Zweierlei Demokratie

Im Januar 2013 erweiterte der Vorarl­berger Landtag in einem einstimmigen Beschluss die in der Landesverfassung aufgezählten Mittel einer direkten Demokratie von der Volksabstimmung, Volksbefragung, Volksbegehren um die Förderung von anderen „Formen der partizipativen Demokratie“. Im Motivenbericht zur Regierungsvorlage dieser Verfassungsänderung sind sogenannte Bürgerräte „als vielversprechende Methode“ einer solchen demokratischen Teilhabe genannt.
Die Mitglieder eines Rates werden durch eine Organisationseinheit einer Behörde nach dem Zufallsprinzip aus der gesamten Bevölkerung ausgewählt. Ihre Zahl ist im kleinen zweistelligen Bereich angesiedelt. Idealerweise spiegelt er die soziologische Struktur aller Einwohner/-innen einer Region wider. Im Unterschied dazu wird in einer repräsentativen Demokratie eine direkte Mitsprache der Bürger/-innen dadurch erreicht, dass alle Stimmberechtigten die Möglichkeit haben, durch eines der drei eingangs genannten plebiszitären Instrumente eigene Anliegen an das Parlament heranzutragen. Darin sitzen Delegierte jenes Staatsvolkes, das über ein Stimmrecht verfügt. Ein Bürgerrat als Mittel der partizipativen Demokratie hingegen reflektiert auf alle, nicht nur auf die Stimmbürger/-innen. 
Der Versuch des Vorarlberger Landtages, zwei derart konträre Demokratieverständnisse miteinander zu verknüpfen, beinhaltet große Sprengkraft für jene auf dem Verhältniswahlrecht beruhende repräsentative Demokratie, die sich Vorarlberger Frauen und Männer im 19./20. Jahrhundert mühsam erkämpften. Das im März 2023 vom Amt der Landesregierung im Rahmen einer geschlossenen Enquete verabschiedete Grundsatzpapier „Impuls für eine Beteiligungsstrategie des Landes Vorarlberg“ erhöht diese Sprengkraft.

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