Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Herbert Motter

Die Kraft der Innovation

Mai 2016

Im Flugzeug von US-Präsident Obama, der Air Force One, finden sich Beschläge von Blum; Zumtobel beleuchtet Spielstätten von Borussia Dortmund; hinter jedem gängigen Automodell, von Mercedes bis BMW, stecken Vorarlberger Zulieferer; Google baut neu und lässt ein System der Servus Intralogistics den Leichtguttransport übernehmen – Beispiele, die zeigen, wie erfolgreich Vorarlberger Unternehmen und deren Produkte sind. Dabei ist der Wettbewerb hart. „Der Zweitbeste verkauft nichts“, sagt Joachim Heinzl, Geschäftsführer der Wirtschafts-Standortgesellschaft.“ Warum sind Vorarlberger so innovativ? Eine Annäherung.

Für Josef Schumpeter, den 1883 geborenen und 1950 gestorbenen Ökonomen, war Innovation mehr als nur die Erfindung eines Produkts. Innovation war in seinem Verständnis die Umsetzung einer guten Idee in deren marktreife Verwendung. Der Deutsche Alfred Oberholz dürfte sich auf den österreichisch-amerikanischen Ökonomen berufen haben, als er festhielt: „Forschung ist die Umwandlung von Geld in Wissen. Innovation ist die Umwandlung von Wissen in Geld.“ Hans-Jürgen Quad­beck-Seeger, ein Chemiker, hat das so ausgedrückt: „Innovation is an idea in action.“ Zu theoretisch? Beispiele aus der Praxis? Bitte sehr.

New York, Dortmund, Bregenz

Zumtobel erhellt das Hauptgebäude der New York Times – und die Spiel- und Trainingsstätten des deutschen Fußball-Traditionsklubs Borussia Dortmund. Alpla, Stammsitz Hard, stellt Kunststoffflaschen für Coca-Cola her. Wolford, Bregenz, arbeitet eng mit Gaultier und Lagerfeld zusammen. Rauch Fruchtsäfte, Rankweil, füllen Red Bull ab, die Dosen stammen von Rexam. Jedes zweite Windrad weltweit funktioniert mit Automatisierungstechnik des Feldkircher Unternehmens Bachmann electronic. Getzner Werkstoffe in Bürs, Spezialist für Schwingungsisolierung und Erschütterungsschutz, realisiert spezielle Lösungen für die U-Bahn in New York und den Gotthard-Basistunnel. Das sind nur ein paar Beispiele für innovative Produkte Vorarlberger Unternehmen, das ist keine umfassende Auflistung. Wenn Joachim Heinzl, Geschäftsführer der Wirtschafts-Standortgesellschaft, Vorarlberger Unternehmen beschreibt, sagt er: „Der ausgeprägte Pionier- und Erfindergeist ist wesentliche Basis einer überdurchschnittlich hohen Innovationskraft.“

Gemessen an der Einwohnerzahl ist Vorarlberg das exportstärkste Bundesland Österreichs. Seit dem EU-Beitritt hat sich das Exportvolumen des Landes von 2,6 Milliarden auf 9 Milliarden Euro mehr als verdreifacht – und Vorarlbergs exportierende Wirtschaft wächst auf hohem Niveau weiter. Vorarlbergs Unternehmen haben sich, wie Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser betont, „in beachtlichem Ausmaß entwickeln und behaupten können“, in unterschiedlichsten Branchen – und das an einem Standort, der durch hohe Kosten und viele Auflagen charakterisiert ist.

