Als die Weltliteratur nach Vorarlberg kam
Immer wieder zog es berühmte Autoren und Schriftsteller ins beschauliche Ländle. Hier suchten sie einen Ort der Ruhe und der geistigen Eingebung – oder wollten einfach nur dem eigenen Irrsinn entkommen.
Der wohl berühmteste Schriftsteller von Weltgeltung, der längere Zeit in Vorarlberg weilte, war Ernest Hemingway. Vor gut 90 Jahren verbrachte der amerikanische Literatur-Nobelpreisträger mit seiner damaligen Ehefrau Hadley und dem zweijährigen Sohn „Bumby“ Urlaube von November bis beinahe Ostern im Montafon – nachzulesen in Hemingways Memoiren „Paris, ein Fest fürs Leben“, die erst posthum, drei Jahre nach seinem Freitod 1961, erschienen sind.
In den beiden Wintern 1924/1925 und 1925/1926 wurde er vom Besitzer der Schrunser Skischule, Walter Lent, in der Kunst des Skifahrens unterrichtet, unternahm Skitouren an den Hängen der Verwallgruppe und nächtigte im Hotel Taube in Schruns. Für zwei Dollar am Tag logierte die junge Familie Hemingway monatelang mit Vollpension in Zimmer 22. Urlaube in der begehrten Schweiz konnte sich die junge Familie nicht leisten, das Geld war knapp. Im Montafon hingegen reichten die Ersparnisse, um das Leben zu genießen. Bei schlechtem Wetter spielte er Karten oder arbeitete, vornehmlich an Kurzgeschichten und an seinem ersten Roman „Fiesta“. In dieser Zeit fand er auch einen Verlag für sein Erstlingswerk, das ihm den Weg zu Ruhm und Glamour ebnete – der Anfang vom Ende.
Das Schicksal von „Ulysses“
Untrennbar mit Feldkirch verbunden ist der irische Schriftsteller James Joyce. Obwohl dank einflussreicher Freunde weltkriegsbedingt als „freundlicher Ausländer“ betrachtet, wurde Joyce 1915 bei der Grenzkontrolle in Feldkirch mit einem Spion verwechselt und beinahe verhaftet. Dieses Ereignis am Bahnhof von Feldkirch empfand der Ire als schicksalhaft, es beeinflusste sein wichtigstes Werk. Im Sommer 1932 führte die Freundschaft mit dem Verleger-Ehepaar Maria und Eugene Jolas den Schriftsteller erneut in die Montfortstadt, wo er mehrere Wochen lang im Hotel Löwen logierte und an „Finnegans Wake“ arbeitete. Während dieses Aufenthalts sagte Joyce selbst, dass sein „Ulysses“ untrennbar mit Feldkirch verknüpft sei: „Over there, on those tracks, the fate of ‚Ulysses‘ was decided in 1915.“ („Dort drüben, auf den Schienen, entschied sich 1915 das Schicksal des Ulysses.“)
Stefan Zweig hatte 1919 am Bahnhof Feldkirch ein bedrückendes Erlebnis. Zweig wurde Zeuge, wie der letzte Kaiser Karl I. Österreich ins Exil verlassen musste. In seiner Biografie „Die Welt von gestern“ schilderte er diese Begegnung: „Den heimwehkranken Dichter zog es in die Heimat, während der entmachtete Herrscher diese verließ.“
Für manch andere Literaten war Vorarlberg das Tor zur Flucht vor dem Terror. Unter ihnen Carl Zuckmayr („Des Teufels General“, „Der Hauptmann von Köpenick“), der öffentlich gegen die Nazis Stellung bezogen hatte; seine Werke waren bereits seit 1933 in Deutschland verboten. Über Feldkirch gelang ihm die Flucht in die Schweiz. Davon zeugt heute noch ein Zitat an der Friedhofsmauer beim Bahnhof. Nicht alle hatten Glück: Der politische Schriftsteller Jura Soyfer wollte am 13. März 1938 mit den Skiern über Gargellen nach Graubünden fliehen. Der Fluchtversuch misslang. Jura Soyfer starb ein Jahr später im KZ Buchenwald.
Mit der 1856 gegründeten Stella Matutina, einem Jesuitengymnasium, bekam Feldkirch Mitte des 19. Jahrhunderts so etwas wie den Ruf eines begehrten Fernzieles. Nobelpreisträger Thomas Mann setzte der Stella in seinem berühmten Roman „Der Zauberberg“ ein Denkmal, und als im Herbst 1875 ein 16-jähriger schottischer Student ins Gymnasium eintrat, ahnte niemand, dass aus ihm der weltbekannte Kriminalschriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (1859–1930), Schöpfer der legendären Kunstfigur Sherlock Holmes, werden würde.
Eine schaurige Figur der Literaturgeschichte nahm nach dem ersten Weltkrieg während einer Fahrt auf dem Bodensee Gestalt an. Zu dieser Zeit war die Region um den See, wo der luxemburgische Autor Norbert Jacques wohnte, ein beliebter Umschlagplatz für den in höchster Blüte stehenden Schwarzhandel. Ein Mitpassagier ging Jacques nicht mehr aus dem Kopf. Statur und Gesicht inspirierten ihn. Aus diesem kleinen Schieber mit berührender Ausstrahlung wurde ein genialer Großverbrecher in Fiktion, um dessen Gestalt er dann den 1921 erschienenen Roman „Dr. Mabuse, der Spieler“ anlegte.
„Welch eine unbeschreibliche Pracht“
Auf Sommerfrische im Bregenzerwald weilte Dichter Eduard Mörike im Jahre 1857. Zusammen mit seiner Frau verbrachte er seinen Urlaub im „Hirschen“ in Schwarzenberg und hielt über den Hochälpele-Blick fest: „Welch eine unbeschreibliche Pracht! Wie auf einem Turm stehend sahen wir ringsum überall weit ins Land hinein, im Rücken, wo wir herkamen, den ganzen Bregenzerwald mit seinen vielen Dörfern und Hütten zwischen Waldstreifen und Wiesen, links die Schweizerberge, rechts Bayern und Österreich, vor uns Württemberg und unten das liebliche Bregenz, Lindau, bis nach Friedrichshafen hinüber …“
Selbst der große Johann Wolfgang von Goethe bezog einmal Quartier in Vorarlberg. Auf dem Rückweg seiner berühmten Italienreise bettete sich der Dichter 1788 im Gasthaus Krone in Fußach zur Ruhe. Es blieb die einzige Begegnung mit dem Ländle.
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