Sabine Barbisch

„Malaria ist ein gigantischer blinder fleck“

Dezember 2020

Filmemacherin Katharina Weingartner ist beinahe zufällig auf einen brisanten Filmstoff gestoßen: In ihrem Dokumentarfilm „Das Fieber“ geht sie dem Ursprung von Malaria auf den Grund und spürt lokale und leistbare Methoden zur Prävention auf.

Der Dokumentarfilm „Das Fieber“ beginnt mit der drastischen Information, dass Malaria jede Minute ein Kind in Subsahara-Afrika tötet. „Momentan sind es sogar zwei Kinder pro Minute, die sterben“, muss Regisseurin Katharina Weingartner aufgrund der aktuellen Ereignisse präzisieren: „Heuer wird mit einer Verdoppelung der Malaria-Toten auf eine Million gerechnet, denn durch die COVID-19-Pandemie werden die Menschen für die Malaria-Maßnahmen nicht mehr erreicht, Aufklärungskampagnen werden verschoben und Medikamente und Schutzmaßnahmen wie Moskitonetze können nicht mehr verteilt werden.“
Der Malaria-Bericht 2018 der WHO bildet die dramatische Situation ab: Über die Hälfte der Menschen, die an Malaria sterben, leben in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo, Burkina Faso, Tansania, Sierra Leone und Niger – sie gehören alle zu den ärmsten Staaten der Welt. Bereits 2004 ist die Filmemacherin, die in Vorarlberg aufgewachsen ist, auf das Thema Malaria gestoßen: „Ich war für einen Filmdreh in Ghana, auch meine einjährige Tochter war dabei, und ich wollte für sie und mein Team Prophylaxe gegen Malaria suchen. Dabei bin ich auf Artemisia gestoßen, ein Heilkraut, das wir für das ganze Team verwendet haben und das super funktioniert hat.“ Der Zugang zu Weingartners Film „Das Fieber“ sollte dann über diese Heilpflanze und dessen Wirkung erfolgen.

Langzeitfolge der Kolonialisierung

Der Ursprung von Malaria geht weit zurück, die Kolonialherrschaft des 16. und 17. Jahrhunderts brachte die Krankheit auf den afrikanischen Kontinent. Durch erzwungene Veränderungen in der Landwirtschaft, etwa den Reisanbau, wurden „ideale“ Bedingungen für die Mücken geschaffen: Wenn die Erde fiebert und dampft und sich auf den Feldern Tümpel bilden, ist das der Nährboden für die Anopheles-Larven der Fiebermücken. Als „Heureka-Moment“, beschreibt Katharina Weingartner den Tag, als sie in der Recherche darauf stieß: „Das Ganze ist logisch und liegt auf der Hand, aber gleichzeitig wird es überhaupt nicht thematisiert, auch in der Forschung ist das kaum ein Thema.“ Den „blinden Fleck beim Themenkomplex Malaria“ nennt sie „gigantisch: Speziell auch in Vorarlberg wachsen wir doch mit der christlich geprägten Vorstellung auf, Hilfe für Afrika zu leisten. Dennoch ist die Unwissenheit groß; die meisten Menschen meinen zum Beispiel, dass es eine Impfung gegen Malaria gibt.“ Nach sieben Jahren der intensiven Beschäftigung mit dem Thema hat aber auch Weingartner keine eindeutige Erklärung, warum das Thema derart unsichtbar ist, „was ich allerdings schon glaube, ist, dass es damit zu tun hat, dass schwarze Kinder betroffen sind.“

Wechsel der gewohnten Perspektive

Auch deshalb war es ihr wichtig, einen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Im Dokumentarfilm „Das Fieber“ kommen auschließlich Afrikaner zu Wort. Im Fokus stehen engagierte Protagonisten in Kenia und Uganda, die mit ihrer selbstbestimmten Arbeit den Kampf gegen Malaria aufgenommen haben und damit viele Menschenleben retten könnten. Weingartner erklärt: „Die Kraft dieser Menschen hat mich sehr fasziniert und wie sie an ihre Sache glauben. Rehema Namyalo aus Uganda ist eine von ihnen und sie vermittelt das Thema Malaria-Prävention mit einer solchen Eloquenz und einem solchen Charisma, das mich unglaublich beeindruckt hat.“ Namyalo setzt in ihrer Arbeit auf die Heilpflanze Artemisia, die sie in Form von Tee an ihre Patienten verteilt. Das soll Malaria nicht nur heilen, sondern auch davor schützen. „Ihre Arbeit zeigt, dass die Sache an Frauen übergeben werden sollte, denn sie wissen, was zu tun ist: In Rehema Namyalos Dorf gibt es kaum noch Malaria!“ „Doch leider“, sagt Weingartner, „würde bei der Malariaprävention nicht auf regionale und leistbare Methoden gesetzt, vielmehr würden Profitinteressen im Medikamenten-Markt dahinter stecken, Pharmakonzerne fürchteten durch lokale Lösungen um ihre Profite.“ 
Insgesamt sieben Jahre Recherche und Dreharbeiten stecken in „Das Fieber“ von Katharina Weingartner: „Wir sind für den Dreh dreimal nach Afrika gereist, um Zeit mit den Protagonisten zu verbringen und Nähe herzustellen. Dafür mussten wir aber immer auf die Regenzeit warten. In der Zeit dazwischen begannen wir mit dem Schnitt. Dieser langsame Entstehungsprozess war gut für den Film, dadurch konnte er inhaltlich so dicht werden.“ Weingartner ist wichtig, Vorgänge aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen, „wir wollen uns nicht über die Darstellung des Elends profilieren, sondern Spuren hinterlassen.“ Deshalb ist ihre Freude umso größer, dass es einen zweiten Teil des Films geben wird. Das Projekt soll mit einem weiblichen Filmteam aus Uganda umgesetzt werden: „Vielleicht können wir schon im kommenden März nach Uganda fliegen, unser Wissen weitergeben und fragen, was habt ihr zu sagen?“ Für Katharina Weingartner ist es ein wichtiger Schritt, eine andere Position einzunehmen, Verantwortung zu übernehmen, aber eben auch die Verantwortung zu übergeben: „Das ist die Botschaft von ‚Das Fieber‘.“
Der Dokumentarfilm hat, vor allem wegen des starken Plädoyers für die Wirkung der Heilpflanze Artemisia in Form eines Tees zur Malaria-Prophylaxe hohe Wogen geschlagen und wird – obwohl ursprünglich geplant – vom deutschen Sender ARD und dem Schweizer Fernsehen nicht gezeigt werden; argumentiert wird diese Ablehnung unter anderem mit der Befürchtung vor einer Klage von Pharmariesen, die mit den sich ausbreitenden Resistenzen gegen die Artemisin-basierten Medikamente argumentieren. 

Sobald sich die Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie normalisiert hat und die Kinos wieder öffnen können, wird der Film aber in Vorarlberg zu sehen sein. Aktuelle Informationen dazu finden Sie online unter: www.dasfieber.com

Zur Person

Katharina Weingartner * 1964, wurde in Wien geboren und ist später mit ihrer Familie nach Vorarlberg übersiedelt. In Feldkirch Nofels ist sie mit ihren Eltern und ihren sieben Geschwistern aufgewachsen. Weingartner hat das erste deutsche Hip-Hop-Label „Rhythm Attack Productions“ mitbegründet. Sie lebte 15 Jahre in New York, bevor sie 2005 gemeinsam mit Markus Wailand die Wiener Filmproduktionsfirma „pooldoks“ gründete. Mit ihrer Familie lebt die Filmemacherin und Autorin in Wien. 

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.