Hohe Innovationskraft

Wie erklärt sich also der Erfolg der Vorarlberger Unternehmen? „Durch die hohe Innovationskraft, sowohl in Produktionsfragen als auch bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung“, sagt Rüdisser. „Innovation“, erklärt Christian Beer, Inhaber und Geschäftsführer der Heron-Gruppe, „ist das Einzige, das eine Gesellschaft reicher macht.“ Mitbewerber hätten teilweise bessere Voraussetzungen in Bezug auf Kosten, Auflagen, grundsätzliche Rahmenbedingungen: „Diesen Nachteil zu kompensieren, geht nur über Innovation. Ansonsten hätten wir gegen den weltweiten Mitbewerb keine Chance.“

„Innovation“, sagt Gerhard E. Blum, „ist die Lebensversicherung für jedes Unternehmen, sie hilft die Marktposition abzusichern. Das gilt auch für Blum.“ Auch in der Zumtobel Group sind Innovationen fest in der Unternehmenskultur verankert. „Im globalen Wettbewerb und in Zeiten rascher technologischer Veränderungen sind Innovationen ein entscheidender und notwendiger Erfolgsfaktor“, erklärt Klaus Vamberszky, Chief Technology Officer der Zumtobel Group. Für Helmut Steurer, den Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg, hängt Innovieren dabei „untrennbar mit Können zusammen“. Vorarlbergs Unternehmen seien an einer guten Idee nicht nur um der guten Idee willen interessiert, sondern als Basis für die zielgerichtete Lösung spezieller Problem- und Fragestellungen: „Man innoviert und entwickelt für den Markt.“ Joachim Heinzl, Geschäftsführer der Wirtschafts-Standortgesellschaft, beschreibt das so: „Es nützt nichts, der Weltbeste in einer Technologie zu sein, wenn man kein Produkt hat, das man auch verkaufen kann. Entscheidend ist, Produkte kommerzialisieren zu können.“ Und das können Vorarlbergs Unternehmen. Warum eigentlich?

Zusammenspiel

Für Helmut Steurer ist „die Zusammenarbeit zwischen den Fachleuten in der Produktion und den technischen Entwicklern von entscheidender Bedeutung“. Der Standort Vorarlberg habe sich, bedingt durch das Fehlen einer eigenen Universität im Land, immer schon an den besten auswärtigen Forschungseinrichtungen orientiert, aber auch in den Unternehmen selbst entwickelt, mit einem sehr marktorientierten, sehr anwendungsorientierten Ansatz. Und noch eine Vorarlberger Besonderheit wirkt sich positiv aus, sagt Heinzl: „Ein Unternehmen kann jedes Bauteil, das benötigt wird, in Vorarlberg fertigen lassen, man findet vor Ort jede Kompetenz, die benötigt wird.“ Erfindergeist treffe auf handwerkliches Geschick, basierend auf der guten dualen Ausbildung. „Wir haben im Land eine unglaubliche Vielfalt an unterschiedlichen Branchen, die sich gegenseitig befruchten“, sagt Christian Beer, in dessen Heron-Gruppe die preisgekrönten Unternehmen Heron CNC-Technik, Robounits und Servus Intralogistics firmieren. Helmut Steurer nennt noch einen Grund für die hohe Innovationskraft der Vorarlberger Unternehmen: „Es gab nie einen Schutz, Vorarlberger Unternehmen waren seit ihrer Gründung dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Und sie haben damit zu leben gelernt.“ Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen die verstaatlichte Industrie prägend war, waren hiesige Unternehmen mit ihren Produkten von Beginn an scharfem Wettbewerb ausgesetzt – und im Sog der großen Unternehmen erreichten auch kleinere und mittlere Zulieferbetriebe international höchstes Niveau. „Die Flaggschiffe gaben und geben den weltweit geforderten Standard, die hohen Ansprüche, an ihre mittelständischen Zulieferbetriebe im Land weiter.“

