Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Ein Ort für die Vorarlberger Stickerei

September 2023

Die Stickerei hat in Lustenau lange Tradition. Um diese für weitere Generationen zu bewahren sowie für die Bevölkerung zugänglich zu machen, arbeitet der Verein Stickerei – Museum. Archiv. Kommunikation (S‑MAK) an einem modernen Museumskonzept. 

Vor mehr als 150 Jahren fiel in Lustenau mit der Inbetriebnahme zweier Handstickmaschinen durch die Brüder Hofer der Startschuss für die industrielle Stickerei in Vorarlberg. Die Stickereien erlangten rasch einen hohen Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen hinaus und waren fast von Beginn an ein Exportschlager. „In den Blütezeiten gab es in Lustenau über 100 Maschinen, der Klang dieser ist in der Erinnerung vieler älterer Lustenauer nach wie vor prägend für die Marktgemeinde“, erklärt Daniela Fetz-Mages, Projektkoordinatorin des S-MAK und führt aus: „Die Stickerei hat die Entwicklung von Lustenau stark geprägt und vorangetrieben. Auch heute noch erinnern zahlreiche Häuser an die goldenen Zeiten.“ Um dieser wichtigen Rolle Rechnung zu tragen, hat die Marktgemeinde vor rund acht Jahren die Sammlung vom Stickereiverband übernommen und sich entschieden, diese öffentlich zugänglich zu machen. 

Altes Konservieren und Neues erschaffen
Zu diesem Zweck wurde der Verein „Stickerei – Museum. Archiv. Kommunikation“, kurz S‑MAK, gegründet. „Dieser arbeitet an einer Neupräsentation der Geschichte der Vorarlberger Stickerei, will sich aber auch deren Gegenwart und Zukunft widmen“, betont Fetz-Mages: „Ziel ist es, dafür einen Ort in Lustenau zu etablieren, um mittels digitalen und analogen Sammlungsobjekten, Medien und Veranstaltungsangeboten unterschiedlichste Aspekte der Stickerei aufzuarbeiten.“ Dieser Ort wurde gefunden und die Renovierungsarbeiten sind im Gange. „Die Eröffnung soll im Sommer 2024 stattfinden, allerdings bietet sich für Interessierte schon zuvor die Gelegenheit, einen ersten Blick zu erhaschen.“ So wolle man bei der „Langen Nacht der Museen“ am 7. Oktober bereits vorab die Tore in der Kneippstraße 6a öffnen. Man habe lange über eine passende Präsentationsform nachgedacht, sich viel Wissen zu moderner Museumsplanung angeeignet, führt die Projektkoordinatorin aus: „In einem über vier Jahre dauernden Partizipationsprozess haben wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Branche sowie Historikern und Konservatorinnen an einem Konzept gearbeitet und freuen uns nun sehr, dieses in die Umsetzung zu bringen.“ Vieles sei bereits am Laufen, wie etwa die Digitalisierung der tausenden Stickmuster, die die jeweiligen Stickereibetriebe beim Stickereiverband einbrachten, um ihre eigenen Kreationen zu schützen. Der Stickereiverband fungierte mit seinem ,Musterschutz‘ als eine Art Patentamt. Die eingereichten Stickereimuster konnten so vor ungewollten Kopien durch Konkurrenzbetriebe geschützt werden.
Um diese Muster für viele Generationen zu bewahren, müssen sie vor Licht geschützt und konservatorisch korrekt verwahrt werden. Das umfassende Konvolut, das außerdem die Trends und Vorlieben in der Stickereiproduktion über einen langen Zeitraum dokumentiert, ist zusätzlich ein wertvolles Zeitdokument. „Daher haben wir uns entschieden, diese zu digitalisieren und sie einerseits in die Ausstellung mit aufnehmen zu können, sie aber auch über ein digitales Online-Archiv weltweit zugänglich zu machen“, erläutert Daniela Fetz-Mages. Die Muster können somit nicht nur zur Dokumentation früherer Kreationen dienen, sondern auch Inspiration für moderne Designs und Stoffe sein. Neben den kleinen Musterteilen umfasst die Sammlung zudem rund 350 Kleider. Hier ist vom gestickten Nachthemd bis zur edlen Robe von bekannten Designern wie Helmut Lang alles dabei. Was wiederum die Vielfalt der Vorarlberger Stickerei abbildet. 
Das monumentalste Ausstellungsstück ist aber die „10-Yard-Stickmaschine“, die gerade für die Experten der Branche einen besonderen Stellenwert einnimmt, war sie doch über einen langen Zeitraum das vorherrschende Stickmaschinen-Modell in Lustenau. Durch die Inbetriebnahme der Maschine und einem angrenzenden Punch- und Zeichenstudio bietet sich zudem die Möglichkeit, den kompletten Entstehungsprozess abzubilden. Vom Design bis zum fertig bestickten Stoff.
Wie bereits in den Statuten des Vereins festgeschrieben, soll es aber nicht nur um die Bewahrung und Tradierung der alten Werte gehen, sondern auch viel Platz für Neues sein. So will man mit der Sichtbarmachung des Stickerhandwerks und den nach wie vor bestehenden Betrieben deren Modernität aufzeigen und den Beruf auch für kommende Generationen attraktiveren. 
Die ehemalige Stickereihalle birgt außerdem das unschätzbare Potenzial von Weitläufigkeit. Sie ermöglicht es, Ausstellungsraum, Depot und Veranstaltungsort in einem Raum zusammen finden zu lassen. Die flexible Architektur des Raumes kann entlang der jeweiligen Bedürfnisse und Anlässe entsprechend umgebaut werden. Ob Vorträge, Workshops oder Konzerte, die im S-MAK stattfinden – die Besucher sind stets von der vielstimmigen Erzählung der Stickereigeschichte und einer ratternden Stickmaschine umgeben.
Zudem wird es, wie auch bisher, eine Kooperation mit dem Kunstraum „Dock 20“ geben, in deren Rahmen sich junge internationale Künstler in Form eines Stipendiums mit dem traditionellen Handwerk auseinandersetzen können. 
Und damit wird wiederum ein Teil des modernen Museumskonzeptes des S-MAK erfüllt: so gibt es zwar einen Ort, an dem die Tradition und Geschichte der Vorarlberger Stickerei verankert ist, ihr Einfluss und ihre Ergebnisse reichen, aber weit darüber hinaus. Genau wie die Stoffe, die bis nach Afrika und in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert werden, werden moderne Stickereiansätze in die Kunst übernommen und so einem breiten Publikum zugeführt.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.