Wilfried Hopfner

Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Herausgeber Thema Vorarlberg

Brief des Herausgebers: Ein heißer Herbst

Oktober 2023

Nicht nur die Wetterprognosen versprechen einen heißen Herbst, sondern auch die Kollektivvertrags-Verhandlungen lassen einen solchen erwarten. Für beide Seiten – Arbeitnehmer wie Arbeitgeber – stellen sich die Rahmenbedingungen, insbesondere vor dem Hintergrund der nach wie vor extrem hohen Inflationsrate, als sehr herausfordernd dar. Neben einer vermutlich identen Sichtweise zum Kernanliegen dieser jährlichen Gesprächsrunden waren die Sichtweisen der Verhandlungspartner aber schon lange nicht mehr so weit voneinander entfernt wie heuer.
Ident gesehen wird wohl der Anspruch, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglichst hoch gehalten werden soll. Gerade diese Kernanforderung ist für alle Beteiligten – Private und Öffentliche Haushalte und Wirtschaft – von extremer Wichtigkeit, und gerade wohl auch daher außer Streit gestellt. Auch ist aus Sicht der Wirtschaft der Anspruch der Gewerkschaften nach einer bestmöglichen Partizipation der Dienstnehmer an den erzielten Produktivitätssteigerungen nachvollziehbar.
Damit ist die Gemeinsamkeit aber wohl schon umfassend dargestellt. Wenn die Arbeitnehmerseite ergänzend zum vollen Inflationsausgleich – ist das wirklich alleinige Aufgabe der Wirtschaft? – noch zusätzlich die Produktivitätssteigerung und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich oder die Ausweitung des Urlaubsanspruchs fordert, dann ist der Bogen wohl mehr als überspannt.
Sind doch die Belastungen für Unternehmen – gestiegene Energiekosten, hohe Rohstoffpreise und vor allem die konjunkturellen Erwartungen – mehr als nur herausfordernd und für manche sogar als gefährdend einzustufen. Und Arbeitszeitverkürzungen würden die Situation am Arbeitsmarkt, der aus demografischen Gründen ohnehin bereits stark angespannt ist, weiter verschärfen. Was die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung betrifft, ist zudem ein Faktum: Anders als in den 1970er- und 1980er-Jahren, ist ein solcher Schritt mit den heutigen Produktivitätsverbesserungen keinesfalls zu finanzieren.
Fakt bleibt auch, dass massive Lohn- und Gehaltssteigerungen die Lohn-Preis- Spirale weiter anheizen würden. Und wenn die Gewerkschaften im Umkehrschluss von einer Gewinn-Preis-Spirale reden, dann greift das wohl zu kurz. Sind es doch die Gewinne der Unternehmen, welche nachhaltig Unternehmen und Arbeitsplätze sichern! Die Gewinne sind es, welche das unternehmerische Risiko abdecken, die Eigentümer befrieden und nachhaltig den Unternehmensfortbestand garantieren – und das auch für die Mitarbeitenden! Last but not least wird aufgrund der Gewinne auch die KöSt bezahlt und damit ein beträchtlicher Anteil zum Steueraufkommen geleistet!
Aus meiner Sicht müssten auch die bisherigen Maßnahmen der Regierung, wie die Abschaffung der kalten Progression sowie diverse Direktförderungen, wie die Energiekostenzuschüsse, in den Verhandlungen gewürdigt werden. Denn die positiven Auswirkungen daraus sind bereits auf den Gehaltskonten der Mitarbeitenden angekommen. Auch die Schaffung der Möglichkeit zur Gewährung eines steuerfreien jährlichen Bonus in Höhe von 3000 Euro, der zugegebenermaßen noch mehr genutzt werden könnte, sollte in den Verhandlungen entsprechend anerkannt werden. Es ist wohl auch außer Streit gestellt, dass nur die Vergangenheit gemessen und bewertet werden kann, während sich die künftigen Rahmenbedingungen bestenfalls erahnen lassen und damit schwer einzuschätzen sind. Dennoch müssen die aufziehenden Gewitterwolken ernst genommen werden.
Damit steht die auch international beachtete Sozialpartnerschaft, wie sie Österreich kennt und vielfach auch schätzt, heuer also vor einer besonderen Belastungs-, ich meine sogar einer Bewährungsprobe. Hoffentlich wird wieder ein Kompromiss gefunden, welcher die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts einerseits und die Partizipation der Mitarbeitenden andererseits sicherstellt. Denn die Menschen brauchen die Wirtschaft, wie auch die Wirtschaft die Menschen braucht!

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