Sichtbar an den Patentanmeldungen

In Patentanmeldungen findet diese Innovationskraft ihren Ausdruck. Basierend auf Eurostat-Daten des Vorjahres* lag Vorarlberg vor der Nordwestschweiz, vor Baden-Württemberg, vor Bayern, vor der Zentralschweiz. „Vorarlberger Firmen finden sich regelmäßig in unserem Erfindungsranking, das die Firmen mit den meisten erteilten Patenten und registrierten Gebrauchsmustern zeigt. Unternehmen wie Zumtobel, Tridonic und Blum tauchen immer wieder in den Top Ten auf“, sagt Christian Laufer vom Österreichischen Patentamt. Obwohl die Forschungs- und Entwicklungsausgaben Vorarlbergs „eher mittelmäßig“ sind, liegt die Zahl der Patent­anmeldungen pro Einwohner regelmäßig im Spitzenfeld. Misst man die Pro-Kopf-Erfindungsquote der Bundesländer, nicht die absolute Zahl der angemeldeten Erfindungen, „führt Vorarlberg dieses Ranking mit 108 Anmeldungen pro 100.000 Einwohner klar an“. Laufer sagt, dass eine signifikante Wechselwirkung zwischen Forschung und Patenten besteht: „Der Innovationsschutz der Patente bietet Anreize für unternehmerische Forschung, höhere unternehmerische Forschung führt zu steigenden Patentanmeldungen. Und mit steigendem Wohlstand eines Landes gewinnen Erfindungen auf der Basis von unternehmerischer Forschung und Innovation zunehmend an Bedeutung als Wachstumsmotor.“ Da schließt sich der Kreis. Für Joachim Heinzl ist Innovation „die Basis der überaus hohen Wirtschaftskraft der Vorarlberger Unternehmen“. Um Marktanteile halten und ausbauen zu können, braucht es ständig neue Produkte, neue Verfahren, neue Dienstleistungen. „Und der internationale Wettbewerb ist beinhart“, sagt Heinzl, „als Zweitbester verkaufst du in diesen Märkten nichts.“

Blum in der Air Force One

Beschläge von Blum finden sich in der Air Force One und in den Umkleidekabinen des FC Chelsea. Wer einen Mercedes fährt, einen VW oder einen BMW, fährt auch mit dem Know-how Vorarlberger Zulieferbetriebe. Henn fertigt spezielle Verbindungssysteme, die von den genannten und rund 30 weiteren Automobilproduzenten weltweit verwendet werden. Carcoustics liefert Bauteile, unter anderem für Audi; Hirschmann fertigt und liefert Steckverbindungen für Mercedes, Audi, Porsche, BMW und VW. Stoffe von Getzner Textil werden von Hugo Boss verwendet, aber auch von Porsche. Und wer es noch schneller und luxuriöser mag: Der Bugatti Veyron, der mit seinen 1200 PS als stärkstes und schnellstes Serienauto der Welt gilt, wird mit Technologie aus Hörbranz gestartet – das Unternehmen Lascript entwickelt und fertigt exklusiv den Startknopf des Supersportwagens. Supersportwagen? Mahle-König liefert Kolben und Zylinderköpfe für Formel-1-Rennwagen. Und für Motorräder. Auch hier gilt: Das sind Beispiele, das ist keine umfassende Auflistung.

Lebensversicherung Innovation

VW, der Konzern, hat die Servus Intralogistics im Vorjahr als einen der zehn innovativsten Zulieferbetriebe ausgezeichnet, aus 200 Mitbewerbern. Ausschlaggebend dafür war eine Kombination eines Servus-Transportroboters mit einem Knickarm-Roboter, die aus zwei Prozessschritten einen machte. Servus Intralogistics hat beim Reifenhersteller Michelin die sechste Anlage in Betrieb genommen; der Weltkonzern Google greift für seine neue Fabrik auf das Servus-System zurück, das den gesamten Leichtguttransport im neuen riesigen Gebäude übernehmen wird.

In der Definition von Gerhard E. Blum ist Innovation „der dritte entscheidende Erfolgsfaktor, neben internationaler Marktpräsenz und engagierten Mitarbeitern“. Heron-Chef Beer führt die hohe Innovationskraft auch darauf zurück, dass es in Vorarlberg „im Prinzip keine Kluft zwischen Mitarbeitern und Führungsmannschaften gibt“. Der wechselseitigen Identifikation genauso wie den gut ausgebildeten Facharbeitern in Vorarlberg schreibt auch Heinzl große Bedeutung zu: „Unternehmen sind auf gute Mitarbeiter angewiesen, die entwickeln und innovieren – und wir haben das Glück, in Vorarlberg solche Arbeitnehmer auch zu finden.“

