Lukas Fleisch

Referent für Wirtschaftspolitik in der Wirtschaftskammer Vorarlberg mit den Schwerpunkten Umwelt- Energie- und Klimapolitik, Raumplanung und Baurecht.

Die Besteuerung des Klimas

November 2021

Die Bundesregierung will mit der ökosozialen Steuerreform Bevölkerung und Betriebe entlasten und das Klima retten. Obwohl die Maßnahmen in die richtige Richtung gehen, ist fraglich, ob die ökologische Seite dieser Reform effektiv zum Klimaschutz beitragen kann. Vergessen wird in jedem Fall, dass Klimapolitik nur international funktionieren kann.

Am 3. Oktober kündigte die Bundesregierung die Eckpunkte zur seit langem erwarteten ökosozialen Steuerreform an, die dazu beitragen soll, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Nach langen Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern wurde ein Entlastungsvolumen von insgesamt 18 Milliarden Euro bis zum Ende der Legislaturperiode beziehungsweise sechs Milliarden Euro jährlich fixiert. Eine wirklich stattliche Summe und nach eigenen Angaben der Bundesregierung „die größte Steuerentlastung in der zweiten Republik“. Nun hat dies bekanntermaßen beinahe jede Bundesregierung über von ihr gesetzte fiskalische Entlastungspakete gesagt. Viel interessanter als ein retrospektiver Vergleich in der Diktion „Wer bietet mehr?“ erscheint aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem scheinbar neuen Thema der CO2-Bepreisung, mit Umweltsteuern, mit dem internationalen Umfeld und den zu erzielenden Effekten. Und die fällt bisweilen gar nicht so einfach, denn eine seriöse volkswirtschaftliche Analyse und Einordnung der Entlastungsmaßnahmen und Umwelteffekte ist zum aktuellen Zeitpunkt nur bedingt möglich, da – wie in unserer medienzentrierten Politarena üblich – vorerst eben nur die Eckpunkte vorgestellt wurden. Diese wurden hinlänglich prognostiziert, debattiert, kritisiert und gelobt. Dabei vergisst man allerdings schnell, dass eine konkrete rechtliche Ausgestaltung, wohl auch aufgrund bekannter bundespolitischer Zerwürfnisse, nach wie vor offen ist. Es wäre also höchst an der Zeit, den Aufmerksamkeitsfokus wieder auf dieses doch sehr drängende Thema unserer Zeit zu richten. Auch deshalb, weil wir uns, insbesondere was Ökologisierungsschritte betrifft, in einem höchst dynamischen europäischen Umfeld bewegen, dessen Rahmenbedingungen sich in den kommenden Jahren noch maßgeblich ändern werden. Man denke nur an das kürzlich vorgestellten Klimapaket der Europäischen Kommission oder die enorme Preisdynamik am internationalen Energiemarkt. Dies alles wird auch die nationalen Bemühungen massiv beeinflussen.

Was bringt‘s?

