Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Die Landesbibliothek im Glück

April 2025

Es ist ein großes Glück, ein wunderbarer Vertrauensbeweis und vor allem eine immense Aufwertung der Bildersammlung, wenn die wohl reichhaltigste private Ansichtskartensammlung des Landes als Geschenk an die Vorarlberger Landesbibliothek geht. Es handelt sich dabei um ungefähr 20.000 Post- und Fotokarten, die der ehemalige Notar Richard Huter aus Bregenz vergangenes Jahr der Bibliothek übergeben hat. Sein großzügiges Geschenk hat er mit zwei Wünschen verbunden, deren Erfüllung für die Landesbibliothek eine wahre Freude sein wird. Einerseits sollen die Karten digitalisiert und via „volare“, dem Fotoportal der Landesbibliothek, der Wissenschaft und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, andererseits regt der Geschenkgeber einen Bildband mit den interessantesten Karten an. Unter der Herausgeberschaft der Landesbibliothek sollen die besten Experten in Vorarlberg einbezogen werden, um ihr Fachwissen in die Beschreibungen einfließen zu lassen.
Eine Sammlung von 20.000 Postkarten anzuhäufen bedarf einer lebenslangen Leidenschaft, die bei Richard Huter schon in jungen Jahren begonnen hat. Über eine Zeitungsannonce, in der nach Ansichtskarten mit Schweizer Motiven gesucht wurde, kam er in Kontakt mit einem regionalen Händler und begann darauf bereits in den 1970er Jahren Ansichtskarten zu sammeln. Zunächst mit der Einschränkung auf Vorarlberg sowie dem zeitlichen Schwerpunkt vor 1918. Später kamen dann auch Karten aus umliegenden Gegenden sowie jüngere vor 1945 dazu. Um eine so reichhaltige Sammlung aufzubauen, bedarf es einer großen Beharrlichkeit und unzähliger Besuche von Tauschbörsen, die oft von Erfolg und manchmal auch vom vergeblichen Versuch geprägt waren, ein besonders seltenes Stück zu ergattern. Da die Ansichtskartensammlung der Landesbibliothek schon heute über 22.000 katalogisierte Exemplare enthält, sind viele der neu hinzugekommenen schon vorhanden, jedenfalls was die Vorderseite (Bildseite) angeht. Da aber etliche der Karten beschrieben, also „gelaufen“ sind, sind sie trotz identischer Bildseite Unikate, die Zeugnisse ihrer Zeit und für die Sozialwissenschaft eine wichtige Quelle sind. So bereits geschehen, als in einer Arbeit zu den Anfängen des Tourismus in Lech die Botschaften auf den Rückseiten ausgewertet wurden. Besonders begehrenswert, weil sehr selten, sind die ältesten Karten, die damals – noch bevor heimische Verlage wie Teutsch oder Hiller diesen Erwerbszweig entdeckten – etwa in Deutschland beim Verlag Scheiner in Würzburg erschienen. Findige Unternehmer hatten um die Wende zum 20. Jahrhundert begonnen, in großem Stil Postkarten zu produzieren und damit einer neuen Form der Kommunikation zur massenhaften Anwendung verholfen. Auch ein ganz früher Vorläufer der Postkarte, die Korrespondenzkarte, findet sich mehrfach in der Sammlung. Am 1. Oktober 1869 in der österreichisch-ungarischen Monarchie zugelassen, setzte sie sich aufgrund des geringeren Portos schnell durch. Die Vorderseite der Karte war ausschließlich der Adresse vorbehalten, die Rückseite wurde mit der Nachricht beschrieben. Die älteste Korrespondenzkarte aus der Schenkung wurde von Bludenz nach Bregenz verschickt und datiert aus dem Jahr 1869, also aus den ersten Monaten dieser postalischen Gattung.
Eine Besonderheit innerhalb der Sammlung Huter sind die etwa 1100 Fotokarten (seit heute online auf volare verfügbar) des Bregenzer Apothekers Eduard Zigna (1871-1957), der während des Ersten Weltkriegs viele Alltagsszenen ablichtete, wobei auch die unteren Ränge der gesellschaftlichen Hierarchie gezeigt werden. Ohne anklagend aufzutreten, leistete der Apotheker damit einen beachtlichen Beitrag zur frühen sozialdokumentarischen Fotografie in Vorarlberg. Seine Aufnahmen geben aber auch einen Einblick in das Familienleben einer dem gehobenen Kleinbürgertum zugehörigen Apothekerfamilie mit Landpartien und vergnüglichen Ausflügen am Bodensee, im Bregenzerwald und in anderen Gegenden Vorarlbergs. Viele der Fotos sind zart koloriert, was ihnen eine besondere Individualität verleiht. Die von Zigna angewandten Techniken erforderten umfangreiches Fachwissen, handwerkliches Geschick und eine hohe ästhetische und künstlerische Begabung. Die Sammlung Zigna befand sich im Besitz des Sammlers Georg Kispert, ehe sie den Weg in die Hände unseres Geschenkgebers fand. Von der Schönheit der Fotos beeindruckt, entstand auf dessen Initiative vor einigen Jahren in kleinster Auflage ein Bildband mit den interessantesten Fotos, ausgesucht und liebevoll kommentiert vom früh verstorbenen Historiker Reinhard Mittersteiner.
Viele Fotos zeigen den Badebetrieb am Bregenzer Bodenseeufer, der von zahlreichen Badeanstalten geprägt war. Dazu zählen das Bregenzer Frauenbad, das Badehaus des Klosters Mehrerau, die Städtische Badeanstalt, das Militärbad sowie die Lochauer Badeanstalt. 
Nach der Digitalisierung der gesamten Sammlung, konnte vor einigen Monaten auch mit der Katalogisierung der Postkarten begonnen werden. Die Reise durch Vorarlberg beginnt im Vorderen Bregenzerwald, von Doren mit zahlreichen Abbildungen der Landeskäsereischule, über Sulzberg nach Krumbach mit der guten alten Zeit im Radonbad Rossbad, dann hinüber nach Langenegg, damals noch Unter- und Oberlangenegg. Dazu kommen Ansichtskarten aus Dornbirn und vom Arlberg. Und das ist erst der Anfang: die Reise geht weiter auf www.vorarlberg.at/volare

 

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