Hanno Schuster

Kommunikations- und Strate- gieberater, Vorsitzender Public Relations Verband

 

Influencer oder des Kaisers neue Kleider

Februar 2021

In der Marketingwelt gibt es einen Märchenwald, bevölkert von Ideen aus Zuckerguss und schwerem Wein. Das ist der Ort, an dem die Wirklichkeit gegen den Glauben an die neuesten Trends eingetauscht wird, mögen sie auch noch so platt sein. Überzeugt von der Wirkkraft des trendigen Zufalls, applaudiert man dort begeistert den bunten Trendraketen, lernt die hippen Keywords der Frohbotschafter auswendig und schlafwandelt in den Zukunft-Workshops. „Hätte“, „Müsste“, „Würde“ sind hier König, bestimmen die Tonalität der Unterhaltung und erwarten Anbetung. Orientierung wird hier verwechselt mit dem Herbeireden von neuen Zeiten, in denen die Anstrengung professioneller Markenführung keine allzu große Bedeutung mehr hat. 
Hier fühlen sich auch Influencer wohl. Das ist die Sorte leibhaftiger Menschen, die auf Social-Media-Kanälen eifrig Megabits wohltemperierter Unterhaltung produzieren. Influencer sind der banale Ausweis dafür, in welchem Maße manche Marken ihre Orientierung verlieren, ihre Kraft an ein Setting aus uneinlösbaren Versprechen und „trendiger Coolness“ abgeben.
Und warum das alles? Geblendet von Follower-Zahlen der Influencer-Performance, sieht man die Marke „neu und schick eingekleidet“. In Wahrheit sind die neuen Kleider jedoch nur der Wunschgedanke und die Einbildung, auf die Erarbeitung einer konsistenten Markenstrategie verzichten zu können.
Der Preis für das kurzzeitige Rauschen im Netz ist das nachhaltige Verbrennen der Markenwerte. Die Markenerzählung wird an eine virtuelle Existenz im Netz ausgelagert. In diesem Kanal aber ist der Influencer die Marke. Die Produkte sind Beiwerk und abhängig von seiner Performance.
Die Marke wird zur Fassade und bleibt nackt zurück.