David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Bürokratieabbau mit Regeln

Oktober 2024

Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist nach den Wahlen nicht besser als zuvor. Der Wohlstand im Land nimmt ab, und es ist zu erwarten, dass die Wirtschaftsleistung im Jahr 2024 erneut schrumpfen wird. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt, dass das Produktivitätswachstum stagniert und es an Innovationskraft fehle.

Mehr Schwung durch weniger Bürokratie
Die Vorstellungen der verschiedenen Parteien darüber, wie das Land der aktuellen Krise entkommen kann, gehen stark auseinander. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch darin, dass Österreich nicht mehr, sondern weniger Bürokratie braucht. Doch wie kann Bürokratie abgebaut werden?
Viele bürokratische Vorschriften wurden aus einem bestimmten Grund und oft mit dem Ziel eingeführt, ein insgesamt gutes Ergebnis im Sinne der Bürger zu erzielen. Um beurteilen zu können, welche spezifischen Regulierungen nicht oder nicht mehr zweckmäßig sind, bedarf es tiefgehenden Detailwissens. Die wenigen, die über dieses Wissen verfügen, sind vor allem die Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungen. Es ist verständlich, dass diese Mitarbeiter kaum Anreize haben, sich im großen Stil selbst wegzurationalisieren. Daher ist es nachvollziehbar, dass vergangene Versuche, einen Bürokratieabbau über die Verwaltung selbst zu organisieren, häufig gescheitert sind.

Bürokratieabbau mit Regeln
Anstatt zu versuchen, einzelne bürokratische Vorschriften zu identifizieren, die möglicherweise überflüssig oder unzweckmäßig sind, sollte ein institutioneller Rahmen geschaffen werden, der den Abbau von Bürokratie nach allgemeinen Prinzipien beziehungsweise Regeln ermöglicht. Zwei Regeln für den Bürokratieabbau könnten dabei hilfreich sein.
Regel 1 – Doppelregulierungen dürfen nicht bestehen: Sobald ein politisches Ziel durch eine spezifische regulatorische Maßnahme angegangen wird, dürfen keine zusätzlichen Regelungen eingeführt werden, die dasselbe Ziel verfolgen. Diese Regel für den Bürokratieabbau hat weitreichende Konsequenzen. Als anschauliches Beispiel dienen die vielfältigen impliziten und expliziten Regulierungen im Umwelt- und insbesondere im Klimabereich. Hier hat die Europäische Union den Emissionshandel (EU-ETS I) als Eingriff zur Reduktion von CO2-Emissionen etabliert. Im EU-ETS werden regulatorisch Obergrenzen für Emissionen festgelegt, wodurch ein CO2-Preis zustande kommt, der Unternehmen dazu anregt, ihre Emissionen zu senken und so ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Für Sektoren, die noch nicht im EU-Emissionshandel erfasst sind, gibt es in Österreich die nationale CO2-Bepreisung, die ab 2027 durch den erweiterten EU-Emissionshandel (EU-ETS II) ersetzt wird. Bereits jetzt wird also über den EU-ETS I und die nationale CO2-Bepreisung das Ziel des Klimaschutzes über den regulatorischen Eingriff der Etablierung eines Emissionshandels angegangen. Jede weitere Regulierung zum Klimaschutz kann insofern als Doppelregulierung betrachtet werden und gehört, gemäß Bürokratieabbauregel, abgeschafft. Ähnliches gilt für viele Dokumentationspflichten, sofern diese nicht zwingend für das Funktionieren des Emissionshandels notwendig sind. Vereinfacht gesagt, regulieren nahezu alle bestehenden Vorschriften mit dem Ziel des Klimaschutzes im Baubereich, bei Heizungen, im Verkehr usw. bereits Aspekte, die durch den Emissionshandel mit abgedeckt sind. Da „Doppelregulierungen nicht bestehen dürfen“, ist das Potenzial für den Bürokratieabbau riesig.
Regel 2 – Hat eine staatliche Stelle eine Information, darf eine andere diese nicht nochmals verlangen: Diese zweite Regel zum Bürokratieabbau zielt auf die vielen redundanten Informationsabfragen ab, die Bürger und Unternehmen oft durchlaufen. Es ist unnötig, dass staatliche Stellen Daten von Bürgern oder Unternehmen anfordern, die anderen staatlichen Stellen bereits vorliegen. Stattdessen sollten Informationen, die bereits bei einer Behörde vorhanden sind, von anderen Stellen genutzt werden können – natürlich nur einmalig für den jeweiligen Fall und mit der ausdrücklichen Zustimmung des betroffenen Bürgers, um den Datenschutz zu gewährleisten. Wenn beispielsweise eine Gemeinde Daten eines Bauherrn benötigt, die bereits bei einer anderen Behörde vorhanden sind, sollte sie diese direkt dort anfragen müssen, anstatt den Bürger dazu zu verpflichten, die Informationen selbst zu bringen. Dadurch wird die Verwaltung auch gefordert, ihre Effizienz schnell zu erhöhen. So impliziert die zweite Bürokratieabbauregel mitunter, dass bei Anträgen von Bürgern die Behörden große Teile bereits vorab selbst ausfüllen müssen, da ihnen oder anderen staatlichen Stellen viele der benötigten Daten realistischerweise vorliegen. Gewisse Dokumentationspflichten müssen dann ebenfalls durch die Behörden selbst erfolgen und nicht durch Bürger oder Unternehmen. Vermutlich würde so manche Dokumentationspflicht dann plötzlich abgeschafft, da die Behörden selbst Schwierigkeiten hätten, all die Informationen voneinander zu beschaffen und zu sortieren. 

Schlanke Verwaltung als Vorbild
Im Idealfall müssen die Bürokratieabbauregeln „Doppelregulierungen dürfen nicht bestehen“ und „Hat eine staatliche Stelle eine Information, darf eine andere diese nicht nochmals verlangen“ vor Gerichten einklagbar sein. Bürger und Unternehmen, die der Meinung sind, dass ihre Handlungen bereits doppelt reguliert werden, sollten ein Klagerecht gegen die potenziellen Doppelregulierungen erhalten. Dadurch würden das Wissen und die Erfahrung der Bürger aktiv genutzt, um unnötige Bürokratie zu identifizieren und abzubauen. Die Verwaltung müsste sich hingegen verteidigen, dass gewisse Regeln möglicherweise doch nicht doppelt gemoppelt sind. 
Wenn es einer neuen österreichischen Regierung gelingt, diese beiden grundsätzlichen Bürokratieabbauregeln klug zu verankern, könnte das Land nicht nur sein Produktivitätswachstum steigern, sondern auch zum Vorbild für andere europäische Staaten werden. Ein Bürokratieabbau wäre nämlich nicht nur ein Segen für Österreich, sondern für die gesamte Europäische Union, die wirtschaftlich zunehmend hinter die Vereinigten Staaten zurückfällt. Eine österreichische Regierung, die den Bürokratieabbau ernsthaft mit klaren Regeln umsetzt, könnte somit Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien zeigen, wie eine schlanke und effiziente Verwaltung aussehen kann.

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