Erwin Mohr

Alt-Bürgermeister von Wolfurt

Der europäische Traum

Mai 2019

Der amerikanische Erfolgsautor Jeremy Rifkin beschreibt in seinem gleichnamigen Buch den europäischen Traum als erstrebenswerter als etwa den amerikanischen Traum (vom Tellerwäscher zum Millionär) oder irgendeine andere nationale Vision auf unserer Erde. Er geht sogar so weit zu sagen, dass es ein Segen für die ganze Welt wäre, wenn die europäische Vision einer „leisen Supermacht“ auch in anderen Kontinenten Platz greifen würde. Nicht Waffen, Aufrüstung und Krieg entsprechen dem europäischen Traum, sondern Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Solidarität und friedliches Zusammenleben vieler Völker und Nationen seit 70 Jahren! Dies alles entstand aus der blutigen Erfahrung von zwei Weltkriegen und 65 Millionen Toten. Der australische Historiker Christopher M. Clark sieht im europäischen Modell „einen Akt transnationalen politischen Willens, der zu den größten Errungenschaften der Geschichte der Menschheit gehört“. Am Beginn dieser Entwicklung standen sich die jahrhundertelangen Todfeinde Deutschland und Frankreich gegenüber und reichten sich die Hand zum Frieden. Persönlichkeiten wie Schumann, De Gaulle, Adenauer ermöglichten diesen Traum, der Europa Frieden und noch nie da gewesenen Wohlstand brachte. 
Heute stehen wir an einem Wendepunkt: Stirbt der europäische Traum? Gibt es eine Renaissance der Grenzen, Kleingeister und Nationalkaiser, welche die europäische Idee dem Nationalismus opfern? Fast scheint es so. 
Oder setzen sich doch jene durch, die an die große Idee eines geeinten Europas als Vorbild und eines Friedensstifters in der Welt glauben und daran arbeiten. Was würde es für unsere Erde bedeuten, wenn es in Afrika, Südamerika oder Asien ein ähnliches Modell gäbe? Das wäre vielleicht der ultimative Menschheits-Traum!