Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Jacques Gréber 1882–1962 Ein Mann zwischen zwei Kontinenten

November 2015

Der bekannte Stadtplaner und Architekt mit Wurzeln im Bregenzerwald überquerte im Laufe seines Lebens 144 Mal mit dem Dampfschiff den Atlantik.
Ein Zeichen dafür, dass er während seiner beruflichen Laufbahn immer auf zwei Kontinenten gleichermaßen tätig war – in seiner französischen Heimat, aber eben auch in den USA und vor allem in Kanada. Bis heute im Stadtbild sichtbare Spuren findet man in Philadelphia, Ottawa und Marseille, wo Gréber die Stadtentwicklung maßgeblich beeinflusst hat.

Es ist einer Aktivität des Vorarlberger Landesmuseum und des regionalen Museums von Beauvais nördlich von Paris im Jahre 1993 zu verdanken, dass ein Stück Vorarlberger Auswanderungsgeschichte im Rahmen einer Ausstellung und eines dazugehörigen Katalogs beleuchtet werden konnte. Die gestiegene Bekanntheit war für die Landesbibliothek ein willkommener Anlass, die wichtigsten Werke Grébers zu sammeln. Dazu gehören mehrere Stadtentwicklungspläne mit den dazugehörigen Kartenbänden und ein Ausstellungskatalog der Weltausstellung in Paris aus dem Jahr 1937, in dem die Pavillons der teilnehmenden Staaten zu sehen sind. Die Gesamtplanung der Weltausstellung war damals Gréber übergeben worden.

Die Familie Gréber, die ursprünglich aus dem Bregenzerwald stammte und sich im 19. Jahrhundert in Beauvais – 90 Kilometer nördlich von Paris – niederließ, entwickelte sich über mehrere Generationen hinweg zu einer wahren Künstlerdynastie. Der Bildhauer Johann Peter Greber (1820–1898) verließ im Alter von 26 Jahren Bezau und ließ sich als Bildhauer in der Kleinstadt Beauvais nieder. Fast alle Familienmitglieder waren irgendwie im Kunsthandwerk tätig, so auch sein Sohn Henri, der Vater von Jacques-Henri-Auguste Gréber (10.9.1882–5.6.1962), der 1908 in Paris sein Diplom in Architektur erhielt und kurz danach seine berufliche Laufbahn mit der Planung aufwendiger französischer Gärten in den USA begann.

Ab 1917 wandte er sich der Stadtplanung zu und konnte bis 1959 zahlreiche Projekte auf beiden Seiten des Atlantiks realisieren. Die bekanntesten Städte, in denen er tätig war, sind Philadelphia, Marseille und vor allem Ottawa. In Phil­adelphia etwa erhielt er den Auftrag für den Bau des Fairmont Parkways, heute Benjamin Franklin Parkway, der das traditionelle Schachbrettmuster der Altstadt durchschneiden sollte und es seit der Realisierung 1929 bis heute tut.

1937 wurde Jacques Gréber vom kanadischen Premierminister Mackenzie King nach Ottawa gerufen, das er schon von früheren kleineren Projekten kannte, um eine Stadtentwicklungsstudie zu verfassen. Nach dem Krieg wird Gréber dann endgültig mit dem Entwurf des Entwicklungsplans für die Hauptstadt betraut, die ein Denkmal zum Gedächtnis an den zweiten Weltkrieg werden sollte. Den größten Eingriff stellte die Verlegung des Bahnhofs an die Peripherie dar, eng damit auch verbunden die Entwicklungszonen der Industrie fern von Verwaltung- und Wohngebieten. Noch heute ist der Gréber-Plan in Ottawa wohlbekannt. Auf der Homepage der Stadt Ottawa heißt es: „Wie sich Ottawa heute präsentiert, ist in vielem das Resultat aus den Empfehlungen des Gréber-Reports.“

1937 war er der verantwortliche Architekt der Weltausstellung in Paris, die nach achtjährigen, turbulenten Vorbereitungen am 25. Mai 1937 eröffnet wurde. Sie sollte nicht nur den wirtschaftlichen Austausch steigern, sondern auch Freundschaft und Frieden in Europa dokumentieren. In der Realität wurde sie durch die wachsende Macht der Diktaturen in Europa geprägt, die mit pathetischen Architekturen in Paris auftraten. Besonders die Pavillons des nationalsozialistischen Deutschland (Architekt Albert Speer) und der Sowjetunion – beide von gigantischer, starrer Monumentalität – widersprachen dem Ziel Grébers, die Schau zu einer Veranstaltung des Friedens zu machen.

1962 schrieb eine bekannte Architekturzeitschrift: „Gerade jetzt, da diese Nummer fast fertig gedruckt ist, erhalten wir die Nachricht vom Tode des größten französischen Städteplaners, Jacques Gréber.“ Mit 80 Jahren hatte Gréber immer noch unterrichtet und seine Tochter brachte ihn noch regelmäßig in sein Architekturbüro, ehe er am 5. Juni 1962 einem Infarkt erlag.

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