Hans-Peter Metzler

Alt-Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: ©Markus Gmeiner)

Die gespaltene Gesellschaft

Dezember 2021

Die Pandemie hält uns unvermindert im Bann, aber sie wird nicht die letzte Herausforderung sein in diesem Jahrzehnt der Veränderungen. Ökonom Helmut Kramer sagt beispielsweise, dass sich gegenwärtig die Perspektiven der Menschheit fundamental ändern und die „Welt mit zunehmenden, schwierigen und komplexen Problemen zu tun hat, für die sich erst teilweise Lösungen anbieten.“ Klar scheint in dieser Welt im Wandel allerdings eines zu sein: dass wir uns dem, was da kommt, nur im gesellschaftlichen Konsens stellen können.
Die Antworten auf die Anforderungen der Zukunft können nur im Miteinander gefunden werden, nicht im Gegeneinander. Und deswegen sind die Gräben, die sich in dieser Pandemie in der Gesellschaft immer stärker manifestieren, so fatal. Nehmen wir als Beispiel nur den Gegensatz zwischen jenen, die Erkenntnissen der Wissenschaft vertrauen – und jenen, die der Wissenschaft per se misstrauen. Wie soll die Pandemie bekämpft, wie die Aufgaben der Dekarbonisierung gelöst oder der Digitalisierung adäquat begegnet werden, wenn ein Teil der Bevölkerung generelles Misstrauen zum Prinzip erhebt? Und alles, was dem einen Teil der Bevölkerung klar zu sein scheint, in Bausch und Bogen verdammt, weil sich in obskuren Internet-Quellen stets einer findet, der hinter allem eine angebliche Verschwörung sieht?
Kritik ist wichtig und der Umgang mit ihr auch ein Zeichen einer offenen Gesellschaft. Und doch ist eine Grenze zu ziehen, zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik, zwischen bewiesenen und alternativen Fakten, um diesen deprimierenden Ausdruck zu bemühen. 
Bernhard Pörksen, ein deutscher Medienwissenschaftler, hat für diese Unterscheidung in einem Interview treffende Worte gefunden. Pörksen hat gesagt, es gebe „die berechtigte, die gute Skepsis, den Zweifel, ob auch alles so stimmt, was einem aus der Öffentlichkeit entgegentritt.“ Und dann gebe es „eine zunehmend entfesselte Pseudoskepsis, die dann den Pauschalverdacht formuliert, den großen Verdacht.“ Pörksens Worte stammen aus der Zeit vor der Pandemie, die vergangenen Monate haben gezeigt, wie treffend formuliert sie sind. Es ist diese Pseudoskepsis, die in unserer Gesellschaft einen tiefen Riss hat entstehen lassen. Diesen Riss bestmöglich zu kitten, wird und muss eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe sein.

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