Simone Naphegyi

Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg 

Lebens- und Lesewelten verbinden

Juli 2020

Regelmäßig nach jeder nationalen oder internationalen Schulleistungsmessung, bei der die Lesekompetenz von Lernenden im Pflichtschulalter erhoben wird, folgen Pressemeldungen, die ein dystopisches Bild der Lesekompetenz und des Leseverhaltens von Kindern und Jugendlichen zeichnen. Man könnte meinen, die Kulturtechnik Lesen drohe auszusterben.
Schaut man sich jedoch die tatsächlichen Lesezeiten von Kindern und Jugendlichen an, die diese mit dem analogen und vor allem mit dem digitalen Lesen täglich verbringen, dann zeigt sich, dass diese Zielgruppe noch nie so viel gelesen hat wie zur heutigen Zeit. Vielleicht ist es die Wahrnehmung der noch vom analogen Bücherlesen geprägten Erwachsenen, die diese verzerrte Sichtweise herbeiführt. Denn das Leseverhalten verschiebt sich wie auch das menschliche Kommunikationsverhalten ganz deutlich vom analogen zum digitalen Lesen. Optimalerweise schaffen wir es zukünftig vermehrt und auf breiter Basis, die Verbindung dieser beiden Lebens- und Lesewelten herzustellen. Der indische Forscher Brij Kothari konnte in einer großangelegten Studie zeigen, welche positiven und nachhaltigen Effekte das Untertiteln von Fernseh- und Musiksendungen auf die Lesekompetenz von Lernenden hat. Auch die europäischen Länder mit den besten Lesekompetenzergebnissen bei den Messungen im Erwachsenenalter (PIAAC) sind Länder, in denen fremdsprachige Filme nicht synchronisiert, sondern untertitelt werden. 
Möglicherweise stecken die zukünftigen Potenziale zur Steigerung und Förderung der Lesekompetenz in der vermehrten und breit angelegten Verbindung und Vernetzung von Schrift und digitalen Filmmedien, um so die Brücke zwischen diesen beiden Lebens- und Lesewelten von Kindern und Jugendlichen zu schlagen.