
Arbeit ohne Ende – auch im Zeitalter der KI
Macht die Künstliche Intelligenz (KI) uns alle arbeitslos? Oft wird behauptet, Maschinen und Roboter nähmen den Menschen die Arbeit weg. Nun ist KI ein neues Schreckgespenst. Manche prophezeien, KI werde Massenarbeitslosigkeit auslösen. Diese Sichtweise verkennt grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge und Lehren aus der Geschichte. KI wird die Arbeit langfristig massiv verändern, sie uns aber nicht nehmen.
Technologischer Wandel und Arbeitslosigkeit
Technologischer Wandel ist kein neues Phänomen. Seit der Mensch den Faustkeil erfand, bemüht er sich, seine Arbeit effizienter zu gestalten. Frühe Werkzeuge erleichterten mühsame Handarbeit, moderne Roboter ermöglichen es, dass wir uns auf völlig neue Tätigkeiten konzentrieren. Die Vorstellung, man müsse Arbeitsplätze vor dem technologischen Wandel schützen, um sie zu erhalten, ist absurd. Wer tatsächlich mehr „Arbeit“ schaffen möchte, müsste konsequenterweise Maschinen wie Bagger durch Schaufeln ersetzen – oder gleich durch Teelöffel.
Dass Maschinen menschliche Arbeit verändern und verdrängen, ist kein Skandal, sondern großartig. Sie erhöhen die Produktivität, senken Preise und ermöglichen dadurch Wohlstand. Gesellschaften, die viel physisches Kapital wie Maschinen, Roboter, aber auch moderne Algorithmen und KI einsetzen, sind reicher als solche, die sich weitgehend auf reine Handarbeit stützen müssen. Viele Entwicklungsländer sind nicht deshalb arm, weil es dort zu wenig Arbeit gäbe, sondern weil diese Arbeit mangels technischer Unterstützung nicht besonders produktiv ist.
Der ökonomische Blick auf den Wandel
Auch wenn neue Technologien zu Beginn oft für Unruhe und manchmal Angst sorgen, zeigt eine ökonomische Analyse, dass die Sorge vor Massenarbeitslosigkeit unbegründet ist. Zentral ist der relative Preis neuer technologischer Lösungen im Vergleich zum menschlichen Arbeitseinsatz. Maschinen, Computer oder KI verdrängen den Menschen dort, wo sie bei gleicher Qualität günstiger oder bei gleichen Kosten besser sind. In der Folge werden Produkte erschwinglicher und oft hochwertiger. Dank roboterunterstützter Fertigungsstraßen sind Autos heute günstiger und sicherer als vor fünfzig Jahren. Bankdienstleistungen wie Zahlungsabwicklungen oder komplexe Zinsberechnungen sind dank Computern schneller und dank Smartphones allgegenwärtig. Die gesparten Ressourcen fließen in andere Bereiche, der Lebensstandard steigt.
Ein Blick auf die vergangenen fünfzig Jahre zeigt, wie sich die Arbeitswelt an neue Technologien angepasst hat. Manche Tätigkeiten verschwanden, neue entstanden, wieder andere wurden aufgewertet: Die Schreibkraft wurde zum Sekretär, der Sekretär zum Sachbearbeiter, der Sachbearbeiter zum Berater. Möglicherweise wird der Berater in Zukunft vollständig durch KI ersetzt. Oder er entwickelt sich zur KI-unterstützten, einfühlsamen Vertrauensperson, die der jeweiligen Kundschaft hilft, ihre Wünsche so zu formulieren, dass die KI eine wirklich intelligente Lösung erstellen kann.
Dank des Wandels entstehen neue Aufgabenbereiche, die menschliche Arbeitskraft erfordern. Internet, Cloud und Apps ermöglichen neue Formen der Vermarktung, neue Unterhaltungsangebote, Kommunikationswege und sogar neue Möglichkeiten der Partnersuche fürs Leben. In all diesen Bereichen sind neue Tätigkeitsfelder entstanden.
Alles anders diesmal wegen KI?
Die aktuelle Diskussion um KI ist nicht nur reich an düsteren Prognosen, sondern auch an Superlativen. Manche sehen in Systemen wie ChatGPT den Auftakt zu einer neuen industriellen Revolution. Die Unternehmensberatung McKinsey etwa prognostiziert, dass KI zusammen mit anderen Automatisierungstechnologien das jährliche Wirtschaftswachstum um bis zu 3,4 Prozentpunkte steigern könnte. Das wäre wahrlich höchst beachtlich. Bei solchen Prognosen darf man jedoch nicht vergessen, dass McKinsey seine von Menschen erbrachten Beratungsleistungen auch an jene verkaufen möchte, die glauben, dass KI kurzfristig alles verändern wird. Nüchterner fällt die Einschätzung des Ökonomen und Nobelpreisträgers Daron Acemoglu aus. In einer aktuellen Studie kommt er bei optimistischen Annahmen auf ein Produktivitätsplus von lediglich 0,66 Prozent über die nächsten zehn Jahre.
Die Auswirkungen von KI auf die Einkommensverteilung dürften sich ebenfalls vorerst in Grenzen halten. Zwar legen erste Untersuchungen nahe, dass KI insbesondere weniger qualifizierten Beschäftigten dabei helfen kann, ihre Produktivität zu steigern. Doch eine deutliche Reduktion der Lohnungleichheit ist dadurch nicht zu erwarten. Vieles spricht eher dafür, dass der Anteil der Kapitaleinkommen am Volkseinkommen durch den Einsatz von KI steigen wird.
Trotz der unbestreitbaren Chancen ist nicht jede neue Tätigkeit, die im Zuge des KI-Einsatzes entsteht, gesellschaftlich wünschenswert. Algorithmische Manipulation, Deepfakes oder der Missbrauch von KI in sozialen Netzwerken könnten negative Wohlfahrtseffekte hervorrufen. Umso wichtiger ist eine verantwortungsvolle Gestaltung des Wandels – jedoch ohne in übermäßige Regulierung zu verfallen.
So geben bisherige, besonders schnelle Regulierungsansätze der Europäischen Union durchaus Anlass zur Sorge. Das 2023 verabschiedete KI-Gesetz wurde von den Verantwortlichen als weltweit erstes umfassendes Regelwerk gefeiert. Doch vermutlich auch deshalb findet Innovation im KI-Bereich eher außerhalb Europas statt. Ein Rückstand bei KI dürfte mittel- bis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand gefährden. Immerhin scheint in der EU allmählich die Erkenntnis zu reifen, dass die Überregulierung von KI die Innovationstätigkeit hemmt.
Realistisch betrachtet neigen wir dazu, die kurzfristigen Auswirkungen neuer Technologien weit zu überschätzen. Das erklärt vielleicht den Drang mancher Entscheidungsträger, neue Technologien wie KI frühzeitig regulieren zu wollen. Gleichzeitig unterschätzen wir in der Regel die langfristigen Folgen ganz erheblich. KI wird, ähnlich wie Computer oder Internet, die Arbeitswelt über viele Jahrzehnte hinweg tiefgreifend verändern. Eines jedoch ist gewiss: Der Bedarf an Arbeit wird nicht verschwinden, denn es gibt immer viel zu tun.
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