Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Export–Rekord, aber das Warten geht weiter

Februar 2022

Vorarlbergs Unternehmen erzielten im ersten Halbjahr 2021 einen Export-Rekord mit einem Gesamtwert von über 6,13 Millionen Euro trotz der verzögerten Lieferketten und dem damit verbundenen Rohstoffmangel. Aufgrund der anhaltenden Pandemie ist eine rasche Erholung der Lieferengpässe auch im neuen Jahr nicht in Sicht. „Omikron wird die Situation erneut verschärfen, aber nicht mehr zum Erliegen bringen“, sagt die Wirtschaftsökonomin Elisabeth Christen.

Egal ob Fahrrad, Auto, Waschmaschine oder Kühlschrank, die Lieferzeiten für Konsumgüter, aber auch Materialien für die Produktion waren 2021 enorm. Vor allem die Lieferung von Waren, Mikrochips und Halbleitern aus dem asiatischen Raum verzögerten sich, die Gründe hierfür waren vielfältig. Einerseits lag es an den eingeschränkten personellen Kapazitäten an den Häfen, die die Be- und Entladung der Schiffe verzögerten, andererseits an der falschen Containerverteilung und dem kaum vorhandenen Flugverkehr. Ja, ein bisschen Schuld war auch die im Suez-Kanal auf Grund gelaufene Ever Given. Im Spätherbst spitzte sich die Lage zu, die Weihnachtsgeschenke waren in Gefahr und einige Eltern konnten wohl dem Wunsch der Sprösslinge nach einer Spielkonsole unter dem Weihnachtsbaum aufgrund der stark limitierten Verfügbarkeit nicht nachkommen. Ob dies nun ein Fluch oder ein Segen war, sei dahingestellt. Kurz vor den Feiertagen deuteten, wie auch Elisabeth Christen, Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, bestätigte, viele Vorzeichen auf eine langsame Erholung der Lieferkettenverzögerungen hin: „Vor Weihnachten war man noch voller Hoffnung auf eine raschere Erholung im ersten Quartal 2022, aber die Omikronwelle bringt nun einen neuerlichen Stresstest. Die Infektionszahlen sind sehr hoch und das hat natürlich Rückwirkungen auf die Produktion und den Seefrachtverkehr sowie den Warenumschlag.“
Neben den Personalenpässen war es vor allem die falsche Verteilung von Containern, die die Lieferverzögerungen anfeuerte. Die Situation hat sich inzwischen, auch durch Zukäufe weiterer Container abgeschwächt, von einer Entspannung kann aber noch nicht gesprochen werden, erläutert die Ökonomin anhand eines Beispiels: „Lieferungen von China an die Westküste der USA benötigten in der Regel 85 Tage, derzeit sind es 100. Das liegt einerseits an den verzögerten Lieferketten, aber auch daran, dass nach wie vor die Be- und Entladung verzögert ist. Das führt dazu, dass sich aktuell rund 12 Prozent der weltweit verschifften Gütermenge auf wartenden Containerschiffen befindet. Im Vergleich zum Dezember-Wert hat der Anteil im Jänner damit wieder zugenommen.“

Spielverderber Null-Covid-Strategie 

Die Omikron-Welle hat vor Kurzem auch den asiatischen Raum erreicht. „Die ersten Fälle haben gezeigt, dass China auch bei der Omikron-Variante an der Null-Covid-Strategie festhält“, informiert Christen und führt aus: „Sollten dadurch wieder vermehrt Abriegelungsmaßnahmen und Lockdowns ganzer Städte bzw. Regionen einhergehen, würden diese die nach wie vor angespannte Situation, vor allem im Bereich der Rohstoffe, extrem befeuern. Viele Produkte wie Mikrochips, Halbleiter oder Elektronikbauteile kommen großteils aus dieser Region und die Nachfrage nach diesen Produkten ist einfach nach wie vor massiv. Zudem sind laut dem Kiel Trade Indicator derzeit 15 Prozent weniger Waren auf dem Roten Meer und auf dem Suez-Kanal – der wichtigsten Schiffs-Handelsroute zwischen Europa und Asien –unterwegs als unter normalen Umständen zu erwarten wären.“

Österreichische Exportwirtschaft erzielt Rekorde

Auf der einen Seite kommt es zu Produktionsstopps aufgrund fehlender Rohstoffe, die Lieferzeiten für Weißware oder Fahrzeuge betragen bis zu einem halben Jahr, und auf der anderen Seite erzielt Österreichs Exportwirtschaft noch nie dagewesene Rekordumsätze. Diese paradoxe Situation lässt sich laut Elisabeth Christen maßgeblich durch die frühe Erholung der Weltwirtschaft begründen, von der die Exportwirtschaft im Land stark profitiert hat. „Gleich nach der ersten Welle hat die Sachgüterproduktion wieder stark angezogen, davon hat auch Österreich profitiert“, berichtet die Ökonomin: „Natürlich waren die Betriebe von den Engpässen betroffen, vieles konnte aber noch aus den Lagerbeständen bedient werden.“ Die Auswirkungen der verzögerten Lieferketten machen sich daher erst verspätet bemerkbar. Das bestätigt auch die aktuelle Situation: „Derzeit schlagen sich die Lieferengpässe in Österreichs Firmen durch, der Höhepunkt war vermutlich aber bereits um den Jahreswechsel. Die Lagerbestände sind aufgebraucht, jedoch ist die hohe Nachfrage nach Rohstoffen, wie etwa Halbleitern, weltweit geblieben“, skizziert Christen die angespannte Lage und führt aus: „Gerade die langen Lieferzeiten bei gewissen Produkten wie Mikrochips, aber auch dass sich diese Angebots- und Lieferengpässe bereits in den Preisen durchschlagen, stellen die heimischen Betriebe aktuell vor große Herausforderungen. Das wirkt sich in Folge natürlich auch auf die Exporte aus.“ Die Lieferkettenproblematik werde sich aufgrund der Omikronwelle in nächster Zeit auch nicht abschwächen, sondern noch einmal steigen, sagt Elisabeth Christen und gibt aber gleichzeitig Entwarnung: „Insgesamt ist die Omikronwelle eher ein Dämpfer und kein Einbruch für die Exportwirtschaft.“

Auf die Welle folgt Erholung

Den aktuellen Entwicklungen zufolge werden uns die Lieferschwierigkeiten und der damit verbundene Rohstoffmangel auch 2022 noch länger begleiten. Jedoch zeigen die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre, dass davon ausgegangen werden kann, dass auf die Omikron-Welle eine wirtschaftliche Erholung folgen wird. „Es zeigt sich, dass nach jeder Welle der Aufholprozess in Folge sehr stark war“, erläutert Christen: „Zu Beginn der Pandemie, also nach dem ersten Lockdown, hat das selbstverständlich etwas länger gebraucht, aber jetzt sieht man, dass nach jedem Lockdown, nach jeder gesundheitspolitischen Maßnahme, wieder eine sehr starke Ausweitung und eine sehr positive Wirtschaftsexpansion stattfinden – natürlich gegeben den Einschränkungen, die am Weltmarkt vorherrschen.“ 

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