Der selbst gesetzte politische Anspruch dieser Reform, der sowohl Menschen und Unternehmen entlasten als auch Kostenwahrheit in Bezug auf CO2-Emissionen herstellen und eine wachstumsfördernde Standortpolitik sicherstellen soll, darf durchaus als löblich bezeichnet werden. Unabhängig davon, ob diesem Anspruch mit dem vorgelegten Paket Genüge getan wird, kann attestiert werden, dass damit realpolitische Druckpunkte aufgegriffen wurden. Österreich ist ein Hochsteuerland, und wir haben offenkundige Herausforderungen beim CO2-Ausstoß. Um diesen Herausforderungen zu begegnen benötigen wir Steuerungsinstrumente. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist es daher nur einleuchtend, Instrumente zu implementieren, die Möglichkeiten geben, derartige Lenkungsmaßnahmen zu setzen. Dabei stellt sich wie so oft die Frage, auf welcher Ebene diese sinnvollerweise implementiert werden. Nun steht also auf nationaler Ebene ein mögliches Instrument im Raum. Ob sich dieses im Sinne des weltweiten Klimaschutzes überhaupt bemerkbar machen wird, darf in Anbetracht des verschwindend geringen CO2-Ausstoßes, den Österreich im globalen Gefüge beiträgt – grob geschätzt rund 0,2 Prozent – durchaus kritisch hinterfragt werden. Was uns natürlich nicht von unseren Sünden freispricht, denn der pro Kopf-Ausstoß ist wie in den meisten industrialisierten Ländern entsprechend hoch. Vielmehr sollte es aufzeigen, dass eine wirklich zufriedenstellende Lösung wohl nur auf geopolitischer Ebene erwirkt werden kann. Bei der ganzen Debatte wird jedoch oft vergessen oder ausgeklammert, dass umwelt- und klimarelevante Steuerungswerkzeuge auf internationaler Ebene bereits seit Jahrzehnten üblich sind. Und es wurde auch bisher ordentlich an diesen Schrauben gedreht. 
Alter Wein aus neuen Schläuchen?
Denn entgegen vieler anderslautender Meldungen besitzt auch Österreich bereits seit vielen Jahren ein umfangreiches Ökosteuer-Regime. Gemäß der von der Statistik Austria erhobenen Daten beliefen sich die Einnahmen aus Ökosteuern allein im Jahr 2019 auf rund 9,8 Milliarden Euro, um 750 Millionen Euro mehr als noch im Jahr 2016. Gegenüber dem Referenzjahr 1995 hat sich das nominelle Aufkommen an Ökosteuern mehr als verdoppelt. Hinzuzurechnen wären hier auch ökologisch relevante Abgaben, die nicht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufscheinen, da sie per Definition keine Steuern sind – selbstverständlich wirken sie sich aber auf unser Umweltverhalten und somit auch auf den CO2-Ausstoß aus. Darunter fallen insbesondere Wasser-, Abwasser- und Müllgebühren, Lkw-Maut, Vignetten- und Parkgebühren. Diese Zahlungen sind zwischen 1995 und 2019 um über 300 Prozent angestiegen und beliefen sich im Jahr 2019 auf beinahe fünf Milliarden Euro. In Summe nähern wir uns also allein in Österreich einem Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro an umweltrelevantem fiskalischem Aufkommen, was als durchaus beachtlich bezeichnet werden kann. Nun lässt die Höhe der Einnahmen per se noch keine direkten Rückschlüsse auf den tatsächlichen Lenkungseffekt derartiger Ökosteuern zu, da diese natürlich auch von Faktoren wie Preis, Konjunktur und Nachfrage stark beeinflusst werden. Dennoch sprechen die Indizes eine deutliche Sprache. Es wurde unabhängig von der jeweiligen Motivlage in den vergangenen Jahrzehnten nicht tatenlos zugesehen, wie das von vielen Seiten häufig suggeriert wird. Mit der jetzt vorgestellten Reform sollen nun weitere Impulse in diese Richtung gesetzt werden, denn der CO2-Ausstoß ist unbestritten und nach wie vor ein Thema, das wir noch gezielter anzunehmen haben. Ob Maßnahmen wie CO2-Bepreisung und Ökobonus die gewünschten Lenkungseffekte haben werden, bleibt zu hoffen und abzuwarten. Viel interessanter und wichtiger ist in einem ersten Schritt, dass wir uns aktiv und auf internationaler Ebene mit diesen Werkzeugen auseinandersetzen, sie vergleichen, testen und nach Möglichkeit aufgreifen, umlegen und standardisieren, auch um negativen Standorteffekten vorzubeugen. Dies entspricht auch dem Ansatz des amerikanische Politologen Robert Keohane, der in einem viel beachteten Beitrag bereits 2010 die Wirkungslogiken der internationalen Klimapolitik analysiert hat. 