Ein umstrittener Punkt

Zumtobels Technik-Chef Klaus Vamberszky sieht das freilich nicht ganz so positiv. Arbeitgeber würden bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern in Vorarlberg immer wieder an Grenzen stoßen. „In Zeiten des technologischen Wandels sind wir vor allem auf der Suche nach Software-Entwicklern, Interface- und Usability-Experten. Diese Fachkräfte kommen zunehmend aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Für die Unternehmen ist es nicht immer einfach, diesbezügliche bürokratische Hürden zu überwinden.“ Vamberszky wünscht sich „bei internationalen Zuzügen mehr Unterstützung, und eine breitere internationale Ausrichtung der Infrastruktur durch öffentliche Einrichtungen. Davon würden die Betriebe sehr profitieren.“ Auf die hiesige Innovationskraft angesprochen, sagt Vamberszky: „In Vorarlberg werden Innovationen sehr stark von der Industrie, von den Betrieben selbst getragen, insbesondere von vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Das macht den Wirtschaftsstandort attraktiv. Innovation ist letztlich das Ergebnis von kreativen und innovationsfreudigen Mitarbeitern.“

Im Lustenauer Millennium Park entwickelt Roman Rabitsch mit seinem Team unter dem Markennamen Angelbird Hightech-Speichermedien, die weltweiten Zuspruch finden. Von den hocheffizienten SSD-Laufwerken aus Vorarlberg ist, wie jüngst gemeldet wurde, sogar die Filmindustrie in Hollywood begeistert. Und noch ein Hinweis für all jene, die demnächst mit dem Flugzeug verreisen: Bitte auf den Sitz achten! Schöller produziert technische Garne, die in Sitzbezügen bei Airbus und Boeing verwendet werden. „Made in Vorarlberg“ ist, auch wenn man Anglizismen nicht sonderlich schätzt, zu einem weltweiten Qualitätsbegriff geworden. „Diese Aussage“, sagt Wirtschaftslandesrat Rüdisser, „unterschreibe ich sofort.“
Die Innovationskraft eines Landes hat Auswirkungen auf dessen Wohlstand. Auch darum gilt es innovative Umsetzungen und Produkte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und nicht zuletzt wertzuschätzen. Mit dem Innovationspreis, von Wirtschaftskammer und Land vergeben, gelingt dies nachhaltig – heuer bereits zum 15. Mal. 385 Projekte wurden bislang aus der Wirtschaft eingereicht.

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Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft

Unterstützung für heimische Unternehmen, zusammengefasst im Technologiekatalog der Wirtschaftsstandort-Gesellschaft.

Die Technologiezyklen werden immer kürzer, die Komplexität von Technologien nimmt stetig zu. Um da stets auf dem neusten Stand der Technik sein zu können, sind Kooperationen und Technologietransfers mit wissenschaftlichen Einrichtungen von größtem Wert. Die Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO) unterstützt deshalb heimische Betriebe bei der Initiierung und Umsetzung von Technologietransfer-Projekten. Ein Technologiekatalog soll Impulse zur Intensivierung der Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft setzen.

Der Technologiekatalog, von der WISTO entwickelt, gibt einen Einblick in die Kompetenzen regionaler und überregionaler Forschungseinrichtungen und Technologieanbieter. „Die Auswahl erfolgte nach thematischer Relevanz für die Wirtschaftsregion und die heimischen Betriebe. Mit mehr als 20 Exzellenzzentren und einem Mitarbeiterpool von über 4000 Forschenden steht der Vorarlberger Wirtschaft ein starkes Angebot an Fachexpertise zur Verfügung“, erklärte WISTO-Geschäftsführer Joachim Heinzl. Die vorgestellten Einrichtungen verteilen sich von Wien bis St. Gallen, auch die FH Vorarlberg mit ihren Forschungsschwerpunkten, das Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik sowie V-Research, alle mit Sitz in Dornbirn, sind als regionale Partner im Katalog beschrieben. Neben der Vorstellung der Technologiepartner bietet der Katalog auch Informationen zu Fördermöglichkeiten für Kooperationsprojekte durch Land, Bund oder EU. Der Technologiekatalog steht auf www.wisto.at/Technologiekatalog.pdf zum Download.

 

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