David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Es gibt immer zu wenige Roboter

Juni 2017

Immer wieder wird behauptet, Roboter oder neue Algorithmen künstlicher Intelligenz würden uns in Zukunft die Arbeit wegnehmen. Viele fürchten sogar, der technische Fortschritt führe zu Massenarbeitslosigkeit und wir würden dadurch verarmen.
Dabei wird genau das Gegenteil der Fall sein: Es wird immer zu wenige Roboter geben, um unsere ganze Arbeit zu erledigen, denn es gibt einfach viel zu viel zu tun.

Technischen Fortschritt gibt es bereits seit Langem, ohne dass er unsere Gesellschaften arbeitslos gemacht hätte. So gehören Faustkeile zu den ältesten bekannten Werkzeugen und bereits sie haben die Arbeit vieler Hände beim Hacken oder Schaben eingespart. Heute verfügen wir zum Glück über weit bessere Maschinen, die es erlauben, uns anderer Arbeit zu widmen. Der Einsatz von Werkzeug, Maschinen und Robotern bringt nicht nur eine Verdrängung von Arbeitskräften, vielmehr ergibt sich dadurch Wohlstand für viele und der Einsatz von Technik eröffnet neue Chancen. Dagegen predigen Angstmacher und Technikkritiker, die Welt verändere sich zu schnell und der technische Fortschritt wäre diesmal ganz anders als bisher: In nur wenigen Jahrzehnten würden ganze Berufszweige aussterben und viele Branchen nahezu keine Arbeitskräfte mehr benötigen. Abgesehen davon, dass die meisten heute Berufstätigen dann schon im verdienten Ruhestand sind, gibt es gewichtige ökonomische Gründe gegen diese Technikangst.

Zuallererst zeigen empirische Befunde eines klar und deutlich: Gesellschaften, die viel physisches Kapital, also Maschinen oder Roboter einsetzen, sind wohlhabender als jene, die dies nicht tun. So ist das Problem vieler ärmerer Länder der Welt, dass die Arbeitskraft dort weniger wert ist als in den reichen Ländern Europas. In armen Ländern werden die Arbeitskräfte unzureichend durch Maschinen unterstützt und auch die Arbeitslosigkeit ist dort nicht systematisch höher oder tiefer als in technisch automatisierten, reichen Ländern. Sprich: Alle Menschen tun etwas für ihr Leben und Maschinen helfen uns, es produktiver zu tun. Wir sind deshalb so reich, weil Maschinen so viel für uns machen. Werden keine Roboter eingesetzt, ist die Arbeit schwierig und die erstellten Produkte sind teurer.

Zentral ist beim Einsatz von Maschinen, Robotern oder Algorithmen der relative Preis im Vergleich zu menschlichen Arbeitskräften. So verdrängen technische Neuerungen den Menschen dann, wenn sie bei gleicher Qualität kostengünstiger sind oder bei gleichen Kosten bessere Qualität liefern. Dadurch werden die erstellten Produkte und Dienstleistungen der betreffenden Branche günstiger und besser. Die Automobilindustrie dient als Beispiel: Dank dem Einsatz von Robotern sind Autos heute von besserer Qualität als vor 50 Jahren, und auf unser reales Einkommen bezogen sind sie auch bedeutend günstiger. Da durch den Einsatz von Technik die Produkte billiger werden, können sich die Menschen mit dem ersparten Geld mehr kaufen, und das reale Einkommen sowie die realen Konsummöglichkeiten steigen. So machen Maschinen uns reicher. Der steigende Reichtum steigert nun aber die Attraktivität anderer Berufe, die bisher von vielen Arbeitnehmern zwar als schön wahrgenommen wurden, in denen jedoch bislang zu wenig Einkommen generiert werden konnte. Dazu zählen beispielsweise das Kunsthandwerk, Design oder Musik. Insgesamt profitieren Betriebe, die flexibel sind und auf individuelle Eigenheiten der nunmehr reicheren Konsumenten eingehen – eine kleine Renaissance des Handwerks könnte bevorstehen.

Gleichzeitig bieten die neuen Informationstechnologien ungeahnte Möglichkeiten, völlig neue Märkte zu erschließen. Wer heute eine Produktidee hat und seine Arbeit gut macht, kann diese einfach auf dem Weltmarkt anbieten. Kunstschaffende oder Kleinbetriebe, die spezielle, einzigartige Produkte herstellen, für die sich aus einer Million Personen nur wenige hundert begeistern können, wären vor 20 Jahren gescheitert. Heute finden sie dank Internet und Suchalgorithmen einen Markt von potenziell mehreren hunderttausend Abnehmern.

