Vom Roden und von schönen Alpen
Es soll vor 1000 Jahren einen Mann mit Namen Albrich gegeben haben, der als Wanderbursch, mit einem Lindenpflänzchen als Hutschmuck, in den damals noch weitgehend bewaldeten Bregenzerwald wanderte. Im heutigen Alberschwende soll er den Wald geschwendet haben, um Weide zu gewinnen und dort zu leben. Das Lindenpflänzchen habe er dort eingepflanzt, wo bis heute die 1000jährige Linde den Dorfplatz markiert, in Albrichs Schwende, dem heutigen Alberschwende. So will es die Legende besagen. Tatsächlich gab es im Bregenzerwald schon viel früher Rodungen und Besiedelungen mitsamt Ackerbau, schon vor Christi Geburt. Bereits im Mittelalter wurden die Alpflächen für die Sommernutzung lobend erwähnt und seit den besagten eintausend Jahren hatte es immer wieder Schübe der Erschließung gegeben und wurden Flächen gerodet. Auch in den Bergen als Alpflächen. In der Dreistufenlandwirtschaft waren diese Vorsäß- und Alpflächen von großer Bedeutung, erlaubten sie doch den Viehbestand zu erhöhen, weil ja das Gras im Tal – während das Vieh auf den Alpen weidete – im Sommer zu Heu gemacht werden konnte, welches für die Winterfütterung notwendig war.
Viele unserer Alpen wachsen zu
Und nun wachsen diese einst mühsam gerodeten Alpflächen seit mehreren Jahrzehnten schön langsam zu, mit Heidelbeersträuchern, mit Koniferen, Farn, aber auch mit giftigem Germer und dem Alpenkreuzkraut. Da blutet jedem „alten Älpler“ das Herz, wenn solche Flächen, die von Generationen gepflegt, freigehalten und genutzt wurden, jetzt einfach zuwachsen. Aber das hat Gründe. Obwohl der Viehbestand im Land gleichgeblieben ist, haben wir immer weniger Kühe auf den Alpen, dafür mehr Ziegen und Jungrinder. Einerseits fehlt seit der TBC-Problematik Vieh aus der Schweiz, andererseits haben wir immer mehr Hochleistungsmilchkühe, die nicht mehr alpfähig sind, weil die – massiv gesteigerte – Milchleistung im Vordergrund stand und mit „Kosten“ für die Kuhgesundheit einherging und auch einen Kraftfuttereinsatz auf den Milchviehalpen erfordert(e). Das führt dazu, dass die Kühe vor allem um die Stallungen bleiben und weiter oder schwerer zugänglichere Weideflächen nicht mehr abweiden, die „Energie“ wird im Stall verabreicht und kommt aus dem Tal und von noch weiter her.
Kulturlandschaft geht verloren
Wir haben also das Thema, dass auf den Alpen Weideflächen für Jahrzehnte verloren gehen, wenn sie einmal zugewachsen sind. Und zugleich geht dort unsere vom Menschen seit Jahrhunderten gestaltete Kulturlandschaft verloren, die nicht zuletzt für unseren Tourismus (auch für die einheimische Bevölkerung) verloren geht. Wenn wir davon ausgehen, dass es in Zukunft immer mehr sich vegan oder vegetarisch ernährende Menschen geben wird, was aus ökologischen und Tierschutzgründen ja begrüßenswert ist, und wir nicht verstärkt diese Produkte in alle Welt exportieren, werden wir weniger Alpflächen für diese Nahrungsmittelproduktion brauchen. Im Übrigen nehmen vor allem die Flexitarier jährlich zu, was mit einem (viel) geringeren Fleischverzehr einhergeht. Aber noch und vielleicht auch in Zukunft kann unsere Viehwirtschaft diese Alpflächen gut brauchen. Aber noch viel wichtiger: Die Kulturlandschaft der Alpen braucht das Vieh – und zwar geeignetes Vieh – alptaugliches Vieh, das diese Flächen abweidet und dadurch pflegt, weil sie sonst fast unwiederbringlich verloren gehen.
Was wäre zu tun?
Es sollte bei der Tiergenetik wieder einen oder mehrere Schritte zurück geben. Älteres, weide- und alperfahrenes Vieh ist auf den Alpen wichtig; und dieses Vieh sollte noch fähig sein, steilere Weiden zu nutzen und auf große Kraftfutterbeigaben zu verzichten, ohne gesundheitlich Schaden zu nehmen. Dazu braucht es geänderte Förderbedingungen, um eine Minderleistung in der Milchmenge abzugelten, denn der Fleischerlös wird nur bei jüngeren Tieren (außer Kälbern) steigen, wenn wieder mehr in die Zweinutzungsrasse (Milch und Fleisch) gezüchtet wird.
Wir brauchen für Alpflächen auch Pferde, Esel und vor allem Ziegen und Schafe. Ziegen und Schafe, aber auch Kälber, sind auf den Alpweiden zuletzt verstärkt durch den Wolf gefährdet. Auch wenn der wirtschaftliche Schaden durch den Wolf noch gering sein mag, gehört der Wolf bejagt, um sich seiner Sache nicht zu sicher zu sein. Also den Wolf bejagen, um ihn im Zaum zu halten, aber ihn nicht gezielt ausrotten wollen, das wäre ein Kompromiss für den Naturschutz und den Schutz der Nutztiere und deren Halter.
Im Bereich der Alpflächen muss es eine Zonierung geben. Welche Flächen sind auf alle Fälle als Weide zu erhalten und in Zukunft besser zu pflegen, durch Unkrautmähen, das mechanisch Bekämpfen von Giftpflanzen und regelmäßiges Schwenden? Schon jetzt gibt es Schwendeförderungen zur Weideverbesserung, die offensichtlich zu wenig in Anspruch genommen werden. Welche Flächen könnten oder sollten nicht mehr beweidet werden und ein Waldaufwuchs zugelassen werden? Dabei müssen touristische Überlegungen genauso einfließen wie solche des Naturschutzes und des Muren- und Lawinenschutzes. Wie beim Vieh, das ja förderungstechnisch mindestens 90 oder 100 Tage auf den Alpen bleiben muss, sollte es auch beim Alppersonal Ziel sein, dass dieses möglichst den ganzen Sommer vor Ort ist und nicht die Alpe vom Tal aus mit vielen Fahrten mitbetreut.
Kulturlandschaft betrifft uns alle
Es braucht also eine klare Entscheidung, was aus unseren Alpen werden soll. Landwirtschaft und Tourismus sollten hier Hand in Hand gehen und für die Bevölkerung darf diese Entscheidung auch nicht irrelevant sein. Hängt daran doch auch die Pflege von Kulturlandschaft, von Tierschutz, vom (Über-)Leben landwirtschaftlicher Betriebe, Ernährungssicherheit und auch eine nicht zu unterschätzende Lebensmittelerzeugung für die Gastronomie und den Handel mit regionalen Produkten. Es betrifft uns alle und ist damit viel mehr „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ als nur Thema der Landwirtschaft(skammer). Lob verdienen auf alle Fälle die Alpbewirtschafter, die „unsere“ jahrhundertealte Kulturlandschaft in den Alpen bisher gut bewirtschaftet und damit gut gepflegt haben. Am besten mit geeigneten Tieren, ohne viel Fremdfutter und regelmäßigem Schwenden.
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