weil damit letztlich die Legitimitätsgrundlage abgeschafft ist, auf der diese beruht. Oder geht es doch, dass sich eine Mehrheit in der Demokratie für die Abschaffung dieses politischen Systems entscheiden können soll? Das sind zwei grundlegend unterschiedliche Phänomene der Abschaffung der Demokratie. Während wir es im ersten Fall mit sichtbaren Gegnern auf der anderen Seite der Demokratie zu tun haben, sind WIR es im zweiten Falle als Mehrheit des Volkes selber, die die Demokratie abschafft. Im ersteren Fall müssen wir tatsächlich den Gegnern die Stirn bieten und möglicherweise braucht es wieder „Helden“, die über den gewöhnlichen Menschen hinausragen und den Mut aufbringen, die Stirn zu bieten. Das ist heute glücklicherweise immer weniger martialisch zu verstehen, aber immer mehr ökonomisch. Die „neuen Helden“ müssen also bereit sein, auch auf Kosten des materiellen Zugewinnes zu verlieren, wenn sie für die Demokratie einstehen. Die Narben, die dabei entstehen, sind dann nicht körperlich zur Schau zu stellen, sondern eher ökonomisch zu verstecken. Letztlich braucht es aber weniger Helden, aber dafür „Arbeiter“ für die Demokratie, die die Mühen einer Demokratie auf sich nehmen. An erster Stelle sollten es doch wohl die „Arbeiter“ der demokratisch legitimierten Parteien sein, die diese Arbeit leisten, und dort wiederum vor allem jene, denen auch durch die Demokratie Macht verliehen wurde, also die Regierenden. Und von denen hat dann tatsächlich mancher die Meinung, dass diese es sich auf dem Sofa bequem gemacht haben und die verliehene Macht zu ihrem Wohlempfinden und dem der gewogenen Klientel, nennen wir sie ihre Wählergruppen, zu nützen.

 

„Ich gehe davon aus, dass wir es den Gegnern der Demokratie zu leicht machen. Für mich ist die Demokratie eine der kostbarsten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte, für die man sich unbedingt einsetzen muss, wenn sie in Gefahr ist. Deswegen geht es mir gegen den Strich, dass es sich die Demokratie auf dem Sofa der Bequemlichkeit einrichtet.“

Dieter Thomä, ein Gedankenhappen aus der „Furche“ in der jüngsten Ausgabe von „Thema Vorarlberg“ 

Ausgleichen ist mehr als nur Verteilen

Ausgleich zu schaffen hat in den Wachstumsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg geheißen, dass jeder einen zusätzlichen Teil des wachsenden Kuchens abbekommt, und mit Argusaugen wurde von den Gruppen darauf geachtet, dass keinem sein Stück zu groß würde, mehr noch, dass das eigene nicht zu klein ausfallen möchte. Beweisen muss sich eine Demokratie aber auch dann, wenn der Kuchen nicht mehr wächst oder sogar kleiner wird. Denn mit „wohlerworbenen Rechten“ aus der Vergangenheit lässt sich auch materieller Gewinn und materielle Ungerechtigkeit verteidigen. Man denke an die französischen Teilgewerkschaften, die es dem Reformer Macron schwermachen, ein gerechteres Pensionssystem für alle einzuführen. Der Druck der Straße, der durch diese aufgebaut wurde, scheint dieses Projekt zu verunmöglichen. Sogar dann, wenn die Mehrheit von diesem positiv betroffen ist, vertraut eine Mehrheit nicht der Regierung und der von ihr vorgestellten Maßnahme. Auch in Österreich ist nach dem letzten „Demokratie-Monitoring“ das Vertrauen in die Politik und deren Problemlösungsfähigkeit – möglicherweise auch Problemlösungswilligkeit – weiter gesunken und der Ruf nach dem „starken Mann“ weiter gestiegen. Auch wenn wir hoffnungsvoll davon ausgehen, dass damit nicht gleich ein Diktator gemeint ist, ist wohl eine Führungsfigur wie Trump, Orban, Erdogan oder auch Boris Johnson im Blickfeld. Alle eint, dass sie ihr Demokratieverständnis so weit dehnen, dass wir es illiberale Demokratie nennen und zugleich davon ausgehen können, dass diese ihr Demokratieverständnis für Ihre Meinungen, Überzeugungen und Anliegen so weit dehnen, dass es mit einer zeitgemäßen Demokratie nur mehr teilweise vertretbar ist oder klar überdehnt ist. 

 

Nicht nur die Politiker müssen vom bequemen Sofa auf­springen, sondern auch die Bürger.

Warum begeistern diese Menschen trotzdem? 

Man kann es sich einfach machen und auf die Komplexität der Herausforderungen – aber auch der Antworten – hinweisen und mit der notwendigen Einfachheit der Erklärungen zu punkten vorgeben. Aber damit verleugnet die gelebte Demokratie ihre Wurzel. Die Wurzel ist die Aufklärung und die damit einhergehende Bildung. Demokratie ist die einzige Herrschaftsform, die nur überleben kann, wenn sie ihre Bürger und Bürgerinnen bildet und aufklärt. Und das hat mit dem notwendigen Vertrauen in das „Verstehenkönnen“ der Bürger zu tun. Und dazu wiederum braucht es eben ein gebildetes und informiertes Volk, dessen Mehrheit das „Richtige“ als solches erkennt und belohnt, nicht zuletzt bei den demokratischen Wahlen. Und wenn sich die Politik nicht mehr die Mühe macht, ihren Bürgern auch die komplexen Sachverhalte so zu erklären, dass diese es verstehen (können), hat sie es sich auf dem Sofa bequem eingerichtet und hofft auf das Vertrauen in ihre geistige und emotionale Problemlösungsfähigkeit. Dieses Vertrauen schwindet aber und verlangt nach noch mehr Mühe, verlangt das Aufspringen vom Sofa und das mühevolle Erklären und das Werben um Verständnis für die Inhalte der politischen Entscheidungen. Aber Populismus hat damit gar nichts zu tun, denn der setzt gerade auf die einfachen und ungenügenden Erklärungen. Damit sich ein Volk mit denen nicht zufriedengibt, ist wiederum eine Frage der Bildung und zum zweiten doch tatsächlich auch eine Frage der Mühe der Bürger, sich mit komplexen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Also nicht nur die Politiker müssen vom bequemen Sofa aufspringen, sondern auch die Bürger. Und dafür, dass sie es auch tun, muss wiederum die Demokratie sorgen – und das sind wir nun mal alle – auch wenn es unbequem ist. 

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