Klimapolitik ist Standortpolitik

Apropos Standort! Ähnlich wie bei den nationalen und regionalen CO2-Ausstößen erscheint es auch bei nationalen Ökosteuerregimen sinnvoll, sie in einen internationalen Kontext zu setzen. Dies deshalb, weil Staaten im steuerlichen Wettbewerb zueinanderstehen und die relative beziehungsweise absolute Besteuerung dadurch einen wesentlichen Standortfaktor darstellt. Deshalb wird der relative Ökosteueranteil häufig in Relation zu den übrigen erfassten Steuern und Abgaben gesetzt. Und hier zeigt sich das hinlänglich bekannte Bild, dass Österreich eine überdurchschnittlich hohe Gesamtsteuerbelastung aufweist. In einer viel zitierten Statistik der europäischen Kommission weist Österreich mit 42,4 Prozent die fünfthöchste Abgabenquote innerhalb der EU auf. 
Abgesehen davon, dass diese Tatsache ohnehin gewissen Handlungsbedarf offeriert, hat sie zur Folge, dass der Ökosteueranteil im internen Verhältnis sinkt. Länder mit geringem allgemeinem Steuerniveau weisen dadurch automatisch regelmäßig einen relativ höheren Ökosteueranteil auf. Dieser statistische Anteil kann daher nur bedingt als aussagekräftiger Indikator für den Ökologiesierungs-Level herangezogen werden und muss sorgfältig interpretiert und in adäquaten Kontext gestellt werden. Was natürlich nicht immer geschieht.
Tut man dies aber, wird deutlich, dass Österreich zu den wenigen EU-Staaten zählt, die ihren relativen Ökosteueranteil in den vergangenen Jahrzehnten gesteigert haben. Und wird gar die OECD-Definition der „environmentally related taxes“ verwendet, die auch sonstige ökologisch relevante Gebühren und Abgaben enthält, wird sichtbar, dass die Alpenrepublik bei der Ökobesteuerung pro Kopf einen internationalen Spitzenplatz einnimmt. Nun kann man natürlich sagen, dies alles genügt nicht, um unsere Klimaziele zu erreichen, und wahrscheinlich stimmt das auch. Leider gibt es aber auch Verantwortlichkeiten, politische sowie faktische Sachzwänge und Pfadabhängigkeiten, die in einem demokratischen Rechtsstaat ihre Berechtigung haben und die nicht so ohne weiteres vom Tisch gewischt werden können.
Denn in Anbetracht der überaus hohen Abgabenquote sind hierzulande tatsächlich nur sehr begrenzte Spielräume für neue Steuern vorhanden. Insbesondere der Faktor Arbeit wird im internationalen Vergleich besonders stark besteuert. Trotz dieser beschäftigungspolitisch problematischen Dominanz der Abgaben auf Arbeit werden hier regelmäßig vermeintliche Spielräume für eine Ökologisierung des Steuersystems gesehen. Der häufig vorgeschlagene und nun teilweise aufgegriffene Weg, eine Ökosteueranhebung im Abtausch gegen eine Lohnnebenkostensenkung aufkommensneutral zu gestalten, ist allerdings keine einfache Aufgabe, vor allem für den Bundeshaushalt. So würde beispielsweise eine zehnprozentige Erhöhung der Energie- und Transportsteuern einer budgetären Größenordnung von rund 800 Millionen Euro entsprechen, während eine gemittelte zehnprozentige Ermäßigung der Lohnnebenkosten eine budgetäre Mehrbelastung von rund 2,3 Milliarden Euro – also den rund dreifachen Finanzierungsbetrag – ausmachen würde. Wenn dann noch nationale Gesetze wie das momentan verhandelte Erneuerbaren Wärme Gesetz – dieses soll dem Vernehmen nach fossil betriebene Heizungen verbieten – Einnahmequellen von CO2-Steuern ausschalten, wird sich diese Finanzierungslücke weiter vergrößern. Wie so oft ist es nun mal nicht so einfach, sachorientierte, ausgewogene und wirkungsvolle politische Entscheidungen zu treffen. Dieses ganze Zahlenspiel zeigt aber eigentlich auf, wie komplex und verfahren die Situation ist und wie wenig diese ganzen Vergleiche helfen, wenn das eigentliche Problem damit kaum adressiert werden kann.

Geopolitischer Wille ist gefragt

Mit gesundem Menschenverstand ist es demnach nicht allzu schwierig zu begreifen, wie wichtig es wäre, dass wir uns seriös, sachorientiert und auf internationaler Ebene zu tatsächlich effektiven Rahmenbedingungen durchringen. Hier sollte auch unser politischer Fokus liegen. Anstatt uns ständig untereinander zu vergleichen, uns nur auf kleingliedrige Einzelmaßnahmen zu konzentrieren und uns innenpolitisch zu bekriegen und abzufeiern, sollten wir diesen Effektivitäts-Gedanken weiter verfolgen. Ganz im Sinne von Professor Michael Braungart, der kürzlich in Vorarlberg über seine durchaus provokanten Thesen referierte (siehe auch Seite 6), geht es auch beim Klimaschutz am Ende nicht darum, nur effizient – also etwas weniger schädlich – zu sein, sondern darum, nützlich beziehungsweise ohne negative Auswirkung auf das Klima zu werden. Dafür muss ein innovationsfreundliches Umfeld für die Wirtschaft hohe Priorität haben, denn nur sie kann die dafür nötigen Technologien liefern. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass wir uns zumindest auf europäischer Ebene rasch darüber einig werden, um dann geschlossen das internationale Parkett zu beackern. Und so lange dies nicht der Fall ist, werden wir uns auch gefallen lassen müssen, dass die sogenannte Klimalobby ihren Druck weiter erhöht. 

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