Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Das ist ein Drama“

Oktober 2020

Franz Schellhorn (51), Direktor der Denkfabrik „Agenda Austria“, sagt im Interview, dass Unternehmertum in Österreich zu wenig wertgeschätzt wird: „Wer Erfolg hat, wird kritisiert, wer scheitert, ist der Depp der Nation. Kaum noch jemand erkennt, wie hoch der volkswirtschaftliche Wert des Unternehmertums ist.“

Herr Schellhorn, auch wenn die Frage banal klingen mag. Aber: Werden Unternehmertum und unternehmerisches Risiko in Österreich ausreichend wertgeschätzt?
Nein, das ist eines der ganz großen Probleme in diesem Land. Kaum jemand erkennt, wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die eine Idee haben und dieser Idee unter dem Eingehen enormer finanzieller Risiken zum Durchbruch verhelfen. Kaum noch jemand, der erkennt, wie hoch der volkswirtschaftliche Wert des Unternehmertums ist. Wer es schafft und hohe Gewinne schreibt, setzt sich der Kritik aus, den Beschäftigten zu wenig gezahlt und von den Kunden zu viel verlangt zu haben. Und wer scheitert, ist der Depp der Nation. Am besten sind in den Augen der Bevölkerung jene Unternehmer dran, die gerade einmal eine schwarze Null schreiben. 

Warum? Weil der gelernte Österreicher Wirtschaft bestenfalls für einen Selbstzweck der Unternehmer hält?
Das ist es ja auch, was sie seit vielen Jahren immer hören. Und wenn man einen Blick in die Schulbücher von AHS-Schülern wirft, findet man auch einige Antworten darauf, warum das so ist. Der Unternehmer wird hier als grundsätzlich zweifelhafte Figur gezeigt, als potenzieller Ausbeuter, der nur daran interessiert ist, Mitarbeitern wenig zu zahlen und Kunden hohe Preise zu verrechnen. Das alles mit dem Ziel, rücksichtslos seine Gewinne zu maximieren. Mit diesem Bild verlassen die meisten Jugendlichen die Schulen. Das ist ein Drama. Und dieses Drama wird sich mit der Corona-Krise noch verschärfen. Viele Menschen werden verstärkt in den Staatsdienst drängen, weil sie sehen, wie viel eine unkündbare Stelle wert ist. 

Kaum noch jemand erkennt, wie hoch der volkswirtschaftliche Wert des Unternehmertums ist.

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Menschen gut, so hatte ein alter Slogan gelautet, der mehr und mehr in Frage gestellt worden ist, dessen Gültigkeit aber jetzt bewiesen sein dürfte, oder?
Also wenn diese Krise etwas bewiesen hat, dann eines: Eine Welt ohne Wirtschaftswachstum bietet keinen wirklich schönen Anblick. Dabei wurde uns von der Post-Wachstums-Bewegung ja jahrelange erklärt, dass wir auch mit weniger Wachstum auf einem hohen Wohlstandsniveau leben können. Das sind dieselben Leute, die nun davon reden, dass die Menschen endlich wieder mehr Zeit für die Familie, fürs Brotbacken und fürs Töpfern haben. Das halte ich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit für höchst zynisch. Zumal die Pleitewelle ja gerade erst ins Rollen gekommen ist. 

Wirtschaft und Gesellschaft sind unteilbar. Wirtschaft schafft Arbeit. Und Arbeit schafft Wohlstand. Lässt sich dem noch widersprechen?
Aus meiner Sicht nicht. Aber wie gesagt, nicht zuletzt in der Wissenschaft gibt es viele, die das anders sehen. In der akademischen Welt ist jenes Lager im Vormarsch, das behauptet, wir müssten uns das benötigte Geld nur drucken. Wohlstand aus der Notenpresse sozusagen. Aber die Vergangenheit hat in unzähligen Feldversuchen eines bewiesen: So etwas wie den anstrengungslosen Wohlstand gibt es nicht. Und es wird ihn auch in Zukunft nicht geben. 

In einem „Spiegel“-Kommentar hieß es, weniger sei eben doch weniger – und nicht mehr, wie „so mancher Schönwetter-Philosoph“ den Menschen vor der Pandemie noch habe weismachen wollen.
Das stimmt. Interessant war ja auch, dass das Thema der Deutsch-Zentral­matura der „overtourism“ war. Nun zeigt sich sehr klar, wie es aussieht, wenn weniger Gäste ins Land kommen, allen voran in die Städte. 

 

Eine Welt ohne Wirtschaftswachstum bietet keinen wirklich schönen Anblick.

Sie haben da einmal gesagt: „Wohlgenährt lässt sich leicht über mehr Bescheidenheit sinnieren.“
Dieses Zitat bezog sich auf die Aussagen vieler Intellektueller, aber auch einiger Unternehmer, die meinten, wir müssten eben lernen, mit weniger auszukommen. Der Publizist Wolf Lotter meinte dazu einmal vor Jahren in der Agenda Austria: „Das ist so, als würde man in die Entwicklungsländer fahren und den Menschen dort sagen: Hört auf zu wachsen, wir haben schon alles!“ Wer den Slogan „weniger ist mehr“ propagiert, hat in der Regel keinen ökonomischen Druck, ist kündigungsgeschützt und bekommt sein Gehalt pünktlich am ersten jedes Monats überwiesen. 

