Herbert Motter

„Vorarlberg war immer ein Weinland“

September 2022

Rund 20 Hektar der Vorarlberger Fläche dient dem Weinbau. Die Klimaveränderung begünstigt aktuell diese Landwirtschaftskultur, die von Pionieren lebt.

Ereignis- und erlebnisreich, das Jahr 2022 hat es für den Weinbau in Vor­arlberg in sich. Der Bregenzer Winzer Josef Möth spricht trotz massivem Hagel zu Pfingsten von einer „Mega-Ernte“, was Quantität wie Qualität betrifft. Er blicke hinsichtlich des diesjährigen Jahrganges sehr optimistisch in die Zukunft. 
Doch zunächst wenden wir uns der Vergangenheit zu: Schon zu Zeiten der Räter, etwa 2000 vor Christus, soll in Vorarlberg Wein angebaut worden sein. Das wurde angeblich von römischen Schriftstellern überliefert; wissenschaftlich belegt ist es nicht. Erste urkundliche Erwähnungen über Weinbau in Vorarlberg gehen auf das Jahr 820 zurück, in einer Rankweiler Urkunde ist der Flurname „Viniola“ – „kleiner Weinberg“ – als Bezeichnung für einen Acker zu finden. „Wenn wir von Weinbau in Vorarlberg sprechen, ist damit ein kulturprägendes historisches Element gemeint. Vorarlberg ist ein traditionelles Weinland“, erklärt Gert Markowski, Obmann Verein der Weinbautreibenden Vorarlbergs, mit rund 70 Mitgliedern, im Hauptberuf Jurist und Nebenerwerbsbauer. Flurnamen wie Torggel, Reben oder Wingat zeugen noch heute vom historischen Erbe.

Niedergang des Weinbaus
Noch vor etwa 200 Jahren umfasste das Weinbaugebiet in Vorarlberg 500 bis 700 Hektar. Das Klima im Hochmittelalter begünstigte den Weinbau, ähnlich wie heute. Doch die Verwüstungen durch die Appenzeller Kriege, den 30-jährigen Krieg und eine Reihe von Missernten sowie Rebkrankheiten bereiteten der Blütezeit des Vorarlberger Weins ein Ende. Mit dem Bau der Arlbergbahn, dem damit verbundenen Import von besseren und billigeren Weinen vor allem aus Südtirol und durch die aufkommende Industrialisierung verlor der Weinbau in Vorarlberg weiter an Bedeutung. „Die Menschen kehrten der beschwerlichen Arbeit im Weinberg den Rücken und wanderten in die einfacheren Industriebranchen ab. Gerade die schattenseitigen Dörfer im Walgau nutzten verstärkt die Wasserkraft, die Textilindustrie entstand“, beschreibt Markowski die Veränderungen des einst so wichtigen Wirtschaftsfaktors; Wein diente mitunter gar als Zahlungsmittel.
Einen Aufschwung erlebte der Weinbau in Vorarlberg erst wieder ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Weinbauverein gründet sich, gemeinsam wird an der Qualitätssteigerung des regionalen Weins gearbeitet. Heute werden 20 Hektar für den Weinbau genutzt. Tendenz leicht steigend. „Wein ist durchaus auch bei uns ein zunehmendes Thema, wir merken das an den gestiegenen Anfragen“, erklärt Ulrich Höfert, für den Weinbau zuständiger Referent bei der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Örtliche oder private Ideen für den Anbau kursieren aktuell in Wolfurt rund um das Schloss, in Bregenz beim Deuringschlössle oder am Pfänderhang.

