Solistin am Schreibtisch
Christina Walker wurde im April mit dem Literaturpreis des Landes Vorarlberg ausgezeichnet. Im „Thema Vorarlberg“-Gespräch blickt die in Hard aufgewachsene Autorin zurück und erzählt, wie sie zum Schreiben gekommen ist. Sie gewährt einen Einblick in ihren Roman „Auto“ und beschreibt das Gefühl, eine „Solistin am Schreibtisch“ zu sein.
Der Preis hat mich unglaublich gefreut, besonders, weil ich ihn als eine wichtige Bestätigung sehe, dass ich mit dem Roman auf dem richtigen Weg bin“, so beschreibt Christina Walker die Bedeutung des Literaturpreises, der ihr in diesem Frühjahr vom Land Vorarlberg verliehen wurde. In der Laudatio wurde ihre „ausdrucksstarke, liebevolle Sprache“ hervorgehoben, die ihren eingereichten Text prägt. Es geht darin um einen Mann, der Wohnung und Familie verlässt und in sein Auto zieht. Das Paradoxe daran sei, so die Autorin: „Das Auto, Sinnbild der Mobilität und Moderne schlechthin, fährt nicht mehr. Und das ist genau, was auch der Mann möchte, nämlich die Bewegung vorerst auf das absolut Notwendige reduzieren. Dass er dabei anstößt, an eigene physische und psychische Grenzen, und an solche, die die Gesellschaft setzt, bleibt nicht aus.“ Die Liebe zu Büchern begleitet die Harderin seit der Kindheit. Das nach der Matura absolvierte Studium in Wien hat sie aber nicht zum Schreiben gebracht – über zehn Jahre arbeitete sie zuerst in unterschiedlichen Funktionen für Theater, Film und in Museen in Wien und in Berlin. Jahre, in denen sie viel lernte und sich schließlich als Texterin selbstständig machte. „Erst da habe ich auch mit dem literarischen Schreiben begonnen, neben dem Brotberuf“, wirft Walker einen Blick zurück.
„Den eigenen Ton treffen“
Doch das möchte sie nun sukzessive anders gewichten: „Das Geschichtenschreiben soll nicht mehr dauernd hinter den Gebrauchstexten zurückstehen müssen.“ Momentan kommen ihre Hauptauftraggeber aus dem Bereich Filmforschung und vor allem aus der Fremdenverkehrswerbung. Walker verfasst für den deutschen Markt Werbetexte über das Urlaubsland Österreich – und dabei auch viel über Vorarlberg: „So bereise ich ständig das Land und lerne es kennen, indem ich darüber schreibe.“ Dabei genießt Christina Walker die Freiheit dieses Berufs, sich den Tag und die Woche selbst einteilen zu können und keinem – außer sich selbst – Rechenschaft ablegen zu müssen. „Auch wenn es manchmal einsam ist, so eine Solistin am Schreibtisch zu sein, möchte ich nie mehr tauschen.“ Sie sei entspannter geworden, hat keine Existenzängste mehr, falls länger kein Auftrag in Sicht ist: „Es wird schon irgendwas kommen, denke ich mir – und es ist bisher immer so gewesen.“ Wenn Walker über das Schreiben spricht, spürt man, wie sehr sie ihre Arbeit mag. Sie selbst beschreibt es so: „Ich mag die Herausforderung, zu jedem Thema die adäquaten Worte zu finden, einen eigenen Ton zu treffen. Ein Ton, der die Leser fesselt und überzeugt, egal, ob der Text nun von den Sauerkäs-Alpen im Montafon handelt, also Werbung macht, oder ob es eine Kurzgeschichte oder ein Roman ist.“
Das Leben als Autorin
Ihr Mann nenne sie manchmal „so eine schrecklich disziplinierte Vorarlbergerin“, lacht Christina Walker. Ihre Arbeitstage fangen spätestens um halb acht Uhr morgens an, wenn ihr Sohn zur Schule geht und enden am späten Nachmittag. Schreibt sie an literarischen Texten, macht sie mehr und längere Pausen als sonst: „Es ist anstrengend, und es müssen zwischendurch wieder neue Ideen ‚nachsickern‘. Ich schreibe nie nach einem strengen Konzept, wobei ich aber schon ein grobes Raster der Geschehnisse im Kopf habe, damit mir die Geschichte nicht entgleitet.“ Dabei inspiriert sie vieles, was ihr begegnet: „Ein Satz, den ich auf der Straße im Vorbeigehen aufschnappe und der mich berührt; eine Geste, die ich im Vorbeifahren aus dem Zugfenster beobachte; ein besonderes Wort, das ich in einem Buch lese; ein Gegenstand, der vielleicht nicht tut, wozu er vorgesehen ist – wie das Auto, das nicht mehr fährt, sondern wie aus Protest herumsteht. Ich sammle diese Dinge, die auf den ersten Blick ganz alltäglich und nichtig scheinen. Mit ihrer Hilfe entwickle ich neue Bilder und Szenen und manchmal auch ganze Geschichten.“ Das nächste Ziel sei, den Roman „Auto“ fertigzuschreiben, einen guten Verlag zu finden und, setzt Walker hinzu, „viele Leser, die das Buch berührt“.
Seit drei Jahren lebt die Autorin mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Augsburg. Nach über zwei Jahrzehnten in Wien und Berlin bereut sie diese Entscheidung nicht: „Ich freue mich jeden Tag, wenn ich durch das Ulrichsviertel mit seinen alten Häusern und schmalen Gassen laufe, um meinen Sohn abzuholen.“ Die Familie lebt im benachbarten, bekannten Bismarckviertel, in einer besonderen Hausgemeinschaft: „Hier stehen am Wochenende die Wohnungstüren offen, damit die Kinder hin und her können. Nach den schlussendlich doch unpersönlichen Großstädten ist das fast wie am Dorf hier: heimelig, vertraut, freundlich. Man kennt dich gleich in allen Geschäften, und wenn ich die Geldtasche vergessen habe, kann ich beim Bäcker oder im kleinen Bioladen gegenüber anschreiben lassen.“ Die geringe Distanz zwischen Augsburg und Vorarlberg nutzt Walker gerne und regelmäßig für Besuche bei ihrer Familie in Hard und bei Freunden. Sie hat aber auch berufliche und literarische Beziehungen ins Ländle. So hat sie etwa die aktuelle Ausgabe der Publikationsreihe der Literatur Vorarlberg als Mitherausgeberin betreut: die V#33 mit dem Titel „Haben und Sein“. Und am 23. Juni ist Christina Walker bei der „Nacht der Literatur und Musik“ in der ARTenne Nenzing zu Gast.
Lebenslauf
Christina Walker wurde im Jahr 1971 in Bregenz geboren und wuchs in Hard auf. Nach der Matura am BG Blumenstraße in Bregenz studierte sie Germanistik, Theaterwissenschaft und Kulturmanagement in Wien und arbeitete anschließend mehr als zehn Jahre für verschiedene Kulturbetriebe; zuletzt im Österreichischen Filmmuseum in Wien und im Museum für Film und Fernsehen in Berlin. Seit 2006 ist Walker selbstständige Autorin und Lektorin, 2007 erhielt sie das Vorarlberger Landesstipendium für Literatur. Mit ihrem Mann und ihrem achtjährigen Sohn lebt sie in Augsburg.
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