Suchalgorithmen helfen uns aber nicht nur beim Verkauf von Produkten, sondern natürlich auch bei der Suche nach neuen Jobs. Suchen und finden ist weitaus einfacher, schneller und effizienter geworden. Ja sogar die Partnersuche wird uns erleichtert. Zwar gibt es immer noch Kleinanzeigen in Zeitungen, aber um die Dating-Seiten im Internet hat sich ebenfalls eine ganze Industrie entwickelt und Werbung dafür ist im „alten“ Fernsehen zu sehen. Neben Partnern für die Gefühle lassen sich auch neue Geschäftspartner einfacher finden. Insbesondere der Erfolg von Computern belegt außerordentlich, wie sich die Lebensqualität und das Selbstverständnis der Arbeitnehmer über die Zeit mithilfe von Technik positiv entwickelt: Die einfache Schreibkraft aus den 1950er-Jahren wurde zum Sekretär, der Sekretär zum Sachbearbeiter und der Sachbearbeiter zum Berater. Sobald Algorithmen die Beratertätigkeit übernehmen, wird der menschliche Berater zur einfühlsamen Vertrauensperson. Natürlich haben sich über die Zeit die Berufe und die Branchen verändert, und die „einfache Schreibkraft“ gibt es nicht mehr wirklich. Doch gab es weder Massenarbeitslosigkeit noch ist die Gesellschaft verarmt. Zuletzt ermöglicht die neue Informationstechnologie ein einfacheres Lernen denn je. Riesige Enzyklopädien sind gratis per Mausklick verfügbar und Foren oder Videos bieten schnelle und oft akkurate Antworten auf vielfältige Fragen.
Branchenverschiebungen durch Technik gab es immer. So lag der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft vor einigen Jahrzehnten noch bei einem Vielfachen des heutigen Anteils von etwa 4,5 Prozent in Österreich, was im Vergleich zu anderen Industrieländern immer noch hoch ist. Es liegt die Vermutung nahe, dass in Zukunft noch weitere Landwirte durch bessere Maschinen oder Feldroboter verdrängt werden. Melkroboter sowie Käsepflegeroboter leisten hervorragende Arbeit, ohne zu jammern. Wie in der Vergangenheit muss man sich um die Bauern aber nur wenig Sorgen machen. Bauern sind einzigartige, selbstständige, gewiefte und vielseitig begabte Arbeitskräfte. Ein richtiger Bauer ist ein vielseitiger Allrounder und kennt sich selbst im Umgang mit staatlicher Regulierung und Bürokratie aus. Er besitzt damit breite Fähigkeiten, die hochspezialisierten Robotern fehlen.

Dabei verwundert, dass die Technikfeinde und Angstmacher nur höchst selten die staatliche Verwaltung erwähnen, wenn es um in Zukunft wegfallende Branchen geht. Dabei sollten im Prinzip viele Angestellte in staatlichen Verwaltungen von der Roboterisierung und den Entwicklungen in der Informationstechnologie betroffen sein. Der Typus eines Verwaltungsangestellten wäre nach dem großen Soziologen Max Weber durch Merkmale wie „Trennung von Amt und Person“, „Regelgebundenheit“, „Unpersönlichkeit“ geprägt. Roboter oder Algorithmen sollten aus dieser Sicht besonderes gute Rechtsautomaten sein, handeln sie doch nach programmierten Regeln und höchst unpersönlich. Niemand glaubt aber ernsthaft, dass viele Staatsangestellte bald arbeitslos werden. Vielmehr finden sich in der Verwaltung immer schnell neue Aufgaben und die Komplexität nimmt weiter zu. Genau aufgrund des Einsatzes von Robotern wird es so sein, dass die Verwaltung ihre Aufgaben ausdehnt. Dementsprechend werden wir bald hoffen, es möge mehr Roboter geben, damit der ganze neue Dokumentations- und Regulierungsaufwand effizient erledigt werden kann. Wie die Geschichte schon gezeigt hat, gibt es trotz Maschinen und Robotern immer viel Arbeit zu tun.

Natürlich erfordert der technische Fortschritt eine anpassungsfähige Wirtschaft. Dabei soll die Politik keinesfalls versuchen, den technischen Fortschritt zu stoppen, denn das würde uns alle nur verarmen lassen. Genauso wenig soll Industriepolitik betrieben werden, da diese im Regelfall auf wenige Industriezweige setzt und scheitert. Besser ist es, sich auf einfache, traditionelle Konzepte zu verlassen: Erstens, nicht alle Eier in einen Korb legen, also auf Diversifikation achten. Neben Industrie sind Handwerk und ein breiter Dienstleistungssektor zentral. Zweitens, die universitäre Bildung hoch, aber nicht zu hoch schätzen, denn gut ausgebildete Fachkräfte sind dank der dualen Berufsbildung vielseitiger einsetzbar als hochspezialisierte Universitätsabgänger ohne Erfahrung. Drittens, eine ausgewogene Fiskalpolitik betreiben, denn dann können unerwartete Schocks und echte Krisen ausgeglichen werden. Viertens, Wirtschaftstreibende und Unternehmer nicht speziell fördern, sondern einfach nicht durch übermäßige Regulierung und Kontrollwahn bestrafen. Und zuletzt, auf regionale Flexibilität achten, denn nationale Einheitslösungen passen nicht für alle und bergen große Risiken.

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