Die bekanntesten Vorarlberger Winzer
In „Neuamerika“ und am Fuße des Gebhardsbergs baut Josef Möth auf insgesamt 3,5 Hektar seinen Wein an. 10.000 bis 12.000 Liter von sechs Rebsorten bringt er jährlich zur Abfüllung. Das Weingut Nachbaur in Röthis produziert bio-zertifizierten Wein, zwei Hektar steile Südhänge auf über 500 Meter Seehöhe werden bewirtschaftet. Im letzten Weingarten am Ardetzenberg in Feldkirch werden die Trauben für das Weingut Fulterer angebaut und im eigenen Gasthaus, dem „Schäfle“, verkauft. Dazu kommen innovative Nebenerwerbswinzer wie eben Gert Markowski vom Weingut Chesa Druschauna aus Göfis, der erfolgreich den würzigen Roesler ausgebaut hat. Zirka 50.000 Liter Wein, vorwiegend Müller-Thurgau, Riesling, Grüner Veltliner, Rivaner, Pinot Noir, Zweigelt oder Blaufränkisch, werden jährlich im ganzen Land abgefüllt und ab Hof, über Buschenschanken oder teilweise in den Supermärkten veräußert. Die Qualität kann sich längst sehen oder besser gesagt schmecken lassen. Möths Müller-Thurgau aus 2013 mit dem Namen „Seebrünzlar“ schaffte sogar die begehrte Aufnahme in den „SALON Österreich Wein“. Walgauer Winzer erreichten 90 Punkte im Falstaff.

Potenzial für den Weinbau
Der Weinbau in Vorarlberg profitiert aktuell von den Klimaveränderungen. Höfert: „Auch spätere Sorten bekommen gute innere Werte. Durch die Wärme rücken Obst und Wein in der Reife nach vorne.“ Endete vor 20, 30 Jahren die Weinlese meist Ende Oktober beziehungsweise Anfang November, ist sie seit einigen Jahren bereits Mitte Oktober abgeschlossen. „Doch diese klimatischen Veränderungen haben ihre Tücken und münden auch in immer extremeren Witterungsverläufen; Hagel, sintflutartige Regenfälle oder Trockenheit können eine Gefahr sein“, sagt Winzer Möth. 
Wie auch andere Wirtschaftszweige hat der Weinbau mit der Flächenknappheit zu kämpfen. Weinbauvereins-Obmann Markoswki: „Weinbau passiert dort, wo es schöne sonnige Hänge oder Flächen gibt mit mildem Klima, das sind aber auch begehrte Plätze für den Wohnbau oder die Industrie.“ Das bestätigt auch Möth: „Das Potenzial für die Weinbaukultur ist enorm. Wir würden gerne größer werden, haben aber zwei Handicaps, die Ressource Boden und adäquate Mitarbeiter:innen, die im Weingarten die hochwertige, aber auch anstrengende Arbeit verrichten wollen.“ Während im Rheintal also der Boden äußerst knapp ist, sieht Markowski das für den Walgau etwas anders: „Im Walgau sind diese Flächen noch frei, und nicht als Bauland gewidmet. Das heißt, das könnte man eins zu eins wieder aufnehmen, wenn man das will.“
Für Höfert, der die Zukunft des Weinbaus in erster Linie in Hanglagen sieht, macht die Menge an produziertem Wein vieles aus, denn erst dann „wächst die entsprechende Infrastruktur dazu“. Letztlich brauche es Menschen, die das machen wollen und dafür brennen. Durchhaltevermögen ist das Stichwort, denn die ersten Jahre als Winzer bringen wenig bis gar keine Erträge. Und nicht zu vergessen die Konsumenten. Sie sind es, die mit dem „Griff“ zu regionalen Produkten etwas bewirken können. Welches Potenzial letztendlich Vorarlberg in der Weinkultur noch hat, ist für den Experten der Landwirtschaftskammer schwer zu sagen, aber eine Verdreifachung oder zumindest eine Verdoppelung der Fläche beziehungsweise der Menge hält er für möglich. Wie es gehen kann, macht Kärnten vor. Dort haben sich die zu kultivierenden Weinbauflächen innerhalb weniger Jahre auf 100 Hektar verdoppelt.

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