Sie gaben eine Pressekonferenz in einem Raum, in dem ein Zitat von Harald Martenstein in großen Lettern an der Wand geschrieben steht: Kapitalismus-Kritik ist das neue Yoga. Das neue Yoga?
Ja, ich bin ein großer Fan von Harald Martenstein. Leider ist der Sager nicht von mir. Er hat in einem Satz den neuen Volkssport in den Wohlstandshochburgen des Westens beschrieben. Dabei wissen viele nicht, was Kapitalismus eigentlich bedeutet. Dass es sich um einen politischen Kampfbegriff handelt, der von seinen Gegnern erfunden wurde. Die meisten Menschen denken an Profitgier, Ausbeutung und Unterdrückung. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht um ein System, in dem Vertragsfreiheit herrscht, die Produktionsfaktoren im Privateigentum stehen und die Preise nicht vom Staat verordnet, sondern sich im Spiel von Angebot und Nachfrage bilden. Indem jeder, der eine Idee hat, diese anderen anbieten kann – und das mittlerweile weltweit. Dieses Wirtschaftssystem hat die Ungleichheit in der Welt mehr zurückgedrängt als alle Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und internationalen Organisationen zusammen. Trotzdem wollen viele Menschen „den Kapitalismus“ abschaffen, ohne eine Alternative anbieten zu können. 
 
Sie schrieben im Profil: „Das Corona-Virus gefährdet nicht nur unsere körperliche Gesundheit. Es scheint auch unseren Hausverstand befallen zu haben.“ Inwiefern?
Insofern, als uns das Virus in eine Fantasiewelt katapultiert hat. Wir tun so, als könnten wir uns aus dieser Krise befreien, indem wir einfach weniger arbeiten, alle Arbeitslose beim Staat anstellen, die halbe Wirtschaft verstaatlichen und das dafür benötigte Geld kurzerhand aus dem Keller der EZB in Frankfurt holen. 
 
Ihnen sei kein Land bekannt, das mit weniger Arbeiten aus der Krise gefunden habe, sagten Sie jüngst in der „Zeit im Bild“ ...
Genauso ist es. Zuletzt hat das Frankreich versucht. Das Ergebnis war, dass die Unternehmen die höheren Kosten den Kunden verrechnen wollten, diese aber auf günstigere Produkte und Dienstleistungen aus dem Ausland ausgewichen sind. Wodurch sich die Nachfrage nach französischen Produkten abgeschwächt hat und am Ende nicht mehr Jobs geschaffen wurden, sondern Jobs weggefallen sind. Eine Verkürzung der Arbeitszeit funktioniert nur dann, wenn die Produktivität in einem höheren Ausmaß steigt, als die Arbeitszeit reduziert wird. Wenn man also in 35 Stunden deutlich mehr erwirtschaftet als vorher in 40 Stunden. 

Eine Forderung von Ihnen lautet: „Man sollte liberalisieren, wo man kann, um der Wirtschaft in dieser Krise zu helfen.“ Bitte um konkrete Beispiele ...
Das wird Ihre Leser nicht freuen. Aber ich bin der Meinung, dass wir uns den strengsten Ladenschluss in ganz Europa nicht mehr länger leisten können. Und ich glaube auch, dass die Gewerbeordnung modernisiert werden soll. Es gibt noch sicher 15 bis 20 Branchen, die einer strengen Regulierung unterworfen sein sollten, weil deren Ausübung Leib und Leben gefährdet. Aber in vielen Fällen sollte eine abgeschlossene Lehre mit einem Jahr Berufsausübung jedem jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich selbstständig zu machen. Es ist auch ein Witz, dass in Wien Uber der Saft abgedreht wird, indem allen Taxiunternehmen fixe Preise vorgeschrieben werden. Wir sollten den technologischen Wandel forcieren, statt ihn zu sedieren. Diese Liberalisierungen würden die Wirtschaft nicht ins Boomen bringen. Aber sie wären ein wichtiges Signal. Sie würden zeigen, dass die Regierung alles tut, um mehr Menschen ins Unternehmertum zu bringen.

Kommentare

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er hat recht, es ist sehr schwierig in österreich selbstständig zu werden wenn man "etwas kann" wenn man "nichts kann" darf man sofort loslegen "freies gewerbe" " in vielen Fällen sollte eine abgeschlossene Lehre mit einem Jahr Berufsausübung jedem jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich selbstständig zu machen" diesen ansatz finde ich richtig man sollte dann nach und nach mit zusatz ausbildungen und prüfüngen bzw. abnahmen die jung unternehmer fordern --> Man wächst mit der aufgabe wir "Vorarlberger" sind die besten im tüfteln. die besten köpfe habe eine Lehre als Fundament fürs entwicklen. die Universitäten produzieren keine Entwickler.